Die kopflose Baronin tobte.
Aber Hugo schwabbelte blitzschnell an den wütend herumfuchtelnden Armen vorbei und schlüpfte durch die Wand in die Waffenkammer.
»Naaaahaa?« säuselte er dem sprachlosen Tom ins Ohr. »Wüü wooor üch?«
»Wahnsinn, Hugo!« sagte Tom bewundernd. »Alle Achtung, mein Lieber, du warst einfach umwerfend!«
Er guckte noch mal durchs Schlüsselloch. Die Baronin schwebte heulend den Gang entlang auf der Suche nach ihrem Kopf - was ohne Augen natürlich gar nicht so einfach war.
»Sie ist weg«, sagte er und drehte sich wieder zu den anderen um. »Auf der Suche nach ihrem Kopf, aber das dürfte etwas länger dauern. Hugo hat ihn nämlich durchs Fenster nach draußen geworfen.«
»Oooh!« hauchten die Wurms und starrten Hugo voller Bewunderung an.
»Tadellos, mein Lieber«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Wie hast du das gemacht?«
»Kloinügkoit!« säuselte Hugo, aber vor Stolz blähte er sich bis zur Decke auf. »Bövor sü müch vom Burghof göpuuustöt hot, wolltö üch ühr oin poor kloinö Komplümöntö mochön und.«, verlegen färbte er sich rosa, ». ühr du Hond küssön. Obör plötzlüch hottö üch ührö Füngör ün dör Hond. Klöbtön on moinön. Oinfach so.«
»Interessant«, murmelte Frau Kümmelsaft. »Erzähl weiter, mein Lieber.«
»Dos hot sü zümlüch wütönd gömocht, und sü hot müch über du Burgmouer ün dön Grobön göblooosön. Dos hot müch wütönd gömocht, und do hob' üch mür gödocht, wönn
du Füngör klöbönbloibön«, er kicherte hohl, »donn bloibt ouch dör Kopf klöbön.«
»Schlau, schlau«, sagte Hedwig Kümmelsaft lächelnd. »Und du wußtest natürlich auch, daß du dich jederzeit durch die Mauer verdrücken konntest, während sie auf Fenster und Türen angewiesen ist, nicht wahr?«
»Gönouuuuu!« säuselte Hugo. »Wohrschoinlüch sucht sü ümmör noch ührön Kopf. Gonz vörschnoit würd ör soin.« Hugos bleicher Leib schwabbelte vor Lachen.
Tom sah Frau Kümmelsaft fragend an. »Könnte uns das nicht dabei helfen, sie endgültig zu vertreiben?«
»Durchaus möglich«, sagte Hedwig Kümmelsaft. »Aber wie? Denken wir nach.« Sie drehte sich zu den Wurms um. »Kommen Sie, wir setzen uns einen Augenblick alle zusammen. Es ist jetzt«, sie sah auf die Uhr, »gleich halb zwei. Wir haben also noch etwas Zeit. Ich möchte kurz von der einzigen mir bekannten Vertreibung eines SPUMIDUVs berichten, der über ähnliche Fähigkeiten wie unsere Baronin verfügte.« Frau Kümmelsaft rieb sich die spitze Nase. »Es ist viele Jahre her, und Professor Boccabella, dem diese Vertreibung gelang, hat mir persönlich davon berichtet. Zunächst ist er wie wir vorgegangen, er hat den Strom abgeschaltet, alle anderen Energiequellen beseitigt, was uns ja leider nicht gelungen ist, hat die Todesstunde und den Ort des Todes herausgefunden.«
»Den Ort?« unterbrach Herr Wurm sie. »Wissen wir denn den Ort?«
»Allerdings«, sagte Tom. »Sie ist von der Zugbrücke geschubst worden. Wo genau, das läßt sich feststellen.«
Frau Kümmelsaft nickte. »Aber was dann? Professor Boccabella hatte eine äußerst waghalsige, aber, wie sich zeigte, sehr wirkungsvolle Idee.«
»Oh, erzählen Sie!« rief Frau Wurm atemlos.
Totenstill war es in der Waffenkammer. Nur das Holz im Kamin knackte leise.
»Zunächst«, fuhr Frau Kümmelsaft fort, »zunächst lockte Boccabella den ziemlich hungrigen Geist mit einer Spur geschickt ausgelegter Batterien zum Ort seines Ablebens. Diese Möglichkeit haben wir bedauerlicherweise nicht. Hungrig dürfte Jaspara jetzt nicht mehr sein. Aber vielleicht helfen uns ja hier Hugos Fähigkeiten weiter.«
»Oh, üch soll dön Kööödör spülön«, säuselte Hugo.
»Ja, eventuell«, sagte Frau Kümmelsaft. »Also, Boccabella lockte den Geist an den Ort seines Ablebens. Und dort«, Hedwig Kümmelsaft senkte die Stimme, »dort wartete er auf ihn, gekleidet in ein altes Gewand, das der Geist zu Lebzeiten selbst getragen hatte.«
»Oh, wir - icks - haben auch ein Gewand der - icks - Baronin!« rief Frau Wurm aufgeregt. »Ich glaube, es ist - icks - dasselbe, das sie auf dem Gemälde trug.«
»Sehr gut.« Hedwig Kümmelsaft seufzte erleichtert. »Dann könnte es gehen.«
»Oh, bitte, erzählen Sie weiter!« drängte Herr Wurm. »Boccabella wartete auf den Geist. Und dann?«
»Er hatte einen todesmutigen Plan«, erzählte Frau Kümmelsaft weiter. »Er wollte den Geist so provozieren, daß er ihn berührte.«
»Aber«, Frau Wurm preßte erschrocken die Hand vor den Mund, »hatte - icks - er nicht Angst, verflüssigt und geschlürft zu werden?«
»Nun, Boccabella wußte eins«, fuhr Frau Kümmelsaft fort, »er wußte, daß ein SPUMIDUV große Angst davor hat, irgend etwas aus seiner sterblichen Vergangenheit zu berühren. Je öfter und enger der SPUMIDUV zu seinen Lebzeiten Kontakt mit diesen Gegenständen hatte, desto ängstlicher vermeidet er jetzt eine Berührung mit ihnen. Nur für das Gebäude, in dem er gelebt hat, gilt das offenbar nicht. Boccabella hatte mehrmals beobachtet, daß SPUMIDUVs vor alten Bettüchern, Rüstungen oder Kleidungsstücken zurückwichen, als stecke der Teufel persönlich darin. Also wagte er das tollkühne Experiment, sich mit dem alten Gewand vor der Verflüssigung zu schützen. Andererseits hoffte er, daß die Berührung den Geist auf der Stelle vernichten würde.«
»Und?« fragte Tom gespannt. »Hat es geklappt?«
Hedwig Kümmelsaft nickte. »Der Geist wurde zu Nebel und verschwand.«
»Donnerwetter«, murmelte Tom. »Ganz schön mutig von diesem Boccabella, muß ich sagen.«
»Nööböl«, seufzte Hugo. »Nööböl und vörschwun- dön. Wos für oinö Schondö! Üch hottö so vüüül Spoß müt dör Boronün.«
»Oh, da fällt mir ein«, Frau Wurm sprang auf, »ich glaube, das - icks - Kleid der Baronin ist hier. Es - icks - hatte ein kleines Loch, und ich habe es - icks - zum Reparieren vor einigen Tagen hierhergebracht.«
Aufgeregt trippelte sie zu dem alten Schrank, der hinter ein paar zerbeulten Rüstungen stand.
»Ja, ja, da ist es!« rief sie und kam mit dem roten Gewand zurück. Es war ohne Zweifel das Kleid, das die Baronin auf ihrem Porträt trug.
»Oje!« sagte Tom. »Wem soll das denn passen?«
»Du bist, fürchte ich, zu dick, meine Liebe«, sagte Herr Wurm zu seiner Frau. »Und Frau Kümmelsaft ist viel zu groß.«
»Tja, die Menschen früher waren wesentlich kleiner«, sagte
Hedwig Kümmelsaft. »Als Geist ist die Baronin viel größer als
zu Lebzeiten. Hm.« Nachdenklich rieb sie ihre Nasenspitze.
»Ich fürchte, hier gibt es nur eine Person, die in das Kleid paßt.«
»Wieso? Wer denn?« fragte Tom.
»Duuuuu!« säuselte Hugo. »Wör sonst?«
»Ich?« Entgeistert sah Tom die anderen an. »Ich? Das soll wohl ein Witz sein? Ich zieh' doch auf gar keinen Fall dieses Kleid an.«
»Natürlich nicht.« Hedwig Kümmelsaft schüttelte den Kopf. »Ich bin ganz deiner Meinung. Das wäre viel zu gefährlich. Wer kann schon sagen, ob Boccabellas Methode bei allen SPUMIDUVs erfolgreich ist? Und ich möchte dich keinesfalls in einer Wasserflasche nach Hause bringen.«
»Ach nein, das mein' ich doch gar nicht!« rief Tom. »Ich meine doch nicht, daß es mir zu gefährlich ist!« Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. »Aber ich kann doch nicht, ich meine.« Er wurde knallrot. »Ich stell' mich doch nicht in so einem Fummel da draußen auf die Zugbrücke. Das.«
Verlegen rückte er seine Brille zurecht. »Das ist mir peinlich.«
»Höhöööh!« kicherte Hugo und tippte Tom einen Eisfinger auf die Nase. »Dos üst zühümlüch olbörn, fündöst du nücht? Höhööööh!«
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