»Nehmen wir mal an, es stimmt«, fuhr Hart fort. »Dann heißt doch die wichtige Frage: wie weiter?«
»Wir sollten es schleunigst den Russen sagen«, erklärte der Finanzminister Alan Rosenthal.
Amüsiert sah Arthur Hart zu ihm hinüber. Rosenthal konnte seine Abneigung gegenüber den Russen nicht immer unterdrücken. »Ich denke, irgend jemand wird das in der Tat tun müssen«, erklärte Hart.
»Nicht mehr nötig«, ließ sich Ted Griffin vernehmen. Als alle zu ihm hinübersahen, nickte er bestätigend. »Unmittelbar bevor ich herkam, habe ich erfahren, daß der Astronom aus Hawaii jemanden – angerufen hat…« – er sah suchend auf ein Blatt, das er vor sich auf dem Tisch hatte – »einen gewissen Pawel Bondarew am astrophysikalischen Institut in der Nähe von Swerdlowsk. Wer hätte den Mann daran hindern können? Es gibt ja Direktwahl.«
»Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis eine solche Sache von Swerdlowsk in den Kreml gelangt?« erkundigte sich der Justizminister.
»Vermutlich eine ganze Weile«, erklärte Arthur Hart. »Ich habe schon überlegt, ob nicht der Präsident selbst den Vorsitzenden anrufen sollte.«
»Moskau ist bereits im Bilde«, teilte Admiral Carrell mit. Seine knarrende Stimme ließ die allgemeine Unterhaltung ersterben. »Pawel Bondarew ist General Narowtschatows Schwiegersohn, seit zwanzig Jahren ein enger Vertrauter des Vorsitzenden Petrowski.«
»Hmm.«
Alles sah jetzt zum Stabschef des Weißen Hauses hinüber. James Frantz sagte in Kabinettssitzungen fast nie etwas.
»Wollen Sie sich dazu äußern, Jim?« erkundigte sich Arthur Hart.
Der Angesprochene lächelte freundlich. »Wir haben es erfahren, weil Captain Crichton, die als erste davon gehört hat, General Gillespies Schwägerin ist. Seine Frau ist eine Studienfreundin Carlotta Dawsons, und der Kongreßabgeordnete Dawson war zum Frühstück hier.«
»Ich habe mich schon oft gefragt, ob sich auch nur ein einziges Land der Welt regieren ließe, wenn alle Informationen ausschließlich über die dafür vorgesehenen Kanäle liefen«, sagte Ted Griffin. »Die Russen wissen also Bescheid, und bevor wir diesen Raum verlassen, weiß es bei uns das ganze Land.« Er lächelte, als er die verblüfften Blicke um sich herum sah. »Ja, Captain Crichton hat gesagt, der Astronom werde eine Pressekonferenz einberufen.«
»Dann müssen wir entscheiden, was wir der Öffentlichkeit mitteilen wollen.« Der untersetzte und wohlgenährte Hap Aylesworth kämpfte beständig gegen sein Übergewicht an. Sein Kragen war stets aufgeknöpft und seine Krawatte immer gelokkert. Selten sah man ihn auf Fotografien; sobald er einer Kamera ansichtig wurde, schob er sich gewöhnlich hinter einen anderen. Als Berater des Präsidenten für besondere Aufgaben half er diesem, politische Entscheidungen zu treffen; er beriet David Coffey bereits seit neun Jahren. Die Washington Post nannte ihn den Königsmacher.
»Anderes ist möglicherweise vordringlich«, sagte Admiral Carrell.
Aylesworth hob eine buschige Braue.
»Die Russen. Ich weiß nicht, ob es gut wäre, wenn sich der Präsident mit dem Vorsitzenden Petrowski in Verbindung setzte. Vielleicht sollte lieber ich General Narowtschatow anrufen.«
»Warum das?« wollte Ted Griffin wissen.
»Liegt doch eigentlich auf der Hand«, sagte Carrell. Er schob den Ärmel seines grauen Nadelstreifenanzugs hoch, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. »Bestimmt machen sie sofort mobil, sobald sie ihrer Sache sicher sind. Militär, Zivilverteidigung, alles. Ted, ich möchte schließlich nicht, daß die russischen Militärs unruhig werden…«
»Sind Sie Ihrer Sache sicher?« fragte der Präsident.
»Absolut, Sir«, bestätigte Admiral Carrell. »So sicher, wie man nur sein kann, Mr. President.«
»Und warum sollten die Russen annehmen, daß dies…« – Justizminister McCleve brachte das Wort nur mit Schwierigkeiten über die Lippen – »dies außerirdische Raumschiff feindselige Absichten verfolgt?«
»Weil sie allem und jedem mißtrauen«, sagte Carrell.
»Ich fürchte, er hat recht, Peter«, bestätigte der Außenminister und schüttelte betrübt den Kopf. »Anders wäre es mir zwar lieber, aber genau so wird es sein. Und sie werden sehr bald eine offizielle Erklärung dafür verlangen, warum einer unserer Wissenschaftler einen der ihrigen angerufen hat, statt daß diese wichtige Nachricht über den vorgeschriebenen Weg gegangen ist.«
»Das ist doch Wahnsinn«, sagte Peter McCleve.
»Möglich«, gab Außenminister Hart zu. »Aber genau so wird es geschehen.«
»Fassen wir zusammen«, sagte David Coffey. »Die Sowjets werden demnächst unsere offizielle Position wissen wollen, aber ungeachtet dieser Position mobil machen.«
Admiral Carrell nickte zustimmend. »So ist es, Mr. President.«
»Was also sollen wir Ihrer Ansicht nach tun?« fragte Hap Aylesworth. »Wir dürfen keinesfalls die Hände in den Schoß legen, wenn der Rußki mobil macht. Das würde man uns im Lande übelnehmen.«
»Gewisse Senatoren sähen das bestimmt mit Entzücken«, sagte Coffey.
»Ja, und zwar Tauben wie Falken. Die einen würden sagen, daß es nie einen Grund zur Sorge gegeben hat und Sie zu Ihrer Gelassenheit beglückwünschen und die anderen lauthals ein Amtsenthebungsverfahren wegen Landesverrats gegen Sie verlangen«, bekräftigte Aylesworth.
»Admiral?« wandte sich David Coffey an Carrell. Auf dessen Meinung gab der Präsident viel. Sie kannten einander; seit vor mehr als einem Dutzend Jahren Vizeadmiral Carrell in das Büro eines frischgebackenen Kongreßabgeordneten gekommen war und diesem geduldig und mit schonungsloser Offenheit auseinandergesetzt hatte, wie die Marine auf einer Werft, die zufällig einer der Hauptarbeitgeber in Davids Wahlbezirk war, das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauswarf.
Inzwischen war Carrell nicht nur zum stellvertretenden Leiter der nationalen Sicherheitsbehörde, sondern auch zum Chef der CIA ernannt worden. Zwar hatte der Präsident erst kürzlich die Ernennung Dr. Arthur Harts zum Außenminister amtlich bekanntgegeben, aber seine Entscheidung, Thorwald Carrell zum nationalen Sicherheitsbeamten zu machen, schon vor seiner eigenen Amtseinführung getroffen. Die Ankündigung war dann am Tag nach der Ernennung Harts gekommen.
»Ich denke an eine TeilMobilmachung «, sagte Admiral Carrell. »Wir sollten den nationalen Notstand ausrufen.«
»Das ist doch Unsinn!« sagte die Handelsministerin Connie Fuller mit für eine so kleine Dame überraschend tiefer Stimme. »Wenn wir das tatsächlich für ein außerirdisches Raumschiff halten – und ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, wäre der Tag seiner Ankunft doch der bedeutendste in der Geschichte der Menschheit! Wir sitzen hier und reden über Krieg und Mobilmachung, jetzt, wo sich – wo sich alles ändern wird!«
»Darin gebe ich Ihnen recht«, sagte Arthur Hart. »Aber die Sowjets werden mit Sicherheit mobil machen…«
»Und wenn schon«, sagte Connie Fuller. Ihre braunen Augen blitzten. »Sollen sie doch, zum Kuckuck! Zumindest eine der großen Weltmächte wird sich benehmen, wie – wie es sich für verantwortungsbewußte und intelligente Menschen gehört! Wollen wir denn, daß diese Außerirdischen – Mr. President, denken Sie doch nur an die Macht, die diese Wesen haben müssen! Sie kommen von einem anderen Stern! Wir sollten sie willkommen heißen, statt ihnen feindlich entgegenzutreten.«
»Diese Ansicht vertritt auch Wes Dawson«, sagte Präsident Coffey. »Er schlägt vor, ihnen auf einer Erdumlaufbahn zu begegnen. Er meint, das könne sie ein wenig beeindrucken.«
»Glänzende Anregung«, bestätigte Außenminister Hart.
»Schaden könnte es nicht«, pflichtete ihm Ted Griffin bei.
»Nur haben wir keine Raumstation«, gab Admiral Carrell zu bedenken.
Читать дальше