»Tja, Barris«, sagte Luckman, »jetzt sehe ich mit eigenen Augen, daß du recht gehabt hast. Es kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen, daß jemand hier war, weil man ja auf den ersten Blick erkennen kann – du erkennst das doch auf den ersten Blick, nicht wahr, Bob? –, mit welch peinlicher Sorgfalt sie alle Spuren verwischt haben, die sie andernfalls zurückgelassen hätten, was ja ihre Anwesenheit verraten hätte, und –« Dann furzte er verächtlich und schlenderte in die Küche, um im Kühlschrank nach einer Dose Bier zu schauen. »Barris«, sagte er, »dir hamse ins Gehirn geschissen.«
Barris ignorierte Luckman einfach und schlich weiter in höchster Alarmbereitschaft auf der Suche nach verräterischen Spuren umher, die Pistole um Anschlag. Arctor, der ihm dabei zuschaute, dachte: Vielleicht findet er ja wirklich welche. Kann sein, daß sie welche zurückgelassen haben. Seltsam, dachte er, wie paranoide Wahnvorstellungen und die Wirklichkeit sich manchmal für kurze Zeit decken können. Unter ganz besonderen Bedingungen, so wie heute. Als nächstes wird Barris behaupten, ich hätte alle absichtlich aus dem Haus gelockt, um heimlich Eindringlingen eine Möglichkeit zu verschaffen, hier was anzustellen. Und später wird er sich Gedanken darüber machen, warum ich das wohl getan haben mag und wer die Eindringlinge gewesen sein könnten. Und vielleicht hat er das sogar schon längst getan. Und wenn dem so ist, dann könnte das der Grund dafür sein, daß er das Cephskop zerstört, den Wagen sabotiert und Gott weiß was für Dinge in die Wege geleitet hat. Vielleicht brennt ja das Haus ab, sobald ich in der Garage das Licht anknipse? Aber die wichtigste Frage im Augenblick ist, ob das Verwanzungsteam da war und alle Überwachungsanlagen eingebaut und richtig angeschlossen hat. Das aber würde er erst sicher wissen, wenn er mit Hank gesprochen hatte und nachprüfbare Informationen darüber in der Hand hielt, wo die Kameras und Mikros installiert waren und wo er die Speichertrommeln und die Überwachungsmonitoren vorfinden würde. Und bei dieser Unterredung würde er auch erfahren, was der Boß der Verwanzungscrew und all die anderen Experten, die an dieser Aktion beteiligt waren, sonst noch an Informationen gesammelt hatten, mit denen sich Fred dann im Rahmen dieser konzertierten Aktion gegen Bob Arctor, den Verdächtigen, würde herumschlagen müssen.
»Schaut euch das mal an!« sagte Barris. Er beugte sich über einen Aschenbecher auf dem Kaffeetisch. »Los, kommt her!« rief er mit schneidender Stimme, und beide Männer kamen seiner Aufforderung nach.
Als er sich vorbeugte, spürte Arctor Hitze aus dem Aschenbecher aufsteigen.
»Ein Zigarettenstummel, der noch warm ist«, sagte Luckman ungläubig. »Mich laust der Affe!«
Herr im Himmel, dachte Arctor. Sie haben wirklich Mist gebaut. Einer der Crew hat geraucht und dann die Zigarette ausgedrückt, ohne sich dabei etwas zu denken. Also konnte das Verwanzungsteam gerade erst wieder verschwunden sein. Wie immer quoll der Aschenbecher über; möglicherweise hatte der Mann von der Crew angenommen, daß eine Kippe mehr gar nicht auffallen würde, und ein paar Augenblicke später wäre sie ja schon erkaltet gewesen.
»Moment mal«, sagte Luckman, der jetzt den Inhalt des Aschenbechers genauer unter die Lupe nahm. Zwischen den anderen Zigarettenstummeln fischte er die Kippe eines Joints heraus. »Von wegen Zigarette! Sie haben sich einen Joint angesteckt, während sie hier waren. Aber was haben sie gemacht? Was, zum Teufel, haben sie gemacht?« Mit finsterer Miene schaute er umher. Er war todsauer. »Bob, verdammt noch mal – Barris hat recht gehabt. Es war wirklich jemand hier! Dieser Joint ist noch warm, und du kannst den Shit sogar noch riechen, wenn du dran schnüffelst.« Er hielt ihn Arctor direkt unter die Nase. »Yeah, da innen drin glimmt noch ein Krümel Shit. Muß ein Anfänger gewesen sein. Hat das Zeug nicht richtig verteilt, bevor er ihn gedreht hat. «
»Dieser Joint«, sagte Barris, der nicht weniger grimmig dreinschaute als Luckman, »ist möglicherweise nicht zufällig hier zurückgelassen worden. Ich glaube nicht, daß es sich um eine Panne handelt, sondern würde eher mutmaßen, daß ein teuflischer Plan dahintersteckt.«
»Und welcher?« sagte Arctor und fragte sich, was das für eine Verwanzungscrew sein mochte, die jemanden in ihren Reihen hatte, der während des Dienstes vor den Augen seiner Kollegen einen Joint rauchte.
»Vielleicht waren sie nur aus dem Grunde hier, um das ganze Haus mit Stoff zu spicken«, sagte Barris. »Und später rufen sie einfach die Bullen an und geben ihnen den freundschaftlichen Tip, doch mal eine kleine Hausdurchsuchung bei uns zu veranstalten. Und dann ist Hängen im Schacht … Die können das Zeug praktisch überall versteckt haben, zum Beispiel im Telefon oder in den Steckdosen. Wir müssen das ganze Haus auf den Kopf stellen und es absolut sauber kriegen, bevor die sich ans Telefon klemmen. Und wir haben vielleicht nur Stunden.«
»Du überprüfst die Wandsteckdosen«, sagte Luckman. »Ich werde das Telefon auseinandernehmen.«
Barris hob die Hand. »Moment«, sagte er. »Wenn sie sehen, wie wir direkt vor der Razzia das ganze Haus durchwühlen –«
»Was für eine Razzia?« sagte Arctor.
»Wenn wir wie die Irren herumlaufen und die Hände voller Dope haben«, sagte Barris, »dann können wir doch nicht glaubhaft machen – obwohl es die reine Wahrheit ist –, daß wir nicht wußten, daß der Stoff im Haus war. Sie werden uns schnappen, wenn wir sozusagen gerade den Joint in der Hand halten. Und vielleicht ist auch das ein Teil ihres Plans.«
»So eine Scheiße«, sagte Luckman angeekelt. Er warf sich auf die Couch. »Scheiße, Scheiße, Scheiße. Wir können überhaupt nichts tun. Vielleicht haben sie den Stoff an tausend Stellen versteckt, die wir nie finden werden. Wir sind erledigt.« Er starrte Arctor in hilfloser Wut an. » Wir sind erledigt!«
Arctor sagte zu Barris: »Was ist eigentlich mit deinem elektronischen Cassetten-Spielzeug, das du mit der Vordertür gekoppelt hast?« Er hatte gar nicht mehr daran gedacht. Barris offenbar auch nicht. Und Luckman auch nicht.
»Ja, das müßte uns bei diesem Stand der Dinge einige außerordentlich nützliche Informationen liefern«, sagte Barris. Er kniete neben der Couch nieder, griff darunter, grunzte und zog dann einen kleinen Cassettenrecorder mit Plastikgehäuse hervor. »Das hier dürfte uns eine ganze Menge verraten«, begann er. Dann verfiel sein Gesicht. »Tja, vielleicht mag es sich doch nicht als so wichtig erweisen.« Er zog den Stecker für die Energiezuführung aus der an der Rückseite des Geräts angebrachten Buchse und stellte den Recorder auf den Kaffeetisch. »Den wichtigsten Tatbestand kennen wir ja schon – nämlich daß während unserer Abwesenheit jemand hereingekommen ist. Und das festzustellen war die Hauptaufgabe dieses Geräts.«
Betretenes Schweigen.
»Ich wette, ich kann erraten, was passiert ist«, sagte Arctor.
Barris sagte: »Das erste, was sie überhaupt gemacht haben, als sie hereingekommen sind, war, den Recorder auf Aus zu stellen. Als wir gingen, stand das Gerät natürlich auf Ein, aber wie ihr selber sehen könnt – jetzt ist es auf Aus umgestellt. Und trotz meiner –«
»Es hat nichts aufgezeichnet?« sagte Luckman enttäuscht.
»Sie haben blitzschnell reagiert«, sagte Barris. »Bevor auch nur ein Zentimeter Band durch den Aufnahmekopf gelaufen ist. Ein nettes kleines Apparätchen, nebenbei bemerkt – ein Sony, mit gesonderten Tonköpfen für Playback, Löschen und Aufnahme und einem eingebauten Dolby-Rauschfiltersystem. Ich hab’s ganz billig bekommen, auf einem Tauschtag. Und ich hab’ noch nie Ärger damit gehabt.«
Arctor sagte: »Dann können wir also nur noch die Hände in den Schoß legen und Trübsal blasen.«
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