»Vielen Dank, Mr. President«, sagte Edmund.
Ed ist ebenso nervös wie ich, dachte Jenny. Das hätte ich nicht gedacht. Sie sah sich verstohlen um. Hinter dem Präsidenten stand auf einem niederen Bücherschrank ein rotes Telefon. Aha, dachte Jenny, das Telefon. Im Hauptquartier des strategischen Luftkommandos standen im Arbeitszimmer des Befehlshabers zwei Apparate, ein roter für Kontakte mit den Luftstreitkräften, und ein goldener. Das hier dürfte das andere Ende der Leitung vom goldenen Telefon sein…
Mit den Worten »Captain, ich möchte Ihnen Hap Aylesworth vorstellen«, wies der Präsident auf einen rotgesichtigen Mann, der mit gelöster Krawatte in einem Sessel saß. Er erhob sich, um Jenny die Hand zu schütteln.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte der Präsident, »und berichten Sie mir alles, was Sie über den Fall wissen, Captain.«
Jenny setzte sich auf die Kante des ihr angebotenen Sessels, beide Füße fest auf dem Boden, den Rock vorschriftsmäßig über die Knie nach unten gezogen. »Viel weiß ich nicht, Mr. President «, begann sie. »Ich befand mich im Observatorium auf Mauna Loa…«
»Wie kamen Sie dahin?« erkundigte sich Aylesworth.
»Ich hatte auf Hawaii bei einer Ingenieurstagung gesprochen und einige Tage Sonderurlaub genommen. Beim Schwimmen habe ich den Astronomen Richard Owen kennengelernt. Er hat mich eingeladen, das Observatorium zu besichtigen.«
»Owen«, sagte Aylesworth nachdenklich.
»Lassen Sie es gut sein, Hap, wir haben von allen Stellen Bestätigungen eingeholt, von denen wir vernünftigerweise annehmen durften, etwas zu erfahren«, sagte der Präsident. Er lächelte dünn. »Mr. Aylesworth wird den Verdacht nicht los, daß es sich um eine Irreführung handeln könnte. Wäre das denkbar?«
Jenny runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube nicht, Sir. Was könnte der Grund dafür sein?«
»Es gibt bestimmt mehrere Dutzend Science FictionRomane zu dem Thema«, sagte Aylesworth. »Naturwissenschaftler setzen sich zusammen und überzeugen die tumben Politiker und Militärs von der bevorstehenden Ankunft Außerirdischer. Vereinigt euch, Erdenmenschen! Schluß mit Hader und Kriegen…«
»Der Bericht vom LuftstreitkräfteObservatorium deckt sich aber mit den Angaben«, sagte Ed Gillespie. »jetzt, wo sie wissen, worauf sie achten müssen.«
Der Präsident nickte. »Eine Reihe anderer Quellen bestätigt das ebenfalls. Hap, sollte das eine Verschwörung sein, hinge da eine riesige Menge von Verschwörern drin. Meinen Sie nicht, daß wenigstens einer inzwischen mit der Wahrheit herausgerückt wäre?«
»Ja, Sir«, sagte Aylesworth. »Ist es sicher, daß sich die Russen das nicht aus den Fingern gesogen haben, um uns abzulenken?«
Jenny und General Gillespie schüttelten den Kopf »Bestimmt nicht«, sagte Gillespie.
»Nun, wahrscheinlich haben Sie recht«, räumte Aylesworth ein. »Ich bitte um Entschuldigung, Captain, aber mir fällt die Vorstellung schwer, daß kleine grüne Männchen aus dem Weltraum auf dem Weg zu uns sind.«
»Oder große schwarze Männer«, sagte Ed Gillespie.
Neugierig faßte der Präsident Gillespie ins Auge. »Warum sagen Sie das? Wissen Sie etwas Genaueres?«
»Nein, Sir. Aber ebensogut wie klein und grün könnten sie groß und schwarz sein – die Wahrscheinlichkeit ist dieselbe. Wüßten wir, woher sie kommen, könnten wir uns vielleicht das eine oder andere zusammenreimen…«
»Vom Saturn«, sagte Jenny. »Dr. Mouton hat eine Computersimulation gemacht.« Alice Mouton hatte ihren Gast mit einem wissenschaftlichen Vortrag beeindrucken wollen, und Jenny hatte gut aufgepaßt. »Wir kennen ihre Reisegeschwindigkeit nicht, und der Saturn muß sich seit ihrer Abreise bewegt haben, aber es gibt gute Gründe für die Annahme, daß sie ihren Flug an einer Stelle des Himmels begonnen haben, an der Saturn gestanden hat.«
»Also Saturnier«, sagte Aylesworth nachdenklich.
»Kaum«, sagte Ed Gillespie. »Der Planet bekommt keinesfalls genug Sonnenenergie, als daß dort komplexe Organismen entstehen könnten. Ganz zu schweigen von einer Zivilisation.«
»Ist das sicher?« wollte der Präsident wissen.
»Nein, Sir.«
»Derselben Ansicht sind die Leute von der nationalen Wissenschaftsakademie «, fügte der Präsident hinzu. »Zumindest die, derer ich habhaft werden konnte. Man vertritt allgemein die Ansicht, daß das Raumschiff von woanders zum Saturn geflogen sein muß. Bleibt nur noch festzustellen, von wo.«
»Vielleicht können wir sie fragen«, sagte Jenny.
»So seltsam das klingt, daran haben wir auch schon gedacht«, sagte Aylesworth.
»Und? Mit welchem Ergebnis?« fragte Gillespie.
»Nichts.« Aylesworth zuckte die Achseln. »Bisher haben sie keine Antwort gegeben. Immerhin bin ich jetzt überzeugt, daß die Sache ihre Richtigkeit hat, Mr. President.«
»Gut«, sagte der Präsident. »Wenn Sie dann bitte Mr. Dawson und Admiral Carrell hereinbitten würden…«
General Gillespie und Jenny erhoben sich. Wes Dawson kam als erster herein. »Hallo Ed, hallo Jenny,«, sagte er.
»Aha, Sie kennen einander bereits«, sagte der Präsident.
»Ja, Sir«, sagte Ed Gillespie.
»Ach, natürlich«, fuhr David Coffey fort. »Sie haben ja den Kongreßabgeordneten von der Sache informiert. Kennen Sie auch Admiral Carrell?«
»Ja, Sir«, sagte Ed, »aber Miss Crichton wohl nicht.«
Der Admiral näherte sich dem Pensionsalter, und das sah man ihm an. Sein Haar war silbergrau, und um seine Augenwinkel lagen zahllose Fältchen. Er begrüßte Jenny mit kraftvollem Händedruck und fester Stimme. Offenbar wußte er, wer sie war. Als der Präsident alle zum Sitzen aufforderte, ließ er zuerst Jenny sich setzen und nahm dann gleichfalls Platz. »Gute Arbeit, Captain«, lobte er. »Nicht jeder Offizier hätte die Bedeutung dessen begriffen, was Sie gesehen haben.«
Interessant, dachte sie. Gibt er sich mit allen, die er kennenlernt, soviel Mühe? »Vielen Dank, Admiral.«
Dawson hatte den dem Präsidenten zunächst stehenden Sessel genommen. »Wie wird sich der Kongreß dazu stellen, Wes?« wandte sich der Präsident an ihn. »Darf ich mit seiner Unterstützung rechnen, wenn ich den Notstand erkläre?«
»Es wird bestimmt Widerstand geben«, gab Dawson zu bedenken.
»Verdammte Idioten«, knurrte Admiral Carrell.
»Warum meinen Sie, die Außerirdischen könnten uns nicht freundlich gesonnen sein?« wollte Wes Dawson wissen.
»Darüber weiß ich nichts, aber wenn die Sowjetunion mobil macht, ohne daß wir darauf reagieren, wäre das eine Katastrophe. Es könnte sie sogar zu Schritten verlocken, an die sie normalerweise nicht einmal im Traum dächten.«
»Tatsächlich?« sagte Dawson. Es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage.
»Werden die Sowjets mobil machen?« fragte der Präsident.
»Darauf soll Captain Crichton antworten«, sagte der Admiral. »Vielleicht glaubt Mr. Dawson eher jemandem, den er kennt.«
»Ja, Sir, das werden sie.« Sie zögerte. »Und wenn wir nichts tun, kann es Ärger geben.«
»Inwiefern?« fragte der Präsident.
»Es hängt mit ihrer Ideologie zusammen, Sir. Sofern sie eine Möglichkeit sehen, die Welt vom Kapitalismus zu befreien, ohne daß ihre Heimat dabei gefährdet ist, wären sie Verräter an ihrer eigenen Doktrin, wenn sie es nicht täten.«
Admiral Carrell fügte hinzu: »Alle unsere Rundfunksendungen werden gestört, und sie haben ihren eigenen Leuten noch nichts über das außerirdische Raumschiff gesagt.«
»Die Sache ist viel zu groß, um sie geheimzuhalten«, sagte Dawson, »oder nicht?«
Erneut wandte sich Admiral Carrell an Jenny. Diesmal nickte er ihr nur zu.
Wollen die mich auf die Probe stellen? überlegte sie. Nun denn, wie auch immer… »Sir, die Ostdeutschen und die Polen kommen bestimmt dahinter. Sofern die Sowjetunion ihre Wirtschaft nicht vollständig ruinieren will, kann sie unmöglich alle Beziehungen zu ihren osteuropäischen Satelliten abbrechen. Also wird die Nachricht früher oder später nach Rußland durchsickern, jedenfalls in die Städte.«
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