»Aber die Sowjets«, sagte Connie Fuller. »Wenn wir sie bitten…«
»Das war meine Absicht«, sagte David Coffey. »Jetzt aber müssen wir zu einem Ergebnis kommen. Wozu wollen wir uns entscheiden?«
»Lassen Sie die Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzen«, beharrte Admiral Carrell, »damit sie notfalls eingreifen können.«
»Das läßt sich machen«, sagte Aylesworth. »Wir können die führenden Köpfe des Kongresses zusammenrufen, bevor wir weiteres veranlassen.«
»Die Schuld gleichmäßig auf alle verteilen«, knurrte Admiral Carrell.
»So in der Art«, stimmte David Coffey zu.
»Ich werde die Alarmbereitschaft vom Oval Office aus veranlassen.« Er erhob sich, und sogleich taten es ihm die anderen nach. »Mr. Griffin, ich glaube, es könnte nicht schaden, wenn wir uns ein wenig in die Pläne für unsere Zivilverteidigung vertieften.«
»Gewiß, Sir, nur untersteht die Bundesbehörde für den Nationalen Notstand nicht dem Verteidigungsministerium.«
Coffey runzelte die Stirn.
»Sie ist eine unabhängige Organisation, Mr. President«
»Na schön, wenn’s denn sein muß«, knurrte Coffey. Er wandte sich Jim Frantz zu. »Kraft Gesetzes?«
»Nein, Sir, die Behörde wurde per Verordnung geschaffen.«
»Dann erlassen Sie eine Verordnung, die das verdammte Ding dem Nationalen Sicherheitsrat unterstellt. Ted, ich möchte, daß Ihnen die Sache nicht entgleitet. In einer Stunde wird alle Welt Bescheid wissen. Gott weiß, was die Leute anstellen. Bestimmt wird es hie und da Panik geben. Sie alle«, fuhr er fort, »sollten Ihre Ministerien instruieren. Es hat keinen Sinn, die Sache zu verharmlosen. Am besten geben wir ganz offiziell zu, daß sich ein außerirdisches Raumschiff der Erde nähert und daß wir uns bemühen, seine Absichten festzustellen.«
»Mr. President!« Hap Aylesworth war entsetzt.
David lächelte. »Hap, ich weiß, Sie hätten es gern, daß mich die Leute für unfehlbar halten, aber es ist nun einmal nicht so. Das Pentagon verleiht die Unfehlbarkeit mit dem dritten Generalsstern, und im Vatikan schmückt sich der Papst damit, aber dem Präsidenten der Vereinigten Staaten steht sie nicht zu. Ich denke, das Volk weiß das auch, und falls nicht, wird es höchste Zeit, daß die Leute das merken. Wir sagen also einfach die Wahrheit.«
»Ja, Sir.«
»Ich schlage vor, wir treffen uns in zwei Stunden wieder hier.« Coffey wandte sich seinem Stabschef zu. »Jim, Sie alarmieren wohl besser die Krisenzentrale. Es sieht ganz nach einem langen Tag aus.«
An einer Parabel entlang fliegt das Geschick
des Menschen wie eine Rakete,
meist im Dunkeln, doch hin und wieder
auf einem Regenbogen
ANDREI WOSNESSENSKI
Parabelballade
Zeit: Sechs Wochen bis zur Stunde Null
Rumpelnd setzte sich das Gepäckband in Bewegung und füllte sich aus der Tiefe des Flughafens Dulles International mit Koffern und Taschen.
Gerade als Jenny nach ihrem Koffer griff, schob sich eine füllige Frau in einem gelbgeblümten Kleid mit einem gemurmelten »‘tschuldigung« vor sie und nahm ihr eigenes Gepäckstück vom Band.
Und so einer Fettwalze wie dir soll ich das durchgehen lassen? dachte Jenny. Ihr Versuch, sich an der Dicken vorbeizuschlängeln, scheiterte. Sie setzte an, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber anders. Es ist sinnlos. Sie mußte eben warten, bis ihr Koffer die Runde auf dem Gepäckkarussell beendete. Mit einemmal tauchte Ed Gillespie auf. Er faßte an der Fülligen vorbei nach dem Koffer, bevor er entschwinden konnte. So schwer er war, er hob ihn mühelos auf.
»Guten Morgen«, begrüßte er Jenny. »Ist das dein ganzes Gepäck?«
»Ja, Sir«, gab sie zurück. Im dunkelblauen Blazer und einer grauen Flanellhose sah er nicht die Spur militärisch aus. Sie lachte leise in sich hinein. »Es kommt nicht oft vor, daß ein General Gepäckträger für mich spielt. Noch dazu ein Astronaut…«
Der Ausdruck, den das Gesicht der üppigen Frau bei dem Wort ›Astronaut‹ annahm, war sehenswert. »Ich hatte nicht mit dir gerechnet«, sagte Jenny.
»Ich bin vor etwa einer Stunde aus Kalifornien angekommen und hab gleich bei Rhonda angerufen. Sie hat mir gesagt, mit welcher Maschine du kommen würdest, und so hab ich auf dich gewartet.«
Er ging ihr voraus, eine Rampe zu den Taxen empor. Es sah aus, als folge ihm der Koffer, den er an seiner Schlaufe hinter sich herzog, wie ein Hund an der Leine. In Jennys Augen hatten Rollenkoffer mehr für die Befreiung der Frau geleistet als die meisten feministischen Initiativen.
Oben angekommen, winkte Gillespie eine Taxe herbei, in deren Kofferraum sich bereits sein eigenes Gepäck befand. Der Fahrer sah aus wie ein Inder oder Pakistani und sprach kaum Englisch.
»Müde?« erkundigte sich Ed.
»Was glaubst du wohl? Immerhin war ich gestern nachmittag noch auf Hawaii.« Es war ein langer Flug gewesen. Jennys Haar hing strähnig herab, und sie fühlte sich am ganzen Leib klebrig. Sie sah auf die Uhr. Halb acht. »Eine Marinemaschine hat mich nach El Toro gebracht, da hat man mich in einen Hubschrauber umgeladen und noch gerade so rechtzeitig nach Los Angeles geflogen, daß ich die Nachtmaschine bekommen konnte.«
»Hast du geschlafen?«
»Nicht richtig.«
»Dann versuch’s jetzt«, sagte Gillespie.
»Dazu bin ich zu aufgekratzt. Wie geht es jetzt weiter?«
»Wir werden im Weißen Haus erwartet«, sagte Gillespie, und als er ihren Gesichtsausdruck sah, fügte er hinzu: »Du hast Zeit, dich umzuziehen.«
»Das will ich hoffen. Ich fühle mich abscheulich, alles scheint vor Schmutz zu starren.«
Während das Taxi der Stadt zustrebte, fragte Gillespie. »Wie fühlt man sich, wenn man eine Sensation hervorgerufen hat, Jenny?«
»Um was zu fühlen, bin ich viel zu müde. War es denn eine Sensation?«
Gillespie lachte. »Ach so, du warst ja unterwegs.« Er entnahm seiner Aktentasche ein Exemplar der Washington Post.
Die Schlagzeile AUSSERIRDISCHES RAUMSCHIFF ENTDECKT sprang sie an. Fast die ganze Titelseite beschäftigte sich mit der Neuigkeit. Tatsachen hatte der Artikel zwar kaum zu bieten, aber es wurde munter darauflos schwadroniert, und außerdem gab es einen Hintergrundbericht von Roger Brooks. Jenny runzelte die Stirn, als sie an ihr letztes Zusammentreffen mit Roger dachte. Sie warf Ed einen Blick zu. Er konnte eigentlich nichts über Roger und Lindas frühere Beziehung wissen.
Meine Schwester ist eine blöde Kuh.
Es folgten Interviews mit berühmten Naturwissenschaftlern und Bilder eines lächelnden Kosmologen, der den Nobelpreis bekommen hatte, außerdem Bilder von Mary Alice Mouton und Rick Owen. Er lächelte noch breiter als der Kosmologe.
»Dr. Owen ist ja jetzt wohl eine Art Berühmtheit«, sagte Jenny.
»Du auch«, gab Edmund zurück. »Zwar beansprucht dein Freund auf Hawaii den eigentlichen Entdeckerruhm für sich, hat aber durchaus deinen Namen genannt. Jeder Reporter im Lande würde dich gern interviewen.«
»Ach du liebe Zeit!«
»Du sagst es. Vor allem deshalb habe ich auf dich gewartet. Ein Wunder, daß dich die Stewardessen nicht erkannt haben.«
»Vielleicht doch«, sagte Jenny. »Eine schien mir besonders aufmerksam zu sein. Sie hat allerdings nichts gesagt.«
Das Taxi schlängelte sich durch den nicht besonders dichten Verkehr. Auf den Zubringer zum DullesFlughafen führten nur wenige Einfahrten. Ursprünglich waren gar keine vorgesehen gewesen, da er ausschließlich dem Flughafenverkehr vorbehalten sein sollte, aber den Politikern war es gelungen, ein halbes Dutzend durchzusetzen – vermutlich jeweils in der Nähe ihrer Wohnungen. Um jede dieser Einfahrten war eine Anzahl von Wohnhäusern und ein kleines Gewerbegebiet aus dem Boden gewachsen.
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