»Jane hat es mir gerade erzählt«, sagte er. »Ich dachte, du wolltest es wissen.«
»Was?«
»Sie hat gerade das Sternenschiff getestet, ohne daß Ender darin war.«
»Wie war ihr das möglich?« fragte Valentine.
»Peter«, sagte er. »Sie hat ihn ins Außen und wieder zurück gebracht. Er kann ihr Aiua aufnehmen, falls dieser Prozeß wirklich so funktioniert.«
Ihre Stimme verlieh ihrer unmittelbaren Furcht Ausdruck. »Hat er…«
»Etwas geschaffen? Nein.« Miro grinste – aber mit einer Andeutung des schiefen, verzerrten Gesichtsausdrucks, den Valentine für eine Folge seiner Behinderung gehalten hatte. »Er behauptet, es läge daran, daß sein Geist viel sauberer und gesünder als der Andrews ist.«
»Vielleicht«, sagte Valentine.
»Ich behaupte, es liegt daran, daß kein Philot im Außen bereit war, Teil seines Musters zu werden. Zu verdreht.«
Valentine lachte leise.
Dann kam der Bischof zu ihnen. Da sie zu den letzten gehörten, die die Kapelle verließen, waren sie ungestört.
»Danke, daß du die neue Taufe akzeptiert hast«, sagte der Bischof.
Miro neigte den Kopf. »Nicht viele Menschen bekommen die Gelegenheit, so sehr von ihren Sünden geläutert zu werden«, sagte er.
»Und Valentine, es tut mir leid, daß ich Ihre… Namensvetterin nicht akzeptieren konnte.«
»Keine Angst, Bischof Peregrino. Ich verstehe Sie. Vielleicht bin ich sogar derselben Ansicht.«
Der Bischof schüttelte den Kopf. »Es wäre besser, wenn sie einfach…«
»Gingen?« ergänzte Miro. »Ihr Wunsch wird erfüllt. Peter wird bald aufbrechen – Jane kann ein Schiff mit ihm an Bord lenken. Zweifellos ist ihr das auch mit der jungen Val möglich.«
»Nein«, sagte Valentine. »Sie kann nicht gehen. Sie ist zu…«
»Jung?« fragte Miro. Er wirkte amüsiert. »Die beiden wurden mit allem geboren, was Ender weiß. Du kannst das Mädchen trotz ihres Körpers wohl kaum ein Kind nennen.«
»Wenn sie geboren worden wären«, sagte der Bischof, »müßten sie nicht gehen.«
»Sie gehen nicht, weil Sie es wünschen«, sagte Miro. »Sie gehen, weil Peter Elas neuen Virus nach Weg bringen wird, und die junge Val sucht mit ihrem Schiff nach Planeten, auf denen man Pequeninos und Schwarmköniginnen ansiedeln kann.«
»Ihr könnt sie nicht auf so eine Mission schicken«, sagte Valentine.
»Ich werde sie nicht schicken«, sagte Miro. »Ich werde sie mitnehmen. Oder besser gesagt, sie wird mich mitnehmen. Ich will gehen. Welche Risiken auch bestehen, ich nehme sie auf mich. Ihr wird nichts passieren, Valentine.«
Valentine schüttelte noch immer den Kopf, doch sie wußte bereits, daß sie sich letztendlich nicht durchsetzen konnte. Die junge Val selbst würde darauf bestehen, wie jung sie auch sein mochte, denn wenn sie nicht ging, stand ihnen nur ein Sternenschiff zur Verfügung; und wenn Peter die Reisen übernahm, konnte man nicht sagen, ob er das Schiff nicht für seine eigenen Ziele zweckentfremden würde. Auf lange Sicht würde sich auch Valentine der Notwendigkeit beugen müssen. Welchen Gefahren sich die junge Val auch aussetzen mochte, sie waren nicht schlimmer als die Risiken, die andere bereits auf sich genommen hatten. Zum Beispiel Pflanzer. Zum Beispiel Vater Estevão. Zum Beispiel Glas.
Die Pequeninos versammelten sich um Pflanzers Baum. Es wäre Glas' Baum gewesen, da er der erste war, der mit der Recolada ins dritte Leben übergewechselt war, doch schon seine ersten Worte, nachdem sie wieder mit ihm sprechen konnten, wiesen die Idee barsch zurück, das Virizid und die Recolada neben seinem Baum in die Welt einzuführen. Diese Ehre gebühre Pflanzer, erklärte er, und schließlich pflichteten die Brüder und Gattinnen ihm nachdrücklich bei.
So kam es, daß sich Ender gegen seinen Freund Mensch lehnte, den er vor so vielen Jahren gepflanzt hatte, um ihm ins dritte Leben zu helfen. Die Befreiung der Pequeninos wäre ein Augenblick umfassender Freude für Ender gewesen sich – wenn er nicht Peter dabeigehabt hätte.
»Die Schwachen feiern die Schwachen«, sagte Peter. »Pflanzer hat versagt, während Glas Erfolg gehabt hat, und dort steht er, allein auf dem Experimentalfeld. Und das dümmste daran ist, daß es für Pflanzer keine Bedeutung mehr haben kann, da sein Aiua nicht mehr hier ist.«
»Es mag für Pflanzer vielleicht keine Bedeutung mehr haben«, sagte Ender – obwohl er sich dessen nicht völlig sicher war, »doch es bedeutet den Leuten hier etwas.«
»Ja«, sagte Peter. »Es bedeutet, daß sie schwach sind.«
»Jane sagt, sie habe dich ins Außen mitgenommen.«
»Eine leichte Reise«, sagte Peter. »Beim nächsten Mal jedoch wird Lusitania nicht mehr mein Ziel sein.«
»Sie sagt, du hast vor, Elas Virus nach Weg zu bringen.«
»Mein erster Zwischenhalt«, sagte Peter. »Aber ich werde nicht mehr hierher zurückkommen. Verlasse dich darauf, alter Junge.«
»Wir brauchen das Schiff.«
»Du hast das süße kleine Computermädchen«, sagte Peter, »und die Krabblerhure kann Dutzende von Sternenschiffen für dich ausspucken, wenn du nur genug Geschöpfe wie mich und Valzinha hervorbringen kannst, um sie zu steuern.«
»Ich werde froh sein, dich nicht mehr sehen zu müssen.«
»Willst du nicht wissen, was ich vorhabe?«
»Nein«, sagte Ender.
Aber das war eine Lüge, und natürlich wußte Peter es. »Ich habe vor, das zu tun, wozu du nie den Grips oder Mumm hattest. Ich habe vor, die Flotte aufzuhalten.«
»Wie? Willst du wie durch Zauberei auf dem Flagschiff auftauchen?«
»Tja, wenn es zum Schlimmsten käme, lieber Junge, könnte ich die Flotte noch immer mit einem M.D.-Gerät beharken, bevor sie überhaupt mitbekommt, daß es mich gibt. Aber das würde nicht viel bewerkstelligen, oder? Um die Flotte aufzuhalten, muß ich den Kongreß aufhalten. Und um den Kongreß aufzuhalten, muß ich die Kontrolle haben.«
Ender wußte sofort, was das bedeutete. »Du glaubst also, wieder Hegemon werden zu können? Gott helfe der Menschheit, wenn du es schaffst.«
»Warum sollte ich es nicht schaffen?« sagte Peter. »Mir ist es schon einmal gelungen, und ich habe mich gar nicht so schlecht geschlagen. Du müßtest es wissen – du hast doch das Buch darüber geschrieben.«
»Das war der echte Peter«, sagte Ender. »Nicht du, die verzerrte Version, die ich aus meinem Haß und meiner Furcht heraufbeschworen habe.«
Hatte Peter genug Seele, um sich durch diese harten Worte getroffen zu fühlen? Ender glaubte, zumindest einen Augenblick lang, daß Peter innehielt und sein Gesicht Schmerz zeigte.
»Ich bin jetzt der echte Peter«, antwortete er nach diesem Augenblick. »Und du hoffst besser, daß ich all meine Fähigkeiten behalten habe. Schließlich hast du Valette ja dieselben Gene wie Valentine gegeben. Vielleicht bin ich alles, was Peter je war.«
»Vielleicht können Schweine fliegen.«
Peter lachte. »Sie würden es, wenn du ins Außen gehst und hart genug daran glaubst.«
»Dann geh«, sagte Ender.
»Ja, ich weiß, daß du froh bist, mich endlich loszusein.«
»Und dich auf den Rest der Menschheit loszulassen? Das ist Strafe genug dafür, daß sie die Flotte losgeschickt hat.« Ender ergriff Peter am Arm und zog ihn zu sich heran. »Glaube nicht, daß du mich diesmal wieder ausmanövrieren kannst. Ich bin kein kleiner Junge mehr, und wenn du außer Kontrolle gerätst, werde ich dich vernichten.«
»Das kannst du nicht«, sagte Peter. »Aber du könntest gut selbst dabei umkommen.«
Die Feier begann. Diesmal hatten sie auf jeden Pomp verzichtet. Es gab keinen Ring zu küssen und keine Predigt. Ela und ihre Assistenten brachten einfach mehrere hundert Zuckerwürfel, die mit dem Virizid-Bakterium getränkt waren, und genauso viele Reagenzgläser mit einer Lösung, die die Recolada enthielt. Sie wurden unter den Anwesenden verteilt, und jeder Pequenino nahm einen Zuckerwürfel, löste ihn auf, schluckte ihn und trank dann den Inhalt eines Reagenzglases.
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