Die offenbar hastig aufgeschriebene Nachricht lautete: »Van Bruster, Comstock und die anderen! Wir werden nach Vandenberg zwei ausgeflogen. Kommen Sie über den Monica Mountainway nach. Viel Glück!«
Die Unterschrift hieß: »Opperly.«
Ein Regentropfen fiel auf den Zettel. Der Regen war schwarz.
Doc hupte viermal und brachte den Thunderbird unmittelbar vor dem Felsabsturz zum Stehen, wo sie in der vergangenen Nacht kampiert hatten. Hixon fuhr jetzt wieder seinen Lieferwagen. Ann saß auf dem Vordersitz des Sportwagens zwischen Doc und ihrer Mutter, während Margo und Hunter sich den Rücksitz teilten.
Sie unterhielten sich über den seltsamen schwarzen Regen, der erst vor einigen Minuten aufgehört hatte. Nach ihrer Meinung konnte daran Vulkanasche aus Mexiko und anderen südlichen Ländern schuld sein.
»Oder Schlamm aus dem Meer, den ein Wirbelsturm bei Ebbe aufgewirbelt hat«, meinte Doc. »Das Zeug schmeckt ganz entfernt salzig.«
Am Himmel über ihnen zogen die Gewitterwolken rasch nach Nordosten.
»Alles aussteigen«, befahl Doc jetzt. »Ross, gehen Sie bitte voraus und sehen Sie nach, ob in der Mulde Wasser steht.«
Hunter nickte wortlos. Margo begleitete ihn.
Der Lieferwagen hielt dicht hinter dem Thunderbird, dann kam der Schulbus, dessen gelber Lack jetzt noch mehr schwarze Streifen aufwies.
Doc rief Hixon zu: »Lassen Sie Ihre Fahrgäste aussteigen, bevor wir durch die Senke fahren. McHeath! — richten Sie Doddsy aus, daß er seine Leute so schnell wie möglich ins Freie treiben soll. Wir dürfen hier keine Zeit verlieren. Bleiben Sie hinter dem Bus, damit Sie die Straße nach rückwärts beobachten können.«
Ann drängte sich an Doc. »Darf ich bei Ihnen bleiben?« fragte sie aufgeregt. »Ich habe keine Angst, daß wir abrutschen.«
»Das glaube ich, aber deine Mutter würde vermutlich sagen, daß wir die Götter versuchen«, antwortete Doc und strich ihr über die Haare. Rama Joan lächelte, als sie ihre Tochter hinter sich her aus dem Wagen zog.
»Kein Wasser in der Mulde«, rief Hunter zurück. In diesem Augenblick rutschte er aus. »Aber die Straße ist hier verdammt glatt«, fügte er hinzu, als er wieder auf die Beine gekommen war. »Die nasse Asche ist gefährlich.«
Rama Joan lächelte nicht mehr, als sie Doc zuflüsterte: »Können wir die Mulde nicht irgendwie auffüllen?«
Doc antwortete ebenso leise: »Dazu haben wir einfach nicht genug Zeit. Wir müssen damit rechnen, daß demnächst die betrunkenen Halbstarken auftauchen, die es auf Margo, Hunter und Hixon abgesehen hatten. Deshalb dürfen wir keine Minute verlieren.« Er setzte sich hinter dem Steuer zurecht und rief: »Vorsicht, ich komme!«
Er fuhr so schnell, daß der Thunderbird ohne die geringste seitliche Bewegung die Mulde überwand. Er parkte den Sportwagen zwanzig Meter weiter und trabte zu Rama Joan, Margo und Hunter zurück, die auf einem Felsen über dem Einschnitt standen.
»Eigentlich fast enttäuschend«, stellte Doc fest. »Wahrscheinlich bin ich nur auf meine alten Tage nervös geworden.« Hunter und Margo lachten. Rama Joan lächelte unsicher.
»Mister Brecht!« rief Ida. »Ray Hanks will sich nicht abladen lassen.«
Doc zuckte mit den Schultern und antwortete: »Okay, wenn er es riskieren will! Fahren Sie los, Hixon!«
Der Lieferwagen kam rasch in Fahrt. Erst als er an ihnen vorbei in Sicherheit war, sahen sie, daß Mrs. Hixon ebenfalls auf der Ladefläche geblieben war, um Hanks festzuhalten.
Die Fahrgäste des Schulbusses kamen nacheinander heran: der Ladestock, Wanda — und Ida, aber nicht Wojtowicz, der mit Ann bei Harry McHeath geblieben war; schließlich noch Clarence Dodd und Pop, die erregt miteinander diskutierten.
Doc drückte sich seinen schwarzen Hut in die Stirn und ging auf die beiden zu. »Ich weiß, ich weiß!« sagte er, als Pop den Mund öffnete. »Die Hinterreifen sind glatter als je zuvor ... und so weiter. Überlassen Sie das ruhig mir.«
»Ein Zylinder setzt manchmal aus«, rief Pop hinter ihm her, aber Doc ging rasch weiter auf den Bus zu. Ann kicherte, Wojtowicz und McHeath lachten, als Doc irgend etwas zu ihnen sagte, bevor er in den Bus kletterte. Der Motor heulte auf, dann beschleunigte der Bus, schien aber gleich wieder zu zögern.
»Meistens ruckt der zweite Gang ein bißchen«, murmelte Pop vor sich hin.
Der Bus fuhr langsam in die Mulde. Die Vorderräder befanden sich schon wieder auf der Straße, als die hinteren zu rutschen begannen. Doc gab Vollgas. Die Hinterräder drehten leer durch. Doc schlug die Räder ein und bremste. Der Bus rutschte rückwärts und gleichzeitig zur Seite auf den Abgrund zu.
McHeath drückte Wojtowicz sein Gewehr in die Hand und rannte zu dem Bus hinüber.
Der Bus rutschte jetzt nicht mehr, denn ein Vorderrad hatte einen größeren Stein erfaßt, der wie ein Bremsklotz wirkte. Die vor Schreck wie gelähmten Zuschauer sahen Doc aufstehen und nach dem Hebel greifen, mit dem die vordere Tür geöffnet wurde.
Hunter drehte Margo plötzlich mit einem Ruck zu sich herum, griff in ihre Jacke und holte die Impulspistole daraus hervor.
Doc hatte die Tür geöffnet und streckte den Kopf hinaus. Dann sprang der Stein unter dem Vorderreifen weg. Die Hinterräder des Busses rutschten über den Straßenrand, so daß der Boden unter Docs Füßen sich noch mehr neigte. Das Fahrgestell schlug auf die Felsen und rutschte kratzend darüber hinweg.
Hunter bewegte den kleinen Hebel an der Unterseite des Pistolenlaufes, so daß er jetzt nicht mehr auf die Mündung, sondern auf den Griff zeigte.
Docs Oberkörper ragte bereits aus der Bustür, als ein plötzlicher Ruck durch das Fahrzeug ging, der ihn wieder zurückwarf. Während der Bus weiterrutschte, nahm Doc seinen schwarzen Hut ab und winkte seinen Freunden damit zu.
Hunter zielte mit der Impulspistole auf ihn und drückte auf den Feuerknopf.
Docs Gesicht und Arm waren bereits verschwunden, aber der schwarze Hut kam über die Felskante zurückgesegelt. Gleichzeitig wehte ein eisiger Wind.
McHeath ließ sich am Rand des Abgrundes auf Händen und Knien nieder und starrte nach unten.
Der Boden unter ihren Füßen zitterte leise, als das Aufprallgeräusch nach oben drang.
Der kalte Wind wurde noch stärker. Der schwarze Hut segelte geradewegs auf Hunter zu und blieb auf der Mündung der Impulspistole hängen. Ein kleiner Felsbrocken rollte ebenfalls bergauf. Hunter ließ den Feuerknopf los und senkte den Kopf. Der Felsbrocken veränderte sofort seine Richtung und polterte wieder abwärts.
»Er hat es nicht überlebt«, rief McHeath mit heiserer Stimme. »Er ist nach draußen geschleudert worden. Ich habe gesehen wie er aufgeprallt ist. Dann hat ihn der Bus überrollt.«
»Nur eine Sekunde früher ...«, murmelte Hunter vor sich hin.
»Das Trägheitsmoment hat sich also umgekehrt, weil Sie den Hebel in die entgegengesetzte Richtung geschoben haben?« fragte Clarence Dodd. Als Hunter wortlos nickte, fuhr der kleine Mann fort: »Hmm, das ist eigentlich ganz logisch.«
Hunter riß den schwarzen Hut von der Mündung der Pistole und holte aus, als wolle er ihn zu Boden schleudern und darauf herumtrampeln. Dann sah er ihn nur schweigend an.
Der Felsbrocken prallte mit einem dumpfen Geräusch am Boden der Schlucht auf.
Paul Hagbolt starrte auf die nördliche Eiskappe der Erde hinab die langsam auseinanderbrach, weil das gefrorene Wasser von den riesigen Fluten aufgeworfen und zertrümmert wurde, die in der Grönlandsee, in der Baffinbucht und in der Beringstraße auftraten.
Tigerishka summte leise vor sich hin, aber ihr Gesang klang nicht fröhlich, sondern eher wie ein Seufzer. Paul überlegte sich, daß sie vermutlich nur deshalb hierher gekommen waren weil der Gedanke an die Millionen Toten der Erde zu bedrückend wirkte. Er hätte Tigerishka fast erzählt, daß es bis vor kurzem eine russische Wetterstation am Nordpol gegeben hatte, überlegte sich dann aber, daß sie diese Information in seinen Gedanken lesen konnte, wenn sie Wert darauf legte.
Читать дальше