»Dies ist mein Körper, den ich für euch hingebe«, intonierte Peter. »Tut dies, um euch an mich zu erinnern.«
»Hast du vor nichts Respekt?« fragte Ender.
»Das ist mein Blut, das ich für euch vergieße. Trinkt es, um euch an mich zu erinnern.« Peter lächelte. »Das ist ein Abendmahl, an dem sogar ich teilhaben kann, ungetauft, wie ich bin.«
»Eins kann ich dir versprechen«, sagte Ender. »Die Taufe, die dich freisprechen kann, wurde noch nicht erfunden.«
»Ich wette, du hast dein ganzes Leben lang darauf gewartet, das zu mir sagen zu können.« Peter drehte sich zu ihm um, damit Ender das Juwel sehen konnte, das in sein Ohr eingepflanzt worden war und ihn mit Jane verband. Für den Fall, daß Ender nicht bemerkt haben sollte, worauf er ihn hinweisen wollte, berührte Peter das Juwel ziemlich ostentativ. »Vergiß nicht, ich habe hier die Quelle aller Weisheit. Wenn es dich interessiert, wird sie dir zeigen, was ich tue. Falls du mich nicht in dem Augenblick vergißt, in dem ich aufbreche.«
»Ich werde dich nicht vergessen«, sagte Ender.
»Du könntest mitkommen«, sagte Peter.
»Und dabei das Risiko eingehen, im Außen noch mehr wie dich zu schaffen?«
»Ich könnte Gesellschaft gebrauchen.«
»Ich versichere dir, Peter, du wirst dir bald selbst so überdrüssig sein, wie ich deiner überdrüssig bin.«
»Niemals«, sagte Peter. »Ich bin nicht voller Selbstverachtung, so wie du armes, schuldbesessenes Werkzeug besserer, stärkerer Männer. Und wenn du mir keine Gesellschaft erschaffen willst, werde ich unterwegs welche finden.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte Ender.
Die Zuckerwürfel und Reagenzgläser kamen zu ihnen; sie aßen und tranken.
»Der Geschmack der Freiheit«, sagte Peter. »Köstlich.«
»Ach ja?« sagte Ender. »Wir töten eine Spezies, die wir niemals verstanden haben.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Peter. »Es macht viel mehr Spaß, einen Gegner zu vernichten, wenn er verstehen kann, wie gründlich du ihn besiegt hast.«
Dann ging Peter endlich davon.
Ender blieb bis zum Ende der Feier und sprach mit vielen dort: mit Mensch und Wühler, mit Valentine, Ela, Ouanda und Miro.
Er mußte jedoch noch einen Besuch machen. Einen Besuch, den er schon mehrere Male gemacht hatte, um immer wieder zurückgewiesen und wortlos davongeschickt zu werden. Diesmal jedoch kam Novinha heraus, um mit ihm zu sprechen. Und anstatt voller Zorn und Trauer zu sein, wirkte sie ganz ruhig.
»Ich habe meinen Frieden zurückgefunden«, sagte sie. »Und ich weiß, falls es noch nicht zu spät ist, daß mein Zorn auf dich nicht rechtschaffen war.«
Ender war froh, diese Aussage zu hören, doch überrascht wegen der Begriffe, die sie benutzte. Wann hatte Novinha je von Rechtschaffenheit gesprochen?
»Ich bin zur Einsicht gelangt, daß mein Junge vielleicht die Aufgabe erfüllt hat, die Gott ihm zugedacht hat«, sagte sie. »Daß du ihn nicht hättest aufhalten können, weil Gott wollte, daß er zu den Pequeninos geht, um die Wunder in Bewegung zu setzen, die sich seitdem ereignet haben.« Sie weinte. »Miro kam zu mir. Geheilt«, sagte sie. »Oh, Gott ist also doch noch gnädig. Und ich werde Quim im Himmel haben, wenn ich sterbe.«
Sie wurde bekehrt, dachte Ender. Nach all diesen Jahren, in denen sie die Kirche verachtet und nur am Katholizismus teilgenommen hat, weil es keine andere Möglichkeit gab, eine Bürgerin der Lusitania-Kolonie zu sein, haben diese Wochen bei den Kindern des Geistes Christi sie bekehrt. Ich bin froh darüber, dachte er. Sie spricht wieder mit mir.
»Andrew«, sagte sie, »ich möchte, daß wir wieder zusammen sind.«
Er griff nach ihr, um sie zu umarmen, wollte vor Erleichterung und Freude weinen, doch sie entwand sich seinem Griff.
»Du verstehst nicht«, sagte sie. »Ich werde nicht mit dir nach Hause kommen. Das ist jetzt mein Zuhause.«
Sie hatte recht – er hatte nicht verstanden. Aber jetzt tat er es. Sie war nicht nur zum Katholizismus bekehrt worden. Sie war zu diesem Orden des ständigen Opfers bekehrt worden, dem nur Ehemänner und Ehefrauen beitreten konnten, und nur gemeinsam, um inmitten ihrer Ehe Eide der permanenten Abstinenz zu leisten. »Novinha«, sagte er, »ich habe nicht den Glauben oder die Stärke, um eins der Kinder des Geistes Christi zu werden.«
»Wenn du sie findest«, sagte sie, »werde ich hier auf dich warten.«
»Ist das die einzige Hoffnung, die ich habe, bei dir zu sein?« flüsterte er. »Der Liebe zu deinem Körper abzuschwören, um deine Gesellschaft zu haben?«
»Andrew«, flüsterte sie, »ich sehne mich nach dir. Doch ich habe so viele Jahre lang die Sünde des Ehebruchs begangen, daß meine einzige Hoffnung auf Freude nun darin besteht, dem Fleisch abzuschwören und im Geist zu leben. Wenn es sein muß, werde ich es allein tun. Aber mit dir… oh, Andrew, ich vermisse dich.«
Und ich vermisse dich, dachte er. »Wie den Atem selbst vermisse ich dich«, flüsterte er. »Aber verlange dies nicht von mir. Lebe als meine Frau mit mir, bis der letzte Rest deiner Jugend verbraucht ist, und wenn das Begehren dann abgestumpft ist, können wir gemeinsam hierher zurückkehren. Dann könnte ich glücklich sein.«
»Verstehst du denn nicht?« sagte sie. »Ich habe einen Vertrag geschlossen. Ich habe ein Versprechen gegeben.«
»Du hast auch mir eins gegeben«, sagte er.
»Soll ich einen Eid brechen, den ich Gott gegeben habe, damit ich einen Eid halten kann, den ich dir gegeben habe?«
»Gott würde es verstehen.«
»Wie leicht fällt es doch jenen, die seine Stimme niemals vernehmen, uns zu erklären, was er verstehen würde und was nicht.«
»Hörst du jetzt seine Stimme?«
»Ich höre sein Lied in meinem Herzen, so, wie es auch beim Psalmisten David der Fall war. Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln.«
»Der dreiundzwanzigste. Ich hingegen höre nur den zweiundzwanzigsten.«
Sie lächelte schwach. »›Warum hast du mich verlassen?‹« zitierte sie.
»Und der Teil mit den Büffeln von Baschan«, sagte Ender. »Ich kam mir schon immer vor, als sei ich von Büffeln umringt.«
Sie lachte. »Komm zu mir, wenn du kannst«, sagte ich. »Ich werde hier sein, wenn du bereit bist.«
Beinahe wäre sie gegangen.
»Warte.«
Sie wartete.
»Ich habe dir das Virizid und die Recolada mitgebracht.«
»Elas Triumph«, sagte sie. »Weißt du, es stand nicht in meiner Macht. Ich schade euch nicht, indem ich meine Arbeit aufgebe. Meine Zeit ist vorbei, und sie hat mich bei weitem übertroffen.« Novinha nahm den Zuckerwürfel, ließ ihn einen Augenblick lang schmelzen und schluckte ihn dann.
Dann hielt sie das Reagenzglas im letzten Licht des Abends hoch. »Bei dem roten Himmel sieht es aus, als würde es im Glas brennen.« Sie trank – nippte eigentlich daran, um den Geschmack auszukosten. Obwohl, wie Ender wußte, die Lösung bitter war und unangenehm lange einen Nachgeschmack im Mund zurückließ.
»Kann ich dich besuchen?«
»Einmal im Monat«, sagte sie. Ihre Antwort kam so schnell, daß er wußte, sie hatte die Frage bereits überdacht und eine Entscheidung gefaßt, die sie nicht ändern würde.
»Dann werde ich dich einmal im Monat besuchen«, sagte er.
»Bis du bereit bist, zu mir zu kommen?«
»Bis du bereit bist, zu mir zurückzukehren?« erwiderte er.
Doch er wußte, daß sie niemals nachgeben würde. Novinha war kein Mensch, der es sich so einfach anders überlegte. Sie hatte seine Zukunft abgesteckt.
Er hätte Bedauern und Zorn empfinden sollen. Er hätte froh sein müssen, von einer Frau, die ihn ablehnte, aus der Ehe entlassen zu werden. Doch ihm fiel nicht ein, wofür er seine neue Freiheit verwenden könnte. Jetzt liegt nichts mehr in meinen Händen, begriff er. Kein Teil der Zukunft hängt von mir ab. Meine Arbeit, so ich welche hatte, ist getan, und mein einziger Einfluß auf die Zukunft liegt nun darin, was meine Kinder tun: das Ungeheuer Peter und das unmöglich perfekte Kind Val.
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