In meinen Jahren in der auch als Stadt der Narren bekannten Gateway City hatte ich zwei Jobs. Natürlich hatte ich zwei Jobs, werden Sie sagen; sonst hätte ich auf der Straße gelebt. Aber ehrlichere Männer als ich haben weitergetrunken, obwohl sie damit aufhören wollten, und anständigere Männer als ich haben zuletzt in Hauseingängen geschlafen. Ich könnte vermutlich sagen, dass ich nach meinen verlorenen Jahren einen weiteren Versuch unternahm, ein reales Leben zu führen. Es gab Zeiten, in denen ich das tatsächlich glaubte, aber wenn ich nachts im Bett lag (und auf die in den Wänden umherflitzenden Ratten horchte, die meine ständigen Begleiter waren), wusste ich stets die Wahrheit: Ich versuchte noch immer zu siegen. Selbst nach Henrys und Shannons Tod, selbst nach dem Verlust der Farm versuchte ich, die Tote im Brunnen zu schlagen. Sie und ihre Lakaien .
John Hanrahan war der Lagerverwalter bei Bilt-Rite. Er wollte keinen Mann mit nur einer Hand einstellen, aber ich bat ihn, es mit mir zu versuchen, und als ich ihm bewies, dass ich eine mit Hemden oder Arbeitshosen beladene volle Palette so gut wie jeder Mann auf seiner Lohnliste ziehen konnte, stellte er mich ein. Ich zog diese Paletten 14 Monate lang und humpelte oft mit brennendem Rücken und Armstumpf in die Pension zurück, in der ich wohnte. Aber ich beklagte mich nie und fand sogar die Zeit, nähen zu lernen. Das tat ich in meiner Mittagsstunde (die in Wirklichkeit 15 Minuten dauerte) und in der Nachmittagspause. Während die anderen Männer draußen in der Ladebucht standen, rauchten und schmutzige Witze erzählten, brachte ich mir selbst bei, Säume zu nähen - erst an Rupfensäcken
Nähen brachte mehr als Lagerarbeit und war für meinen Rücken besser, aber der Nähsaal war düster und höhlenartig, und nach etwa 4 Monaten fing ich an, Ratten auf den Bergen frisch gefärbter Baumwollhosen und in den Schatten unter den Handwagen zu sehen, auf denen Zuschnitte gebracht und fertige Kleidungsstücke weggefahren wurden.
Bei verschiedenen Gelegenheiten machte ich meine Arbeitskollegen auf diese Schädlinge aufmerksam. Sie behaupteten, sie nicht zu sehen. Vielleicht sahen sie sie wirklich nicht. Aber viel eher befürchteten sie, der Nähsaal könnte vorübergehend geschlossen werden, damit Kammerjäger kommen und ihre Arbeit tun konnten. Die Näher und Näherinnen hätten drei Tageslöhne oder sogar einen Wochenlohn verlieren können. Für Männer und Frauen mit Familien wäre das eine Katastrophe gewesen. Für sie war es einfacher, Mr. Hanrahan zu erzählen, ich sähe Gespenster. Das verstand ich. Und als sie anfingen, mich Crazy Wilf zu nennen? Auch das verstand ich. Ich kündigte nicht deshalb.
Ich kündigte, weil die Ratten immer näher heranrückten.
Ich hatte etwas Geld zurückgelegt, von dem ich leben wollte, während ich anderswo Arbeit suchte, aber das war nicht nötig. Nur drei Tage nach meinem Ausscheiden bei Bilt-Rite sah ich in der Zeitung eine Stellenanzeige, mit der die öffentliche Stadtbücherei von Omaha einen Bibliothekar
Wegen der Ratten, wissen Sie. Sie haben mich auch dort aufgespürt. Ich begann, sie im Binderaum auf Stapeln alter Bücher hocken oder über die höchsten Fächer der Wandregale flitzen zu sehen. Als ich letzte Woche im Leseraum für eine ältliche Benutzerin einen Band der Encyclopædia Britannica herauszog (den Band Ra-St , der zweifellos einen Eintrag zu Rattus norvegicus enthält, von Schlachtho f ganz zu schweigen), starrte mich aus der Lücke ein hungriges grau-schwarzes Gesicht an. Das war die Ratte, die Achelois eine Zitze abgebissen hatte. Ich weiß nicht, wie das sein konnte - ich war mir sicher, sie zerstampft zu haben -, aber an ihrer Identität bestand kein Zweifel. Ich erkannte sie wieder. Wie denn auch nicht? An ihren Schnurrbarthaaren hing ein Fetzen Rupfen, ein blutgetränkter kleiner Fetzen.
Haarnetz!
Den Lexikonband brachte ich der alten Dame, die um ihn gebeten hatte (sie trug eine Hermelinstola, deren schwarze
Eben hat mich eine von ihnen in den Knöchel gezwickt. Als wollte sie sagen: Mach schon, deine Zeit ist fast abgelaufen. An meiner Socke ist ein kleiner Blutfleck zu sehen. Er stört mich nicht, nicht im Geringsten. Ich habe in meiner Zeit mehr Blut gesehen; im Jahr 1922 war ein ganzes Zimmer voll davon.
Und jetzt glaube ich zu hören … ist das nur meine Einbildung?
Nein.
Jemand ist zu Besuch gekommen.
Ich habe das Rohr verstopft, aber die Ratten sind trotzdem entkommen. Ich habe den Brunnen zugeschüttet, aber auch sie hat einen Weg nach draußen gefunden. Und diesmal glaube ich nicht, dass sie allein sein wird. Ich glaube, ich höre zwei Paar Füße schlurfen, nicht nur eines. Oder …
Drei? Sind es drei? Ist auch das Mädchen, das in einer besseren Welt meine Schwiegertochter geworden wäre, mit dabei?
Ich glaube schon. Drei Leichname, die den Flur entlangschlurfen, ihre Gesichter (was davon übrig ist) durch Rattenbisse entstellt. Arlette außerdem mit verschobener unterer Gesichtshälfte … durch den Tritt einer verendenden Kuh.
Ein weiterer Biss in den Knöchel.
Und noch einer!
Wie die Direktion sich …
Aua! Wieder einer. Aber sie sollen mich nicht bekommen. Auch meine Besucher nicht, obwohl ich sehen kann,
geschlacht
Die Pistole
Gott, wo ist die
aufhören
O SIE SOLLEN AUHÖREN, MICH ZU BEI
BIBLIOTHEKAR VERÜBT SELBSTMORD IN HIESIGEM HOTEL
Bizarre Szene empfängt Sicherheitsmann
Die Leiche von Wilfried Leland James, einem Bibliothekar der öffentlichen Stadtbücherei Omaha, wurde am Sonntag in einem hiesigen Hotel aufgefunden, nachdem das Personal erfolglos versucht hatte, Verbindung mit ihm aufzunehmen. Der Gast in einem benachbarten Zimmer hatte über einen Geruch wie von »verfaultem Fleisch« geklagt, und ein Zimmermädchen hatte gemeldet, es habe am späten Freitagmittag »gedämpftes Schreien oder Weinen wie von einem Mann, der starke Schmerzen leidet«, gehört.
Als nach mehrmaligem Klopfen keine Antwort kam, benutzte der Chef des Sicherheitsdiensts des Hotels seinen Generalschlüssel und entdeckte den am Schreibtisch in seinem Zimmer zusammengesackten Mr. James. »Ich habe eine Pistole gesehen und angenommen, er habe sich erschossen«, sagte der Sicherheitsmann, »aber niemand hatte einen Schuss gemeldet, und es roch nicht nach Pulverdampf. Als ich die Waffe überprüft habe, hat sie sich als kaum funktionsfähige Kaliber.25 erwiesen, die noch dazu ungeladen war.
Inzwischen war mir natürlich das viele Blut aufgefallen. Ich hatte nie etwas Vergleichbares gesehen und möchte es nicht noch mal sehen. Er hatte sich überall gebissen - in Arme, Beine, Knöchel, sogar in die Zehen. Und das war noch nicht alles. Er war offenbar damit beschäftigt gewesen, irgendetwas niederzuschreiben, aber dann hat er auch das Papier zerkaut. Es war über den ganzen Fußboden verteilt. Es hat wie Papier ausgesehen, das Ratten zerkauen, um damit ihre Nester auszupolstern. Zuletzt hat er sich die Pulsadern aufgebissen. Ich glaube, dass er daran verblutet ist. Jedenfalls kann er nicht mehr ganz richtig im Kopf gewesen sein.«
Über Mr. James ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur wenig bekannt. Ronald Quarles, Leiter der öffentlichen Stadtbücherei Omaha, hat Mr. James Ende 1926 eingestellt. »Er war offenbar vom Pech verfolgt und durch den Verlust einer Hand behindert, aber er besaß ein gutes Bücherwissen und hatte erstklassige Referenzen«, sagte Quarles. »Er war kollegial, aber distanziert. Meines Wissens hat er in einer Fabrik gearbeitet, bevor er sich bei uns beworben hat, und er hat Leuten erzählt, bevor er die Hand verloren habe, habe ihm eine kleine Farm in der Hemingford County gehört.«
Der World-Herald nimmt Anteil am Schicksal des unglücklichen Mr. James und bittet um Informationen von Lesern, die ihn vielleicht gekannt haben. Bis die Angehörigen nähere Anordnungen treffen, liegt der Tote im Leichenhaus der Omaha County. »Sollten sich keine Angehörigen melden«, sagte Dr. Tattersall, ärztlicher Direktor des Leichenhauses, »dürfte er wohl in einem Gemeindegrab beigesetzt werden.«
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