Von Zeit zu Zeit schlagen unsere Verfolger einen Waffenstillstand vor und verhandeln mit uns, bevor sie ihre Energiestrahler wieder auf uns richten. Wahrscheinlich hoffen sie, daß wir den Lichtbogen ihrer Vernunft erkennen, der stets über diesem kosmischen Gefängnishof strahlt.
Schon zweimal haben wir den Versuch unternommen, einen anderen Kosmos zu finden — wir sind ohne bestimmten Kurs durch den Hyperraum geflogen. Aber die dort herrschenden Stürme haben uns wieder an diese Küste zurückgeworfen, die unser Universum darstellt.
Wir geben uns alle Mühe, an unseren Prinzipien festzuhalten, aber auch das wird immer schwerer. Wir hätten deinen Planeten nicht zu beschädigen brauchen, Paul! Das ist meine Meinung, die ich allerdings nicht beweisen kann, weil ich nicht weiß, welche Überlegungen unser Kapitän angestellt hat. Aber obwohl ich das nicht bestimmt weiß, hoffe ich, daß wir für immer in einem Sturm verschwinden, bevor wir nochmals anderen Lebewesen schaden. Es heißt, daß man beim drittenmal ertrinkt ... Das hoffe ich!«
Ihre Stimme veränderte sich, als sie plötzlich ausrief: »Oh, Paul, wir möchten diese wunderbaren Träume so gern verwirklichen — und dabei bringen wir nur immer Unheil über andere. Ist es da nicht verständlich, daß wir im Tod den einzigen Ausweg sehen?«
Tigerishka wandte sich ab. Kurze Zeit später fügte sie ruhiger hinzu: »Jetzt habe ich dem Affen alles erzählt. Der Affe kann sich der Katze überlegen fühlen, wenn er Lust dazu hat.«
Paul holte leise tief Luft und atmete wieder aus. Er spürte daß sein Herz rascher als sonst schlug. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er Tigerishkas Erzählung vielleicht bezweifelt oder sich gefragt, ob er wirklich alles richtig verstanden habe. Aber angesichts der Millionen Sterne vor dem nachtschwarzen Hintergrund konnte Paul nicht einmal mehr unterscheiden, ob er nur träumte oder ob er diese phantastische Geschichte wirklich gehört hatte; zum erstenmal in seinem Leben gingen Einbildung und Wirklichkeit so nahtlos ineinander über, daß sie zu verschmelzen schienen.
Als die Untertassen-Beobachter schließlich die Stelle erreichten, an der die Straße sich gabelte, brauchte Hunter sich zum Glück nicht für eine der beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Die Straße nach Mulholland war durch drei Cadillacs versperrt, die ihrem Äußeren nach eine lange Fahrt hinter sich haben mußten. Die Fahrgäste waren ausgestiegen und standen auf der Straße zusammen — vermutlich diskutierten sie darüber, in welcher Richtung sie auf dem Monica Mountainway weiterfahren sollten. Obwohl sie fast so schmutzverkrustet wie ihre Wagen waren, wirkten sie trotzdem vornehm und reich; vermutlich kamen sie aus Malibu.
Bis die Straße nach Mulholland wieder frei war, würde einige Zeit vergehen, entschied Hunter. Nachdem seine Gruppe aber so rasch wie möglich vorankommen wollte, weil die Verfolger bereits deutlich zu hören waren, blieb nur die andere Richtung.
An dieser Stelle verlief der Monica Mountainway fast einen Kilometer lang geradeaus über einen Hügelrücken, bevor die eigentliche Bergstrecke begann. Der Thunderbird und der Lieferwagen hatten kaum die Hälfte dieser Entfernung zurückgelegt, als zwei völlig überladene Sportwagen um die letzte Kurve rasten. Hinter ihnen wurden weitere Fahrzeuge sichtbar. Hunter fuhr langsamer und winkte Hixon zu. Der Lieferwagen dröhnte an ihm vorüber. Hunter sah einen Augenblick lang die grimmigen Gesichter der Männer auf der Ladefläche: Fulby, Pop, Doddsy und Wojtowicz — und Harry McHeath mit dem einzigen Gewehr in der Hand.
Die Frauen in seinem Wagen schwiegen bedrückt. Ann klammerte sich an ihre Mutter.
Dann sah er blitzartig andere Gesichter vorüberziehen. Diesmal waren es die der Leute aus Malibu, die neben ihren Luxuslimousinen standen und beleidigt dreinsahen, als wollten sie sagen: »Wie unverschämt von den Kerlen, einfach ohne zu halten oder wenigstens zu winken vorbeizufahren — und das in diesen schrecklichen Zeiten, wo jeder auf den anderen angewiesen ist!«
Hunter wünschte ihnen bestimmt nichts Böses, aber er hoffte trotzdem, daß sie die Verfolger für einige Minuten ablenken und zurückhalten würden. Als er hinter sich kreischende Bremsen und einen Schuß hörte, nickte er halb zufrieden und halb schuldbewußt.
Hixons Lieferwagen war bereits in der ersten einer ganzen Reihe von Haarnadelkurven verschwunden, an die Hunter sich noch deutlich erinnerte. Er kniff die Augen zusammen, weil die Sonne ihm jetzt ins Gesicht schien, und hielt nach einer Kurve Ausschau, die ihm am Vortag aufgefallen war.
Er fand sie wenig später — die dritte Haarnadelkurve von unten. An der Innenseite lagen auf der überhöhten Felskante einige größere Felsen. Hunter bremste scharf und sprang aus dem Wagen.
»Die Impulspistole!« forderte er mit ausgestreckter Hand von Margo. Als er sie bekommen hatte, stieg er den Abhang hinauf bis er unmittelbar hinter den Felsen stand. Dann zielte er mit der Pistole auf sie und drückte auf den Feuerknopf. Nach zwei Sekunden fürchtete er bereits, sie würden nicht in Bewegung geraten, so daß er die letzte Ladung vergeudet hätte, aber dann polterten sie doch nach unten, stießen dabei mehrmals heftig zusammen und türmten sich auf der Straße übereinander.
Hunter kletterte hinter ihnen her und starrte angestrengt durch die aufgewirbelten Staubwolken um zu sehen, ob ein zweiter Schuß erforderlich war. Aber die Felsbrocken versperrten die Straße von einer Seite bis zur anderen.
Er hörte weit über sich Beifallsrufe, hob den Kopf und sah den Lieferwagen, der zwei Kurven weiter über ihm am Straßenrand hielt. Er winkte den anderen zu und rannte zu dem Thunderbird zurück. Bevor er Margo die Pistole in die Hand drückte überzeugte er sich davon, daß die Ladung anscheinend doch nicht völlig erschöpft war, denn der violette Strich war noch am untersten Ende der Skala sichtbar. Als er anfuhr, hörte er hinter sich quietschende Bremsen und wütende Stimmen.
»Die Leute von vorhin können also in dieser Richtung nicht weiterfahren?« erkundigte Ann sich nachdenklich.
»Die Straße ist für jeden unpassierbar geworden«, erklärte Rama Joan.
»Hoffentlich«, warf Margo spöttisch vom Rücksitz aus ein.
»Die Straße ist völlig versperrt«, antwortete er kurz. »Wer die Felsen fortschaffen will, muß schon einen Kranwagen mitbringen.«
»Ich meine aber die netten Leute, die neben ihren Wagen am Straßenrand gestanden sind«, fügte Ann hartnäckig hinzu.
»Sie haben selbst eine Straße gehabt, auf der sie gekommen sind«, stellte Hunter aufgebracht fest. »Ich kann nichts dafür wenn sie die Gelegenheit nicht benutzt haben. Dann sind sie eben nur reiche Idioten gewesen!«
Ann wich vor ihm zurück und drängte sich dichter an ihre Mutter. Hunter hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, weil er einem Kind gegenüber so unbeherrscht gewesen war. Doc wäre das nicht passiert.
»Professor Hunter hat völlig recht, Ann«, sagte Wanda vom Rücksitz her. »Ein Mann muß immer zuerst an die Frauen in seiner Begleitung und ihre Sicherheit denken.«
Rama Joan sagte leise zu Ann: »Die Götter haben immer Schwierigkeiten bei der Anwendung ihrer Zauberwaffen. Das wird in jeder Mythologie geschildert.«
Hunter versuchte sich auf die kurvenreiche Straße zu konzentrieren und hätte beide am liebsten angebrüllt, sie sollten endlich den Mund halten. Aber er beherrschte sich mühsam und schwieg verbissen.
Erst zwanzig Minuten später hatten sie den Lieferwagen wieder eingeholt. Hixon hatte ihn unmittelbar vor der Abzweigung einer weiteren Nebenstraße geparkt.
»Hier steht ›Nach Vandenberg‹«, rief er und zeigte dabei auf einen Wegweiser, als der Thunderbird neben ihm zum Stehen gekommen war. »Wahrscheinlich führt die Straße ohne große Umwege durch die Hügel. Nachdem wir nach Vandenberg wollen, weil sich dieser komische Opperly angeblich dort aufhält, könnten wir eigentlich gleich hier abbiegen. Auf diese Weise sparen wir uns ein paar Kilometer an der Küstenstraße entlang.«
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