»Tut mir leid, Mr. Ellerbee, aber Mr. Adler ist im Augenblick nicht zu sprechen. Kann ich ihm irgendetwas ausrichten?« Sie legte den Hörer auf und sah zu Philip hinüber. »Er möchte sich unbedingt mit Ihnen zum Lunch treffen.«
»Wahrscheinlich will er bloß über die Provisionen reden, die
ihm jetzt entgehen.«
»Vermutlich haben Sie recht«, stimmte Marian gelassen zu. »Er haßt Sie bestimmt dafür, daß Sie überfallen worden sind.«
»Entschuldigung«, murmelte Philip. »Hat es wirklich so geklungen?« »Ja.«
»Wie halten Sie's überhaupt mit mir aus?«
Marian lächelte. »Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken.«
Am nächsten Tag rief William Ellerbee erneut an. Philip war gerade nicht im Zimmer. Nachdem Marian einige Minuten mit Ellerbee gesprochen hatte, machte sie sich auf die Suche nach ihm.
»Mr. Ellerbee hat angerufen«, teilte sie ihm mit. »Nächstes Mal bestellen Sie ihm bitte, daß er damit aufhören soll.«
»Das können Sie ihm gleich selbst sagen«, antwortete Marian. »Sie treffen sich am Donnerstag um ein Uhr mit ihm zum Lunch.«
»Was tue ich?«
»Er wollte ins Le Cirque, aber ich habe ihm erklärt, daß ein kleineres Restaurant besser wäre.« Sie warf einen Blick auf ihren Stenoblock. »Er erwartet Sie um ein Uhr in Fu's Restaurant. Ich sorge dafür, daß Max Sie hinfährt.«
Philip starrte sie aufgebracht an. »Sie haben diesen Termin für mich vereinbart, ohne mich zu fragen?«
»Hätte ich Sie gefragt, hätten Sie abgelehnt«, sagte sie ruhig. »Meinetwegen können Sie mich dafür entlassen.«
Er funkelte sie an, aber dann lächelte er plötzlich. »Wissen Sie was? Ich habe schon lange nicht mehr Chinesisch gegessen.«
Als Lara aus dem Büro kam, erklärte Philip ihr: »Am Donnerstag gehe ich mit Ellerbee zum Lunch.«
»Das ist wunderbar, Liebster! Wann hast du dich dazu entschlossen?«
»Marian hat mir die Entscheidung abgenommen. Sie findet, ich müßte endlich mal wieder unter Leute.«
»Tatsächlich?« Aber auf meine Vorschläge bist du nie eingegangen, dachte sie. »Sehr aufmerksam von ihr.«
»Ja. Sie ist überhaupt sehr gescheit!«
Wie hatte sie bloß so dumm sein können? dachte Lara. Ich hätte die beiden nicht ohne Aufsicht lassen dürfen. Und Philip ist gerade jetzt so verwundbar ...
In diesem Augenblick erkannte Lara, daß sie Marian Bell loswerden mußte.
Als Lara am nächsten Tag heimkam, saßen Philip und Marian in der Bibliothek und spielten Backgammon.
Unser Spiel, dachte Lara.
»Wie soll ich gewinnen, wenn Sie einen Pasch nach dem anderen werfen?« fragte Philip lachend.
Lara stand an der Tür und beobachtete die beiden. Sie hatte Philip schon lange nicht mehr lachen hören.
Marian blickte auf und sah sie. »Guten Abend, Mrs. Adler.«
Philip sprang auf. »Hallo, mein Schatz.« Er küßte sie auf die Wange. »Sie zieht mir die Hosen aus!«
Das werde ich zu verhindern wissen, dachte Lara.
»Brauchen Sie mich heute noch, Mrs. Adler?«
»Nein, Marian. Sie können gehen. Wir sehen uns dann morgen früh.«
»Danke, Mrs. Adler. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Marian.«
Die beiden sahen ihr nach.
»Sie ist eine gute Gesellschafterin«, sagte Philip.
Lara streichelte seine Wange. »Das freut mich, Liebster.«
»Wie geht's im Büro?«
»Gut.« Sie hatte nicht die Absicht, ihn mit ihren Problemen zu belasten. Sie würde nochmals nach Reno fliegen müssen, um mit der Kontrollkommission zu verhandeln. Notfalls war es bestimmt irgendwie möglich, den Einnahmeverlust, den der Entzug der Spielbanklizenz mit sich brachte, zu kompensieren, aber alles war natürlich einfacher, wenn sie die Lizenz zurückbekam.
»Philip, ich muß in nächster Zeit leider wieder regelmäßig ins Büro. Howard kann nicht alle Entscheidungen ohne mich treffen.«
»Kein Problem. Ich komme allein zurecht.«
»Morgen oder übermorgen muß ich wieder nach Reno«, sagte Lara. »Willst du nicht mitkommen?«
Philip schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht.« Er betrachtete seine verkrüppelte linke Hand. »Noch nicht.«
»Wie du willst, Darling. Ich bleibe nicht länger als zwei bis drei Tage fort.«
Als Marian Bell am nächsten Morgen zur Arbeit kam, wurde sie von Lara erwartet. Philip schlief noch.
»Marian ... Sie kennen doch das Brillantarmband, das mein Mann mir nach der letzten Tournee geschenkt hat?«
»Ja, Mrs. Adler?«
»Wo haben Sie es zuletzt gesehen?«
Marian überlegte. »Auf dem Toilettentisch in Ihrem Schlafzimmer.«
»Sie haben es also gesehen?«
»Natürlich. Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
»Ja, leider. Das Armband ist verschwunden.«
Marian starrte sie an. »Verschwunden? Wer könnte es ...?«
»Das Hauspersonal habe ich schon befragt. Von meinen Leuten weiß niemand etwas.«
»Soll ich die Polizei anrufen und ...?«
»Danke, das ist nicht nötig. Ich möchte nicht, daß Sie Unannehmlichkeiten bekommen.«
»Das verstehe ich nicht, Mrs. Adler.«
»Wirklich nicht? Ich glaube, daß es Ihretwegen besser wäre, auf weitere Nachforschungen zu verzichten.«
Marian starrte Lara entsetzt an. »Sie wissen, daß ich das Armband nicht gestohlen habe, Mrs. Adler.«
»Ich weiß nichts dergleichen. Deshalb muß ich mich leider von Ihnen trennen.« Lara verabscheute sich selbst, weil sie Marian das antat. Aber ich lasse mir Philip von keiner anderen Frau wegnehmen! dachte sie. Von keiner!
Als Philip zum Frühstück herunterkam, sagte Lara: »Übrigens kommt ab morgen eine neue Sekretärin, die hier bei uns arbeitet.«
Philip zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Was ist mit Marian?«
»Marian hat gekündigt. Sie hat einen . einen neuen Job in San Francisco angenommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Oh. Schade, ich dachte, es hätte ihr bei uns gefallen.«
»Das hat es auch, aber wir wollen ihr nicht im Weg stehen, wenn sie einen besseren Job kriegen kann, nicht wahr?« Verzeih mir, Marian! dachte Lara.
»Natürlich nicht«, stimmte Philip zu. »Ich würde ihr gern noch alles Gute wünschen. Ist sie ...?«
»Sie ist schon fort.«
»Gut, dann muß ich mich wohl nach einen neuem Backgam-monpartner umsehen«, meinte Philip.
»Sobald ich in der Firma wieder etwas mehr Luft habe, stehe ich dir zur Verfügung.«
Philip Adler und William Ellerbee saßen an einem Ecktisch in Fu's Restaurant.
»Freut mich, daß wir uns mal wieder sehen, Philip«, sagte Ellerbee. »Ich habe öfters angerufen, aber ...« »Ja, ich weiß. Tut mir leid, aber ich habe mit niemandem reden wollen, Bill.«
»Hoffentlich schnappen sie den Dreckskerl, der dir das angetan hat!«
»Die Polizei ist so freundlich gewesen, mir zu erklären, daß Raubüberfälle für sie nicht gerade unter die höchste Dringlichkeitsstufe fallen. Sie scheinen knapp oberhalb von entlaufenen Katzen angesiedelt zu sein. Das bedeutet, daß der Täter nie gefaßt werden wird.«
»Soviel ich gehört habe, wirst du nie wieder spielen können«, sagte Ellerbee zögernd.
»Da hast du ganz richtig gehört.« Philip hielt seine verkrüppelte linke Hand hoch. »Die ist tot.«
Ellerbee beugte sich nach vorn. »Aberdu bist nicht tot, Philip. Du hast noch ein ganzes Leben vor dir.«
»Als was?«
»Als Lehrer.«
Philip lächelte schwach. »Fast eine Ironie des Schicksals, nicht wahr? Ich hatte daran gedacht, Klavierpädagoge zu werden, wenn ich eines Tages keine Konzerte mehr geben könnte.«
»Dieser Tag ist jetzt gekommen«, stellte Ellerbee nüchtern fest. »Ich habe bereits mit dem Direktor der Eastman School of Music in Rochester gesprochen. Er würde alles dafür geben, dich als Professor gewinnen zu können.«
Philip runzelte die Stirn. »Aber das würde bedeuten, daß ich dorthin umziehen müßte. Lara hat ihren Firmensitz hier in New York.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das könnte ich ihr nicht antun. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wunderbar sie zu mir gewesen ist, Bill.«
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