»Schicken Sie ihnen einen Scheck.«
»Die Srbs laden Sie für Samstag zum Abendessen ein.«
»Gut, das muß sich irgendwie einrichten lassen«, entschied Lara. Kristian und Deborah Srb waren amüsante, gute Freunde, mit denen sie gern zusammen war. Dann runzelte sie die Stirn und fragte ihre Assistentin: »Kathy, in wie vielen Ausführungen sitze ich hier?«
»Wie bitte?«
»Sehen Sie genau hin!«
Kathy starrte sie an. »Ich sehe Sie einmal, Miss Cameron.«
»Richtig! Ich existiere nur einmal. Wie können Sie da erwarten, daß ich mich heute um vierzehn Uhr dreißig mit den Bankleuten von Metropolitan Union treffe, um sechzehn Uhr an einer Sitzung des Planungsausschusses teilnehme, um siebzehn Uhr dreißig beim Oberbürgermeister bin, um achtzehn Uhr fünfzehn ein paar Architekten treffe, um achtzehn Uhr dreißig im Bauausschuß sitze, um neunzehn Uhr dreißig mit diesen Leuten aus Dallas Cocktails trinke und ab zwanzig Uhr meinen Geburtstag feiere? Benützen Sie bitte Ihren Verstand, wenn Sie künftig Termine festlegen!«
»Es tut mir leid, aber ich sollte .«
»Sie sollendenken. Mit dummen Leuten kann ich nichts anfangen. Sagen Sie meine Teilnahme an der Sitzung des Bauausschusses ab.«
»Ja, Miss Cameron«, antwortete Kathy steif.
»Wie geht's dem Kleinen?«
Die Frage kam für die Assistentin überraschend. »David? Oh, dem ... dem geht's gut.«
»Er ist bestimmt schon groß.«
»Na ja, er ist fast zwei.«
»Haben Sie schon an eine Schule für ihn gedacht?«
»Nein, dafür ist's noch zu früh.«
»Falsch! Wer sein Kind in eine anständige New Yorker Schule gehen lassen will, meldet es schon vor der Geburt an.« Lara machte sich eine Notiz. »Ich kenne den Direktor der Dalton School. Ich sorge dafür, daß David dort eingeschrieben wird.«
»Ich ... danke Ihnen.«
Lara sah nicht einmal auf. »Gut, das war's vorläufig.«
»Ja. Ma'am.« Als Kathy das Büro verließ, wußte sie nicht, ob sie ihrer Chefin dankbar sein oder sie hassen sollte. Bevor sie sich bei Cameron Enterprises beworben hatte, war sie vor Lara Cameron gewarnt worden. »Der eiserne Schmetterling«, hatte sie gehört. »Ihre Mitarbeiter messen ihre Beschäftigungszeit nicht nach dem Kalender, sondern benützen Stoppuhren. Die frißt dich lebendig!«
An ihr damaliges Einstellungsgespräch erinnerte Kathy sich gut. Sie hatte Fotos von Lara Cameron in einem halben Dutzend Zeitschriften gesehen, aber keines hatte sie so gezeigt, wie sie wirklich war. In Wirklichkeit war Lara Cameron atemberaubend schön gewesen.
Lara Cameron hatte eben Kathys Lebenslauf gelesen. Sie sah auf und sagte: »Nehmen Sie Platz, Kathy.« Ihre klare Stimme klang energisch, und sie strahlte eine kaum gebändigte Kraft aus, die fast überwältigend war.
»Das ist ein eindrucksvoller Lebenslauf.«
»Danke, Miss Cameron.«
»Wieviel davon ist wahr?«
»Wie bitte?«
»Die meisten Lebensläufe, die ich zu lesen bekomme, sind erfunden. Beherrschen Sie Ihre Arbeit?«
»Die beherrsche ich sehr gut, Miss Cameron.«
»Zwei meiner Mitarbeiterinnen haben eben gekündigt. Folglich hat sich ziemlich viel Arbeit angehäuft. Sind Sie unter Streß belastbar?«
»Ich glaube schon.«
»Was Sie glauben, interessiert mich nicht. Werden Sie mit solchen Situationen fertig oder nicht?«
In diesem Augenblick wußte Kathy nicht recht, ob sie noch Wert auf diesen Job legte. »Ja, das werde ich.«
»Gut. Sie haben eine Woche Probezeit. Bevor Sie anfangen, müssen Sie unterschreiben, daß Sie weder über mich noch über Cameron Enterprises in der Öffentlichkeit sprechen werden -also keine Interviews, keine Bücher ... nichts. Alles, was hier passiert, ist streng vertraulich.«
»Ja, ich verstehe.«
»Gut.«
So hatte ihre Zusammenarbeit vor fünf Jahren begonnen. In dieser Zeit hatte Kathy gelernt, ihre Chefin zu lieben, zu hassen, zu bewundern und zu verachten. Gleich zu Anfang hatte Kathys Mann sich erkundigt: »Wie ist deine lebende Legende wirklich?«
Eine schwierige Frage. »Irgendwie überlebensgroß«, hatte Kathy geantwortet. »Sie ist atemberaubend schön. Sie arbeitet fleißiger als jeder andere. Gott allein weiß, wann sie überhaupt schläft. Als Perfektionistin macht sie sämtlichen Mitarbeitern das Leben schwer. Auf ihre Weise ist sie geradezu ein Genie. Sie kann kleinlich und rachsüchtig, aber auch unglaublich großzügig sein.«
Ihr Mann hatte gelächelt. »Mit anderen Worten: Sie ist eine Frau.«
Kathy hatte seinen Blick erwidert und ernst gesagt: »Ich weiß nicht, was sie ist. Manchmal jagt sie mir richtig Angst ein.«
»Komm, Schatz, du übertreibst!«
»Nein. Ich glaube wirklich, daß Lara Cameron imstande wäre, jeden ... umzubringen, der sich ihr in den Weg stellt.«
Als Lara Cameron ihre Telefonate beendet hatte, drückte sie auf die Sprechtaste, die sie mit Charlie Hunter verband. »Kommen Sie herüber, Charlie.«
»Ja, Miss Cameron.«
Eine Minute später betrat er Laras Büro - ein ehrgeiziger junger Mann, der die Finanzplanung der Cameron Enterprises leitete.
»Ja, Miss Cameron?«
»Ich habe vorhin das Interview gelesen, das Sie derNew York Times gegeben haben«, sagte Lara.
Er lächelte geschmeichelt. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, es zu lesen. Wie hat's Ihnen gefallen?«
»Sie haben über Cameron Enterprises und bestimmte Probleme gesprochen, die uns in letzter Zeit zu schaffen machen.«
Er runzelte die Stirn. »Nun, wissen Sie, bestimmt hat dieser
Reporter mich falsch zitiert oder .«
»Sie sind fristlos entlassen.«
»Was? Warum? Ich .«
»Bei der Einstellung haben Sie sich schriftlich verpflichtet, keine Interviews zu geben. Ich möchte, daß Sie bis heute Mittag Ihren Schreibtisch räumen.«
»Ich . das können Sie nicht tun! Wer würde meine Arbeit machen?«
»Ihr Nachfolger ist schon eingestellt«, erklärte Lara.
Der Lunch war fast vorüber. Hugh Thompson, der Reporter vonFortune, war ein intellektuell wirkender Mann mit scharfen braunen Augen hinter einer schwarzen Hornbrille.
»Köstlich!« sagte er. »All meine Leibgerichte. Ich danke Ihnen, Miss Cameron.«
»Freut mich, daß es Ihnen geschmeckt hat.«
»Aber Sie hätten sich meinetwegen nicht soviel Mühe zu geben brauchen.«
»Oh, das war keine Mühe«, versicherte Lara ihm lächelnd. »Mein Vater hat immer gesagt, der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch seinen Magen.«
»Und Sie wollten dorthin gelangen, bevor wir mit dem Interview anfangen?«
Lara nickte lächelnd. »Genau!«
»Wie groß sind die Schwierigkeiten Ihrer Firma wirklich?«
Das Lächeln verschwand. »Wie bitte?«
»Sie glauben doch nicht etwa, daß sich so etwas geheim halten läßt? An der Börse heißt es, daß einige Ihrer Immobilienfirmen, die Sie über Junk Bonds finanziert haben, kurz vor dem Konkurs stehen. Sie haben ziemlich viel mit Fremdkapital gearbeitet, und wegen des Preisverfalls bei Immobilien löst Cameron Enterprises vermutlich bereits stille Reserven auf, die aber bei weitem nicht ausreichen dürften.«
Lara Cameron lachte. »Ist das der neueste Börsenklatsch?
Glauben Sie mir, Mr. Thompson, Sie wären gut beraten, nicht jedes unsinnige Gerücht für bare Münze zu nehmen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich schicke Ihnen unsere jeweils zum Monatsende erstellte Bilanz, damit Sie verläßliche Zahlen haben. Einverstanden?«
»Besten Dank. Übrigens habe ich Ihren Mann bei der Eröffnung des neuen Hotels nicht gesehen.«
Lara seufzte. »Philip wäre so gern gekommen, aber leider war er gerade auf einer Konzertreise.«
»Ich habe vor drei Jahren einen seiner New Yorker Klavierabende erlebt. Er spielt wundervoll! Wie lange sind Sie schon mit ihm verheiratet?«
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