»Und Philip Adler kann Shaw identifizieren?«
»Richtig«, bestätigte Mancini.
»Gut.« Der Staatsanwalt machte eine Pause. »Was halten Sie davon, Lara Cameron selbst zu befragen, Lieutenant? Hören Sie sich doch mal an, was sie zu sagen hat.«
Lara hatte Howard Keller bei sich, als ihre Gegensprechanlage summte. »Ein Lieutenant Mancini möchte Sie sprechen.« Lara
runzelte die Stirn. »In welcher Sache?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Gut, schicken Sie ihn herein.«
Der Kriminalbeamte war sich darüber im klaren, daß er behutsam vorgehen mußte. Ohne handfeste Beweise würde es nicht einfach sein, etwas aus Lara Cameron herauszubekommen. Aber ich muß es wenigstens versuchen, dachte er. Mit Howard Kellers Anwesenheit hatte er nicht gerechnet.
»Guten Tag, Lieutenant.«
»Tag.«
»Sie kennen Howard Keller?«
»Allerdings! Der beste Pitcher in ganz Chicago.«
»Was kann ich für Sie tun?« fragte Lara.
Der Anfang war am schwierigsten. Erst mußte sie zugeben, daß sie Jesse Shaw kannte; daraus entwickelte sich alles weitere.
»Wir haben den Kerl verhaftet, der Ihren Mann überfallen hat.« Dabei beobachtete er ihr Gesicht.
»Tatsächlich? Was ...?«
Howard Keller unterbrach sie. »Wie haben Sie ihn gefaßt?« fragte er Mancini.
»Er hat eine Armbanduhr versetzt, die Miss Cameron ihrem Mann geschenkt hatte.« Der Lieutenant sah wieder zu Lara hinüber. »Der Täter heißt Jesse Shaw.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht im geringsten. Sie ist gut, dachte Mancini. Die Lady ist wirklich gut.
»Kennen Sie ihn?«
Lara runzelte die Stirn. »Nein. Müßte ich ihn kennen?«
Das war ihr erster Fehler, sagte Mancini sich. Jetzt habe ich sie!
»Shaw hat auf einer Ihrer Baustellen in Chicago gearbeitet. Und er ist auf Ihrer Baustelle in Queens als Baggerführer eingesetzt gewesen. Dort hat sein Bagger einen Mann tödlich verletzt.« Der Kriminalbeamte blätterte in seinem Notizbuch, obwohl er den Namen wußte. »Einen gewissen Bill Whitman. Die Sache ist als Arbeitsunfall zu den Akten gelegt worden.«
Lara schluckte trocken. »Ja ...«
Bevor sie weitersprechen konnte, ergriff Keller wieder das Wort. »Hören Sie, Lieutenant, bei dieser Firma arbeiten Hunderte von Menschen. Sie können nicht erwarten, daß wir jeden einzelnen kennen.«
»Sie kennen Jesse Shaw also nicht?«
»Nein. Und ich bin sicher, daß Miss Cameron .«
»Das möchte ich lieber von ihr selbst hören.«
»Ich kenne diesen Mann nicht mal dem Namen nach«, sagte Lara.
»Für den Überfall auf Ihren Mann hat ihm jemand fünfzigtausend Dollar gezahlt.«
»Das ... das kann ich nicht glauben!« Sie wurde plötzlich kreidebleich.
Jetzt kommen wir der Sache näher, dachte Mancini. »Davon wußten Sie nichts?«
Lara funkelte ihn aufgebracht an. »Wollen Sie mir etwa unterstellen, ich . ? Das verbitte ich mir, Lieutenant! Wenn er dazu angestiftet worden ist, möchte ich wissen, von wem er den Auftrag bekommen hat!«
»Das interessiert Ihren Mann auch, Miss Cameron.«
»Sie haben darüber mit ihm gesprochen?«
»Ja. Ich .«
Im nächsten Augenblick stürmte Lara hinaus.
Als Lara atemlos ins Penthouse kam, war Philip im Schlafzimmer. Er packte seinen Koffer, unbeholfen, weil er nur mit einer Hand arbeiten konnte.
»Philip . was machst du da?«
Er drehte sich um und starrte sie an, als sehe er sie zum ersten Mal. »Ich ziehe aus.«
»Weshalb? Du glaubst diese . diese gräßliche Geschichte
doch nicht etwa?«
»Mit den Lügen ist jetzt Schluß, Lara.«
»Aber ich lüge nicht. Philip, hör mir bitte zu! Mit dem, was dir zugestoßen ist, habe ich nicht das geringste zu tun. Ich würde dir niemals weh tun. Ich liebe dich, Philip.«
Er drehte sich nach ihr um. »Die Polizei sagt, daß der Täter in deinem Auftrag gehandelt hat. Und daß er dafür fünfzigtausend Dollar bekommen hat .«
Sie schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nicht das geringste, Philip. Ich weiß nur, daß ich nichts damit zu tun gehabt habe. Das glaubst du mir doch?«
Er sah sie schweigend an.
Sie stand wie vor den Kopf geschlagen da. Dann machte sie kehrt und stolperte blindlings hinaus.
Philip verbrachte eine schlaflose Nacht in einem New Yorker Hotel. Er glaubte immer wieder, Laras Stimme zu hören.Ich wüßte gern mehr über Ihre Stiftung. Vielleicht können wir uns gelegentlich treffen, um darüber zu reden.
Sind Sie verheiratet? ... Erzählen Sie mir mehr von sich, Philip.
Und wenn Sie Scarlatti spielen, flaniere ich durch Neapel...
Ich träume einen Traum aus Ziegeln, Beton und Stahl - und verwirkliche ihn .
Ich bin nach Amsterdam gekommen, um Sie wiederzusehen.
Möchtest du, daß ich nach Mailand mitkomme?
Du verwöhnst mich, Lady! ... Genau das habe ich vor.
Und Laras Wärme, Mitgefühl und Fürsorglichkeit. Konnte er sich so in ihr getäuscht haben?
Im Polizeipräsidium wurde Philip Adler von Lieutenant Man-cini erwartet, der ihn in einen kleinen Saal mit hell beleuchteter Bühne führte.
»Sie brauchen ihn bloß zu identifizieren«, sagte der Krimi-nalbeamte.
Damit ihr ihn mit Lara in Verbindung bringen könnt, dachte Philip.
Auf der Bühne standen sechs etwa gleichgroße und gleich alte Männer. Jesse Shaw war der zweite Mann von rechts. Philip, der ihn sofort erkannte, fühlte sein Herz jagen. Er glaubte, Shaws Stimme zu hören.Her mit dem Geld! Er spürte wieder den gräßlichen Schmerz, als das scharfe Messer ihm das Handgelenk zerschnitt. Konnte Lara ihm das angetan haben?Du bist der einzige Mann, den ich je geliebt habe.
»Sehen Sie sich die Männer gut an, Mr. Adler«, sagte Lieutenant Mancini.
In Zukunft arbeite ich zu Hause. Philip braucht mich.
»Mr. Adler .«
Wir gehen zu den besten Ärzten der Welt, Liebster. Sie war immer für ihn dagewesen, hatte ihn gepflegt und umhegt.Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt .
»Würden Sie den Täter bitte identifizieren?«
Ich habe dich geheiratet, weil ich mich bis über beide Ohren in dich verliebt hatte. Und daran hat sich nichts geändert. Wenn du nie wieder Lust auf Sex hast, ist 's mir auch recht. Ich will nur, daß du mich in den Armen hältst und mich liebst. Das war ihr Ernst gewesen.
Und dann die letzte Szene im Penthouse.Mit dem, was dir zugestoßen ist, habe ich nicht das geringste zu tun. Ich würde dir niemals weh tun .
»Mr. Adler .«
Die Polizei muß sich getäuscht haben, dachte Philip. Lara hat bestimmt die Wahrheit gesagt. Sie kann diesen Kerl nicht auf mich gehetzt haben!
Mancini sprach ihn erneut an. »Welcher ist der Täter?«
Und Philip drehte sich um und sagte: »Ich weiß es nicht.«
»Wie bitte?«
»Ich sehe ihn nicht.«
»Sie haben ausgesagt, Sie hätten sein Gesicht deutlich gesehen.«
»Ja, das stimmt.«
»Dann sagen Sie mir, wer er ist.«
»Das kann ich nicht«, behauptete Philip. »Er steht nicht dort oben.«
Mancini machte ein grimmiges Gesicht. »Wissen Sie das bestimmt?«
»Todsicher«, antwortete Philip.
»Das war's vorerst, Mr. Adler. Besten Dank, daß Sie vorbeigekommen sind.«
Ich muß Lara finden, sagte Philip sich.Ich muß Lara finden!
Lara saß an ihrem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Philip hatte ihr nicht geglaubt. Es tat ihr schrecklich weh. Und dann Paul Martin. Natürlich steckte er dahinter. Aber warum hatte er das getan?Erinnerst du dich daran, daß ich gesagt habe, dein Mann solle sich gut um dich kümmern? . Er scheint seine Sache nicht allzugut zu machen . Es wird Zeit, daß mal jemand Klartext mit ihm redet! Hatte Paul das getan, weil er sie liebte? Oder war alles ein Racheakt gewesen, weil er sie haßte?
Howard Keller kam herein. Er sah blaß und abgespannt aus. »Ich habe eben über eine Stunde lang telefoniert. Die Cameron Towers sind verloren, Lara. Southern Insurance und International Investment Banking kündigen beide, weil die Fertigstellung sich verzögern wird. Das bedeutet, daß wir die Hypotheken nicht mehr bedienen können. Aber wir hätten es fast geschafft, nicht wahr? Der höchste Wolkenkratzer der Welt . Tut mir leid, Lara. Ich weiß, wieviel dir das bedeutet hat.«
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