Vielleicht beruhen eure primitiven Anschauungen von dem Himmel über euch — und besonders eure geteilte Meinung darüber, daß der Himmel wunderbar, aber auch langweilig ist — nur auf einem Erlaß dieser Regierung.
Sicherheit nach außen und innen ist ihr oberstes Prinzip. Sie ist konservativ und wird von den Alten gebildet, die seit Einführung der Unsterblichkeit überall in der Mehrzahl sind. Sie ist pedantisch, geduldig, gerecht, barmherzig — aber nur den Schwachen gegenüber! — und unendlich hartnäckig. Allein ihre schriftlichen Aufzeichnungen und Berichte auf Mikrofilm füllen die Planeten zweier Systeme. Sie betrachtet es als ihre wichtigste Aufgabe, alles schriftlich festzuhalten, was sich jemals ereignet hat.
Jede Rasse, die nur einigermaßen intelligent, anständig und friedlich ist, kann erwarten, von der Regierung in ihrem Lebensstil unterstützt zu werden. Sie wendet sich stets gegen jeden Energieverbrauch, der nicht der Erhaltung oder Sicherung des bisher Erreichten gilt; sie ist gegen die Erkundung des Hyperraumes und gegen seine Nutzbarmachung, weil er nur der Fortbewegung ihrer Polizei dienen soll. Ihre größte Angst beruht auf der Möglichkeit, daß eines Tages das bestehende Universum beschädigt oder gar zerstört werden könnte, denn wenn man von dem Hyperraum absieht, gibt es keine Sicherheit im Unendlichen mehr, in die man sich flüchten könnte. Deshalb ist die lähmende Todesfurcht so weit verbreitet.
Da sich aber selbst Unsterbliche fortpflanzen müssen — allerdings nur sehr begrenzt —, um die Illusion aufrechtzuerhalten, sie lebten noch immer wirklich, muß die Regierung ständig Platz für neue Bürger finden. Auf dieser Suche wird sie auch bald euer Sonnensystem genauer erforschen, Paul. Die bisher geübte Zurückhaltung in der Frage der unbesiedelt gebliebenen Welten ist aufgegeben worden. Früher wurden sie als Reservate betrachtet, die mit allen Mitteln geschützt werden mußten, damit das intelligente Leben sich dort ungestört entwickeln konnte. Aber jetzt werden ihre Planeten gebraucht — ihre Materie und die Energie ihrer Sonnen ebenfalls. Deshalb sollen sie in die kosmische Super-Kultur eingegliedert werden. Vorsichtig, überlegt und freundlich — aber trotzdem entschlossen, so daß die Menschen vermutlich schon innerhalb der nächsten zweihundert Jahre vor diesem erzwungenen Anschluß stehen. Und wenn der Prozeß erst einmal begonnen hat, wird er rasch abgeschlossen — zehn oder zwanzig Jahre später wird es keine Planeten im Urzustand mehr geben.
Die Ziele und Absichten der kosmischen Regierung lassen sich am besten in der Feststellung zusammenfassen, daß sie das intelligente Leben bewahren will, bis das Universum zerfällt. Früher gab es eine Zeit, in der man glaubte, das Universum werde ›ewig‹ bestehen, aber jetzt wissen wir, daß der Höhepunkt und Abschluß zugleich dann erreicht ist, wenn alle Materie der Erhaltung des Lebens dient, wenn die natürliche Entropie so weit verlangsamt worden ist, wie das innerhalb der Grenzen des Universums überhaupt möglich ist. Sie sehen darin einen Idealzustand. Wir erkennen darin eine tödliche Gefahr.
Mein Volk gehört zu den jüngeren Rassen der kosmischen Kultur, die seit jeher ein engeres Verhältnis zum Tod haben, die schon immer mehr Wert auf Abenteuer als auf Sicherheit gelegt haben, denen Freiheit mehr als ein voller Magen bedeutet. Wir ziehen Wachstum der Unsterblichkeit vor — deshalb fürchten wir uns auch nicht vor den Gefahren, die andere abschrecken.
Aber vor allem wollen wir den Hyperraum erforschen und zugänglich machen, anstatt ihn nur zweckmäßigerweise für rasche Reisen zu benützen, bei denen man die Küste nie aus den Augen verlieren darf, die unseren Kosmos bezeichnet. Nein, wir möchten wie die alten Seefahrer kühn in das Unbekannte hineinfahren, in dem uns vielleicht noch größere Stürme erwarten.
Wir sind davon überzeugt, daß dort Milliarden Trillionen anderer Systeme zu finden sein müssen — Milliarden Trillionen Blätter im Wirbelwind, Milliarden Trillionen Schneeflocken im Sturm. Vermutlich gleichen sie den unseren nicht, sondern bestehen aus anderen Grundstoffen — oder aber aus veränderlichen Kontinuitäten. Welten aus solider Materie oder aus Löchern in ihr. Welten ohne Licht. Welten, auf denen das Licht sich so rasch wie ein Gedanke oder so langsam wie das gesprochene Wort bewegt. Welten, auf denen die Materie durch Gedanken zum Wachsen gebracht werden kann, wie hier der Verstand durch Moleküle wächst. Eine chromatische Skala aller möglichen Welten, die ein vollkommenes Spektrum der Schöpfung darstellen.
Oder wenn wir im Hyperraum keine Welten finden, können wir dort welche schaffen! Warum sollten wir nicht den Anstoß dazu geben, indem wir ein Urteilchen erzeugen? Was kümmert es uns, wenn dabei dieser Kosmos zerstört wird?
Das ist unsere größte Aufgabe. Aber wir haben auch kleinere Forderungen zu stellen: keine Nachforschungen in unsere Angelegenheiten, unseren Planeten und unsere Gedanken! Alle Waffen, die wir für erforderlich halten. Ungestörte Forschung, deren Ergebnisse in erster Linie uns zugute kommen. Keine Inspektionen! Das Recht, unseren Planeten überallhin zu steuern, selbst wenn dort keine Kreisbahn auf uns wartet, für die wir Miete bezahlt haben. Das Recht, in der eisigen Dunkelheit zwischen den Sternen zu leben, wenn wir auf die Nachbarschaft anderer Planeten verzichten wollen. Das Recht, den Hyperraum zu durchfliegen, den die Regierung eifersüchtig für sich reservieren will. Das Recht zum Risiko, das Recht zum Leiden; das Recht, unklug zu sein, und das Recht, zu sterben.
Diese Forderungen widersprechen der Politik einer Regierung, zu deren Prinzipien es gehört, alle gleich zu behandeln — die erschrockene Maus und den ängstlich flatternden Sperling nicht besser und nicht schlechter als den Tiger. Die Regierung möchte bei jeder Sonne ein Polizeirevier einrichten, möchte auf jedem Planeten ihre Polizisten stationieren und endlich durchsetzen, daß nur noch Streifenwagen die dunklen Weiten des Universums durchqueren.
Vor Jahrtausenden begann die Regierung, Maßnahmen zu beschließen, die unsere Freiheit beschneiden sollten. Wir versammelten uns auf einem Planeten gewannen allmählich Prestige und Einfluß, lebten unser eigenes Leben und schienen allmählich an Boden zu gewinnen — bis wir merkten, daß wir jetzt nur ein einziges gutes Ziel für die Polizei abgaben.
Vor etwa hundert Jahren wurden wir alle vor Gericht gestellt. Schon bald war klar, daß das Urteil nicht zu unseren Gunsten ausfallen würde: kein ungestörtes, zurückgezogenes Leben, keine geheime Forschung, keine Flüge durch den Hyperraum, keine Möglichkeit, die Probleme des Universums durch eigene Anstrengung zu lösen.
Sollten wir uns also ergeben — oder sterben? Wir brachen aus und flohen.
Seither werden wir ohne Unterbrechung gejagt. Unsere Verfolger lassen nicht locker und bleiben ständig auf unserer Spur. Nirgendwo in diesem Universum gibt es einen sicheren Zufluchtsort für uns. Nur die Stürme des Hyperraumes verbergen uns für einige Zeit vor unseren Verfolgern, aber wir wissen nicht, wie wir ihnen auf die Dauer widerstehen sollen.
Der Hyperraum entspricht einem Meer der Erde; seine Oberfläche ist das bekannte Universum, seine Schiffe sind die Planeten — und wir sind ein Unterseeboot. Wir tauchen in der Nähe einer einzelnen Sonne auf, die noch nicht von künstlichen Planeten verdeckt ist. Dann erscheinen sie , so daß wir wieder untertauchen müssen. Gelegentlich bleiben wir zu lange und müssen um unser Leben kämpfen, bevor wir in der stürmischen Dunkelheit verschwinden können, in die uns niemand zu folgen wagt. Wir haben schon drei Sonnen als Ablenkungsmanöver in Novä verwandelt! Vielleicht sind dabei auch Planeten vernichtet worden, wir wissen es nicht.
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