»Meine Geldbörse und meine Armbanduhr.«
»Was für eine Uhr?«
»Eine goldene Piaget.«
»Irgendwelche besonderen Merkmale? Zum Beispiel eine Gravur?«
Diese Armbanduhr hatte Lara ihm in Venedig geschenkt. »Ja. Auf der Rückseite ist >Für Philip in Liebe von Lara< eingraviert.«
Mancini schrieb sich die Widmung auf. »Mr. Adler, ich muß Sie etwas fragen ... Hatten Sie diesen Mann jemals zuvor gesehen?«
Philip sah ihn erstaunt an. »Gesehen? Nein. Warum?«
»War bloß so ein Gedanke.« Mancini steckte sein Notizbuch ein. »Mal sehen, was sich tun läßt. Sie können sich glücklich schätzen, Mr. Adler.«
»Wirklich?« Philips Stimme klang verbittert.
»Yeah. Uns werden jedes Jahr Zehntausende von Raubüberfällen gemeldet, und wir können nicht viel Zeit für jeden einzelnen aufwenden, aber unser Boß gehört zu Ihren Bewunderern. Er sammelt alle Ihre Platten. Deshalb läßt er nichts unversucht, um den Kerl zu fassen, der Ihnen das angetan hat. Wir schicken sofort eine Beschreibung Ihrer Uhr an sämtliche Pfandleiher Amerikas.«
»Glauben Sie etwa, daß er mir meine Hand zurückgeben kann, falls Sie ihn schnappen?« murmelte Philip.
»Wie bitte?«
»Nichts.«
»Sie hören dann von uns. Schönen Tag noch.«
Auf dem Korridor warteten Lara und Keller auf den Kriminalbeamten.
»Sie wollten mich sprechen?« fragte Lara.
»Richtig. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagte Lieutenant Mancini. »Mrs. Adler, wissen Sie, ob Ihr Mann irgendwelche Feinde hat?«
Lara runzelte die Stirn. »Feinde? Nein. Warum?«
»Sie kennen niemanden, der neidisch oder eifersüchtig auf ihn ist? Vielleicht ein anderer Musiker? Irgend jemand, der ihm schaden möchte?«
»Worauf wollen Sie hinaus? Philip ist das Opfer eines Straßenraubs geworden, nicht wahr?«
»Der Tathergang spricht offen gesagt nicht für einen gewöhnlichen Straßenraub. Dieser Kerl hat Ihrem Mann das Handgelenk zerschnitten,nachdem er ihm Geldbörse und Uhr abgenommen hatte.«
»Ich verstehe nicht, welchen Unterschied das .«
»Das wäre reichlich sinnlos gewesen, wenn er's nicht absichtlich getan hätte. Schließlich hat Ihr Mann sich vernünftigerweise nicht gewehrt. Nun, einem Jugendlichen im Drogenrausch wäre so was zuzutrauen, aber .« Der Lieutenant zuckte mit den Schultern. »Ich melde mich, sobald wir mehr wissen.«
Sie sahen ihm nach, als er davonging.
»Jesus!« sagte Keller leise. »Er glaubt, daß der Überfall geplant war!«
Lara war blaß geworden.
Keller starrte sie an. »Mein Gott!« flüsterte er. »Einer von Paul Martins Gangstern! Aber warum hätte er das tun sollen?«
Lara konnte kaum sprechen. »Er . er hat vielleicht geglaubt, mir damit einen Gefallen zu tun. Philip ist ... er war viel unterwegs gewesen, und Paul hat gesagt, das . das sei nicht recht und irgend jemand müsse mal mit Philip reden. Oh, Howard!« Sie vergrub den Kopf an seiner Schulter und bemühte sich, nicht in Tränen auszubrechen.
»Dieser Dreckskerl! Ich hab' dich immer vor ihm gewarnt!«
Lara holte tief Luft. »Philip wird wieder ganz gesund. Ermuß einfach!«
Zwei Wochen später brachte Lara Philip aus dem Roosevelt Hospital nach Hause. Er war bleich und schwach auf den Beinen. Marian Bell empfing die beiden an der Tür. Sie war jeden Tag ins Krankenhaus gefahren, um Philip zu besuchen und ihm seine Post zu bringen. Von Bewunderern war eine Woge der Sympathie mit Karten, Briefen und Anrufen über Philip hereingebrochen. Die Medien hatten den Überfall hochgespielt und die zunehmende Gewalt auf den Straßen New Yorks angeprangert.
Lara war in der Bibliothek, als das Telefon klingelte.
»Der Anruf ist für Sie«, sagte Marian Bell. »Ein Mr. Paul Martin.«
»Ich ... ich kann jetzt nicht mit ihm reden«, wehrte Lara ab. Und es fiel ihr sehr schwer, sich nicht anmerken zu lassen, daß sie am ganzen Leib zitterte.
Ihr gemeinsames Leben hatte sich über Nacht verändert.
»In Zukunft arbeite ich zu Hause«, sagte Lara zu Keller. »Philip braucht mich.«
»Natürlich. Das verstehe ich.«
Als die Flut der Briefe und Anrufe eher noch zunahm, erwies Marian Bell sich als wahrer Segen. Sie arbeitete fleißig und unaufdringlich. »Um die Post brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Miss Cameron. Die erledige ich, wenn Sie wünschen.«
»Danke, Marian.«
Vor allem William Ellerbee rief mehrmals an, aber Philip weigerte sich, Anrufe entgegenzunehmen. »Ich will mit niemandem reden«, erklärte er Lara.
Dr. Stanton behielt recht, was die Schmerzen betraf. Sie waren unerträglich. Philip versuchte, möglichst lange ohne schmerzstillende Mittel auszukommen, bis er sie schließlich doch nehmen mußte.
Lara war stets an seiner Seite. »Wir gehen zu den besten Ärzten der Welt, Liebster. Esmuß jemanden geben, der deine Hand wieder beweglich machen kann. Ich habe von einer Spezialklinik in der Schweiz gehört, die .«
Philip schüttelte den Kopf. »Nein, das hat keinen Zweck.« Er betrachtete seine verbundene Hand. »Ich bin und bleibe ein Krüppel.«
»Das darfst du nicht sagen!« wies Lara ihn energisch zurecht. »Es gibt noch tausenderlei Dinge, die du tun kannst. Ich mache mir solche Vorwürfe, weißt du. Wäre ich an diesem Tag nicht nach Reno geflogen, sondern ins Konzert gegangen, wäre das
nicht passiert. Dann hätte .«
Philip lächelte sarkastisch. »Du wolltest, daß ich mehr zu Hause bin. Schön, jetzt bin ich dauernd hier.«
»Irgend jemand hat mal gesagt: >Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, denn sie könnten in Erfüllung gehen<���«, sagte Lara mit gepreßter Stimme. »Ich wollte, daß du mehr zu Hause bist - aber doch nicht so! Ich kann's nicht ertragen, dich leiden zu sehen.«
»Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen«, wehrte Philip ab. »Ich muß nur erst mit dieser neuen Situation klarkommen. Alles ist so plötzlich passiert. Ich . ich glaube, daß ich das wahre Ausmaß meiner persönlichen Katastrophe noch gar nicht begriffen habe.«
Howard Keller kam ins Penthouse, um Lara einige Verträge zur Unterschrift vorzulegen. »Hallo, Philip. Na, wie geht's?«
»Wunderbar«, knurrte Philip. »Mir geht's wunderbar!«
»Entschuldige, das war eine dumme Frage.«
»Nimm's bitte nicht persönlich, Howard«, sagte Philip verlegen. »Ich reagiere in letzter Zeit nicht mehr normal.« Er schlug mit seiner rechten Hand auf die Sessellehne. »Wenn der Dreckskerl mir bloß dasrechte Handgelenk zerschnitten hätte! Es gibt über ein Dutzend Konzerte für die linke Hand, die ich dann spielen könnte.«
Keller erinnerte sich an ein Gespräch, das er auf der Party hier im Penthouse mitbekommen hatte. Mindestens ein halbes Dutzend Komponisten haben Konzerte für die linke Hand geschrieben. Beispielsweise Demuth, Franz Schmidt, Korngold und Ravel .
Und Paul Martin hatte dabeigestanden und alles gehört.
Dr. Stanton kam ins Penthouse, um Philip zu untersuchen. Als er behutsam den Verband abwickelte, kam eine kaum verheilte lange Narbe zum Vorschein.
»Können Sie Ihre Hand wenigstens etwas bewegen?«
Philip versuchte es. Aber die Hand blieb unbeweglich.
»Wie sind die Schmerzen«, fragte Dr. Stanton.
»Ziemlich schlimm, aber ich will die verdammten Schmerztabletten nicht mehr schlucken.«
»Ich lasse Ihnen trotzdem für alle Fälle noch ein Rezept da. Die Schmerzen sollten in den nächsten Wochen weiter abklingen.« Der Arzt stand auf, um zu gehen. »Tut mir wirklich leid, daß das passiert ist. Ich gehöre nämlich auch zu Ihren Bewunderern.«
»Kaufen Sie meine Platten«, sagte Philip knapp.
Marian Bell machte Lara einen Vorschlag. »Glauben Sie, daß es Mr. Adler helfen würde, wenn ein Physiotherapeut sich um seine Hand kümmern würde?«
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