* * *
Pawel Alexandrowitsch Bondarew legte auf und sah nachdenklich zur Zimmerdecke.
»Stimmt das?« Boris Ogarkows breites Bauerngesicht war zu einem fragenden Runzeln zusammengezogen, was ihm ein sehr unangenehmes Aussehen verlieh.
»Ja«, sagte Bondarew abwesend. Boris war der Parteisekretär des Instituts. Ein kaum gebildeter Angehöriger der Arbeiterklasse, der sich seinen Vorgesetzten durch unermüdlichen Einsatz für die Partei empfohlen hatte, obwohl er in keiner Weise brillant war. Er gehörte zu den in eine Machtposition Aufgestiegenen, für die ausschließlich unabdingbare Treue zum System eine Möglichkeit schuf, keine untergeordnete Tätigkeit ausüben zu müssen. Da er wußte, wie wichtig das Institut für die Sowjetunion war, mischte er sich nicht in dessen Aufgaben ein. Statt dessen sorgte er dafür, daß LeninPorträts in allen Arbeitsräumen hingen und daß sich jeder, ganz gleich ob Wissenschaftler, Sekretärin, Bürobote oder Hausmeister, an allen Abstimmungen beteiligte. »Ich kenne diesen Amerikaner recht gut«, fuhr Bondarew fort. »Ich habe mit ihm zusammen gearbeitet, als ich in den Vereinigten Staaten war, und gemeinsam mit ihm zwei Aufsätze veröffentlicht. Wegen irgendeines Hokuspokus hätte er mich nicht angerufen.«
»Möglich«, gab Andrei Pjatigorski zu bedenken. »Aber falls er sich nun irrt? Wir haben keinerlei Beweise.«
»Das wird sich zeigen«, sagte Bondarew. »Würden Sie mir den Gefallen tun, Andrei, Dr. Nosow am Observatorium anzurufen und ihn zu bitten, daß er seine Leute alle Aufnahmen durchsehen läßt, die in Frage kommen?«
»Gewiß.«
»Vielen Dank. Ich muß wohl nicht eigens betonen, daß Nosow, ganz gleich, was er findet, niemandem gegenüber die Angelegenheit auch nur mit einem Wort erwähnen darf.«
»Ich kann den Parteisekretär am Observatorium anrufen«, bot sich Boris Ogarkow an. »Er wird behilflich sein, die Sache geheimzuhalten.«
Bondarew nickte zum Zeichen des Einverständnisses.
»Aber, Pawel Alexandrowitsch, glauben Sie die Geschichte etwa? Ein Raumschiff von Außerirdischen, das auf die Erde zukommt?« Pjatigorski machte eine hilflose Geste. »Das ist doch völlig unglaubwürdig.«
Bondarew hob die Schultern. »Wenn Sie mir zustimmen, daß er nicht gelogen hat, bleibt uns nur die Wahl, ihm zu glauben. Die Amerikaner sind ausgezeichnet ausgerüstet. In den USA verfügt jedes Observatorium über BlinkKomparatoren und Computer. Das wissen Sie ebensogut wie ich…«
»Wenn wir nur die Hälfte hätten…«, sagte Pjatigorski. Oft genug mußte er selbst zusammenbasteln, was er brauchte, weil dem Institut für die Anschaffung elektronischer und optischer Ausrüstung im Westen keine Devisen zugeteilt wurden. Russische Laboreinrichtungen aber, die nicht für das Militär gebaut waren, funktionierten nicht besonders gut.
Erneut hob Bondarew die Schultern. »Gewiß. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen dafür, warum die Amerikaner es zuerst sehen konnten.«
»Vielleicht hat man es von Kosmograd aus gesichtet«, sagte Boris Ogarkow.
Pjatigorski nickte. »Deren Teleskope sind weit besser als unsere hier.«
»Ich werde mich erkundigen«, sagte Bondarew. Vielleicht bekam er eine Antwort, vielleicht auch nicht. Berichte von den sowjetischen Raumstationen unterlagen strenger Geheimhaltung. Häufig bekam Bondarew sie erst nach Monaten zu Gesicht.
»Wir müßten die Aufnahmen sehen«, sagte Pjatigorski, »sobald sie hereinkommen. Und Sie müßten mit Rogatschow Verbindung aufnehmen und ihm sagen können, wohin er seine Instrumente richten soll.«
»Kann schon sein«, sagte Bondarew. Er sah bedeutungsvoll auf seinen Untergebenen. Andrei Pjatigorski war ein ausgezeichneter Wissenschaftler, aber es dürfte seiner Karriere nicht förderlich sein, vor Boris Ogarkows Ohren die Richtlinien zu kritisieren, nach denen sie arbeiten mußten. Zwar würde Boris das vermutlich nicht weiterberichten, es sich aber bestimmt merken…
»Es ist von entscheidender Bedeutung«, fuhr Andrei hartnäckig fort. »Falls es stimmt, daß die Ankunft Außerirdischer bevorsteht, müssen wir Vorbereitungen treffen.«
»Ist es nicht wahrscheinlich, daß man das in Moskau bereits weiß?« gab Ogarkow zu bedenken. »Vielleicht haben sie es bereits von Kosmograd erfahren.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Bondarew gelassen. »Obwohl es selbstverständlich möglich ist. Sie wissen in Moskau viel. Aber ich vermute, daß wir das erfahren hätten – wenn schon nicht, was sie wissen, so doch, daß sie etwas von Bedeutung erfahren haben. Jedenfalls müssen wir erst einmal unsere eigenen Aufnahmen genau prüfen. Wenn sich das Objekt darauf zeigt, wissen wir mit Sicherheit, daß es kein fauler Zauber ist.« Er sah nachdenklich drein. »Jedenfalls kein gewöhnlicher fauler Zauber.«
* * *
»Also«, sagte Richard Owen, »sie haben es noch nicht gesehen.« Er trat an das Fenster, von dem aus man die Straße zum Mauna Kea Gipfel überblicken konnte.
»Oder nicht zugegeben«, fügte Jeanette hinzu.
»Stimmt.« Er sah auf die Uhr. »Als nächstes eine Pressekonferenz.« Er sah sie herausfordernd an.
Sie schüttelte den Kopf. »Richard, ich kann Sie wirklich nicht daran hindern, aber ich halte es für falsch.«
»Haben die Menschen kein Recht, es zu erfahren?«
»Schon«, sagte sie. »Was meinen Sie, ob die Russen Ihnen glauben?«
»Warum sollten sie nicht?« wollte Owen wissen.
»Sie glauben nicht oft, was wir sagen. Sie wittern beständig Fallen und Hinterhalte«, sagte Jeanette.
»Nicht Bondarew«, protestierte Owen. »Ich kenne ihn schon lange. Er glaubt mir bestimmt.«
»Nun ja, aber werden seine Vorgesetzten ihm glauben? Mir kann es ja egal sein.«
»Sind Sie da sicher?«
»Wieso nicht?«
»Da kommt eine ganze Wagenkolonne die Straße rauf«, sagte Owen. »Staatspolizei und ein Stabswagen des Heeres. So was hab ich hier oben noch nie gesehen…«
* * *
Lieutenant Hal Brassfield war nervös. Er war höchstens zwanzig Jahre alt und konnte Jeanette nicht einordnen. »Captain«, sagte er, »ich weiß wirklich nur, was in meinem Befehl steht. Ich soll Sie auf schnellstem Wege nach Washington bringen, höchste Dringlichkeitsstufe. Also haben wir das arrangiert. Auf der Ebene auf fünfzehnhundert Meter steht ein Hubschrauber bereit, der Sie nach Pearl Harbor bringen soll. Dort wartet eine abflugbereite Düsenmaschine der Marine.«
Jeanette runzelte die Stirn. »Ist das nicht etwas ungewöhnlich?«
»Worauf sie einen lassen kön–… jawohl, Ma’am, das ist es. Zumindest hab ich so was noch nicht erlebt.«
Sie warf einen Blick auf den hastig nach Telefondiktat mit der Maschine geschriebenen Marschbefehl. Er ähnelte nicht im entferntesten den üblichen Einsatzbefehlen und schloß: »Im Auftrag des Präsidenten der Vereinigten Staaten, für den Präsidenten, James F. Frantz, Stabschef des Weißen Hauses.«
»Das ist vor etwa einer Stunde gekommen«, sagte der Lieutenant. »Mehr weiß ich nicht, Captain.«
»In Ordnung, Lieutenant. Aber irgend jemand muß in meinem Hotel Verschiedenes abholen und meine Rechnung bezahlen.«
»Wird alles erledigt, Ma’am. Aber wohin soll ich Ihr Gepäck schicken?« Er lachte in sich hinein. »Wohl kaum ins Weiße Haus. Aber eine andere Adresse ist in dem Befehl nicht angegeben.«
Jeanette nickte. In Washington wohnte sie gewöhnlich bei Onkel und Tante in Flintridge, das war also keine Schwierigkeit. Was der Präsident wohl von ihr wollte? Dringend brauchte er sie bestimmt nicht. Bis sie dort war, hatte ihm bestimmt ein Dutzend anderer etwas über das geheimnisvolle – was eigentlich? – sagen können. Sie kicherte.
»Was ist denn so lustig?« wollte Richard Owen wissen.
Читать дальше