»Oder Bob Arctor«, fuhr Hank fort, während er nachdenklich die Liste der Verdächtigen studierte.
»Ich berichte die ganze Zeit über mich selbst?«, sagte Fred.
»Also werden Sie sich selbst von Zeit zu Zeit doch auf den Holo-Bändern auftreten lassen müssen, die Sie an uns weitergeben, denn wenn Sie sich systematisch herausedieren, können wir durch einen Eliminationsprozeß daraus schließen, wer Sie sind, ob wir das nun wollen oder nicht. Das Problem für Sie besteht also letztlich darin, sich selbst gezielt herauszuedieren, sozusagen auf – wie soll ich das nennen? – erfinderische, künstlerische … jetzt hab’ ich’s, Teufel noch mal: auf kreative Weise … also zum Beispiel während der kurzen Zeitabschnitte, wenn Sie allein im Haus sind und recherchieren, also etwas, wenn Sie Papiere durchblättern und Schubladen durchsuchen. Oder, wenn Sie eine Holo-Kamera im Aufnahmebereich einer anderen Kamera warten, oder –«
»Sie sollten einfach einmal im Monat jemanden in einer Uniform zu Arctors Haus schicken«, sagte Fred. »Der könnte dann ja sagen: ›Guten Morgen! Ich bin hier, um die Überwachungssysteme zu warten, die wir heimlich in Ihrem Haus, Ihrem Telefon und Ihrem Wagen installiert haben.‹ Vielleicht würde Arctor sich ja bereit erklären, die Reparatur zu bezahlen.«
»Arctor würde ihn wahrscheinlich kaltmachen und dann verschwinden.«
Der Jedermann-Anzug Fred sagte: »Falls Arctor wirklich so viel auf dem Kerbholz hat. Das ist bisher noch nicht erwiesen. «
»Arctor könnte eine ganze Menge auf dem Kerbholz haben. Wir haben erst kürzlich neue Informationen über ihn erhalten und sofort analysiert. Meiner Ansicht nach gibt es nicht mehr die geringsten Zweifel: der ist so echt wie ein Dreidollar-Schein. Ausgekocht bis dorthinaus. Ein wirklich übler Typ. Bleiben Sie also an ihm dran, bis er reif ist, bis wir so viele und so gute Beweise haben, daß er sich nicht mehr rauswinden kann, wenn wir ihn uns greifen.«
»Wollen Sie sein Haus mit Dope spicken lassen?«
»Darüber sprechen wir vielleicht später noch mal.«
»Sie glauben, daß er eine große Nummer in der … na, Sie wissen schon … in der ST-Agentur ist?«
»Was wir glauben, hat für unsere Arbeit nicht die geringste Bedeutung«, sagte Hank. »Wir werten aus und ziehen unsere Schlüsse; Sie berichten nur und teilen uns Ihre eigenen, notwendigerweise unzulänglichen Schlußfolgerungen mit. Damit will ich Ihre Arbeit nicht abwerten, aber Sie können mir glauben, daß wir eine gewaltige Menge von Informationen haben, die Ihnen nicht nur zur Verfügung stehen. Wir sehen das ganze Bild, und das haben nicht fehlbare Menschen, sondern Computer zusammengesetzt.«
»Arctor ist verloren«, sagte Fred. »Jedenfalls, wenn er wirklich in eine große Sache verwickelt ist. Und nach dem, was Sie mir da so erzählen, kriege ich langsam eine dumpfe Vorahnung, daß da was dran sein könnte.«
»Wenn wir weiter so gut vorwärts kommen wie bisher, sollten wir ihn bald vor Gericht stellen können«, sagte Hank. »Und dann können wir ihn endgültig abhaken. Und darüber würden wir uns ja alle freuen. «
Fred lernte mit stoischer Ruhe die Adresse und die Nummer des Apartments auswendig und erinnerte sich plötzlich daran, daß er manchmal ein junges Freak-Pärchen, das kürzlich mit einemmal verschwunden war, beim Betreten und Verlassen des Gebäudes beobachtet hatte. Wahrscheinlich hatte man sie hochgehen lassen und ihr Apartment übernommen, um dort das Kontroll-Zentrum einzurichten. Er hatte sie wirklich gemocht. Das Mädchen hatte langes, flachsblondes Haar und trug nie einen BH. Einmal war er zufällig mit dem Wagen vorbeigekommen, als sie sich mit ein paar Einkaufstüten abschleppte, und hatte ihr angeboten, sie mitzunehmen; daraufhin hatten sie sich ein bißchen miteinander unterhalten. Sie schien auf dem Makrobiotik-Trip zu sein, so richtig mit Megavitaminen und Seetang und Sonnenlicht. Ein hübsches, scheues Mädchen. Und sie war merkwürdig mißtrauisch gewesen. Jetzt also kannte er den Grund dafür: Offenbar hatten sie und ihr Freund eine Menge Stoff daheim gehabt. Oder, was noch wahrscheinlicher war, sogar gedealt. Aber wenn das Apartment dringend gebraucht wurde, hätte auch eine Anklage wegen Drogenbesitzes gereicht, und die konnte man immer kriegen.
Wofür, fragte er sich, würde wohl Bob Arctors verdrecktes, aber geräumiges Haus von den Behörden genutzt werden, wenn man Arctor erst mal weggekarrt hatte? Nun, höchstwahrscheinlich würde man daraus ein noch größeres Kontroll-Zentrum machen, wo sich noch mehr einlaufende Informationen sichten und verarbeiten ließen …
»Arctors Haus würde Ihnen gefallen«, sagte er laut. »Es ist total heruntergekommen, eine richtige schmutzige Doper-Bude halt, aber es ist groß. Ein schöner Hof. Eine Menge Büsche und Stauden.«
»Das hat die Installationsmannschaft in ihrem Bericht auch erwähnt. Das Haus böte wirklich einige ausgezeichnete Verwendungsmöglichkeiten. «
»Sie … was? Sie haben berichtet, es ›böte einige ausgezeichnete Verwendungsmöglichkeiten‹ ja?« Er hatte das Gefühl, gleich wahnsinnig zu werden, als er hörte, wie die schnarrende Stimme des Jedermann-Anzugs selbst diesen Worten jeden Klang und alle Emotionen raubte. Seine Wut steigerte sich immer mehr. »Zum Beispiel?«
»Nun, eine Verwendungsmöglichkeit liegt doch auf der Hand: Vom Wohnzimmer aus blickt man direkt auf eine vielbefahrene Kreuzung, so daß sich vorbeifahrende Wagen und deren Nummernschilder bequem fotografieren ließen …« Hank las wieder einmal in einem der unzähligen Berichte, die er vor sich liegen hatte. »Aber der Leiter der Crew, Burt – komisch, aber ich kann mich nie an sein Gesicht erinnern – Burt also vertritt hier die Auffassung, daß das Haus so übel heruntergekommen sei, daß es sich nicht lohnen würde, es zu übernehmen. Zu hohe Kosten.«
»In welcher Hinsicht? In welcher Weise heruntergekommen?«
»Das Dach.«
»Das Dach ist perfekt.«
»Sowohl der Innen- als auch der Außenanstrich. Der Zustand der Böden. Die Küchenschränke –«
»Quatsch mit Soße«, sagte Fred, oder jedenfalls summte der Anzug das. »Okay, Arctor hat vielleicht nichts dagegen unternommen, daß sich das Geschirr und der Müll nur so stapeln, und Staub gewischt hat er auch nicht, aber schließlich leben da je auch drei Macker ohne Puppen! Seine Frau hat ihn verlassen; normalerweise kümmern sich doch die Frauen um den ganzen Kram. Wenn Donna Hawthorne eingezogen wäre – und Arctor hat sie darum gebeten, ja, er hat sie deswegen richtig angebettelt –, dann hätte sie das Haus bestimmt in Ordnung gehalten. Auf jeden Fall könnte ein professioneller Reinigungs-Service das ganze Haus in einem halben Tag wieder in Topzustand bringen, jedenfalls soweit’s ums Saubermachen geht. Was das Dach betrifft, da ärgere ich mich wirklich drüber, weil –«
»Dann empfehlen Sie also offiziell, daß wir das Haus erwerben, nachdem Arctor festgenommen worden ist und sein Besitzanspruch erloschen ist?«
Fred, der Anzug, starrte ihn an.
»Nun?« sagte Hank unbeteiligt. Sein Kugelschreiber schwebte schon über dem entsprechenden Formular.
»Ich hab’ dazu überhaupt keine Meinung. Mir ist das alles ganz egal.« Fred erhob sich von seinem Stuhl, um zu gehen.
»Sie werden noch nicht gehen«, sagte Hank und bedeutete ihm, wieder Platz zu nehmen. Er fischte ein Blatt zwischen den Unterlagen auf seinem Schreibtisch hervor. »Ich habe hier ein Memorandum –«
»Sie haben immer Memoranden«, sagte Fred. »Für jedermann.«
»In diesem Memorandum«, sagte Hank, »werde ich angewiesen, Sie hinüber nach Zimmer 203 zu schicken, bevor Sie heute das Haus verlassen.«
»Wenn es wegen der Anti-Drogen-Ansprache sein sollte, die ich im Lions-Qub gehalten habe … dafür hat man mich schon zusammengeschissen.«
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