»Ah, schöne Kleider und ...«
»Nein, Land. Ich möchte Land besitzen. Mein Vater hat nie etwas besessen. Er hat sein Leben lang von den Almosen anderer leben müssen.«
Bill Rogers strahlte. »Ich bin mein Leben lang in der Immobilienbranche gewesen.«
»Tatsächlich?«
»Überall im mittleren Westen haben meine Häuser gestanden. Mir hat sogar 'ne Hotelkette gehört.« Sein Tonfall klang bedauernd.
»Und dann?«
Rogers zuckte mit den Schultern. »Ich hab' den Hals nicht vollkriegen können. Zuletzt war dann alles futsch. Aber Spaß gemacht hat's doch!«
Danach sprachen sie fast jeden Abend über die Immobilienbranche.
»Die Grundregel im Immobiliengeschäft lautet: anderer Leute Geld. Das Schöne an Immobilien ist, daß man Zinsen und Abschreibung steuerlich absetzen kann, während ihr Wert weiter steigt. Die drei wichtigsten Gesichtspunkte für die Beurteilung von Immobilien sind: erstens die Lage, zweitens die Lage und drittens die Lage. Ein schönes Gebäude irgendwo auf einem Hügel ist Zeitverschwendung. Ein häßlicher Bau in der Innenstadt macht reich.«
Rogers weihte Lara in die Geheimnisse der Hypothekenfinanzierung, der Finanzierung durch Steuervergünstigung und der Zusammenarbeit mit Hypothekenbanken ein. Lara hörte aufmerksam zu, lernte viel und merkte sich alles. Ihr Gehirn war wie ein Schwamm, der alle Informationen aufsog.
Die für sie wichtigste Entscheidung traf Rogers eher beiläufig: »Hier in Glace Bay gibt's längst nicht genug Wohnungen. Das wäre eine riesige Gelegenheit. Wäre ich zwanzig Jahre jünger .«
Von diesem Augenblick an betrachtete Lara die kleine Stadt mit anderen Augen. Sie stellte sich auf unbebauten Grundstük-ken Wohn- und Bürogebäude vor. Das war aufregend und frustrierend zugleich. Sie hatte ihre Träume, aber kein Geld, um sie zu verwirklichen.
Als Bill Rogers weiterzog, hatte er noch einen guten Rat für sie: »Denk immer daran: anderer Leute Geld. Alles Gute, Kleine!«
Eine Woche später quartierte sich Charles Cohn bei Lara ein. Er war ein schlanker, kleiner Mann von etwa sechzig Jahren, gepflegt und gut angezogen. Obwohl er wie die anderen Gäste am gemeinsamen Abendessen teilnahm, blieb er auffällig schweigsam. Er schien in einer eigenen Welt zu leben.
Er beobachtete Lara bei der Arbeit, lächelte stets freundlich und beschwerte sich nie.
»Wie lange werden Sie bei uns bleiben?« fragte Lara ihn.
»Schwer zu sagen. Zwei Wochen, zwei Monate ...«
Charles Cohn war Lara ein Rätsel. Er paßte so gar nicht zu den übrigen Mietern. Sie versuchte zu erraten, was er beruflich machte. Er war ganz bestimmt kein Bergmann oder Fischer, sah nicht wie ein Handelsreisender aus und wirkte vornehmer und gebildeter als die anderen Gäste. Lara hatte er erzählt, er habe versucht, ein Zimmer im einzigen Hotel der Stadt zu bekommen, aber es sei ausgebucht gewesen. Ihr fiel auf, daß Cohn bei den Mahlzeiten fast nichts aß.
»Wenn Sie etwas Gemüse hätten«, sagte er entschuldigend, »oder etwas Obst .«
»Halten Sie eine bestimmte Diät?« fragte Lara ihn nach einigen Tagen.
»In gewisser Beziehung. Ich esse nur koschere Speisen, und in Glace Bay gibt's leider keine.«
Als Charles Cohn sich am nächsten Abend an den Eßtisch setzte, wurden ihm Lammkoteletts serviert. Er sah überrascht zu Lara auf. »Tut mir leid, aber die kann ich nicht essen«, sagte er. »Ich dachte, ich hätte Ihnen erklärt, daß .«
»Ja, das haben Sie«, unterbrach Lara ihn lächelnd. »Aber die sind koscher.«
»Was?«
»In Sydney gibt's einen koscheren Fleischer, bei dem ich für Sie eingekauft habe. Guten Appetit! Zum Zimmerpreis gehören Frühstück und Abendessen. Morgen bekommen Sie zur Abwechslung ein Steak.«
Von da an suchte Cohn das Gespräch mit Lara, wenn sie gerade Zeit hatte, und horchte sie geschickt aus. Ihre rasche Auffassungsgabe und ihre für ihr Alter erstaunliche Selbständigkeit imponierten ihm.
Eines Tages vertraute Charles Cohn ihr an, warum er nach Glace Bay gekommen war. »Ich bin im Auftrag der Firma Continental Supplies unterwegs.« Das war eine große Supermarktkette. »Ich soll hier ein Grundstück für einen neuen Laden finden.«
»Wie aufregend!« sagte Lara, und bei sich dachte sie: Ich habe gleich gewußt, daß Cohn aus irgendeinem wichtigen Grund nach Glace Bay gekommen ist. »Sie wollen also ein Gebäude errichten?«
»Nein, das überlassen wir anderen. Wir mieten unsere Ladenlokale nur.«
Um drei Uhr morgens schreckte Lara aus tiefem Schlaf hoch und setzte sich mit wildem Herzjagen im Bett auf. War das ein Traum gewesen? Nein. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren. Sie war zu aufgeregt, um wieder einschlafen zu können.
Als Charles Cohn morgens zum Frühstück kam, wartete Lara bereits auf ihn.
»Mr. Cohn . ich weiß ein wunderbares Grundstück«, stieß sie hervor.
Er zog die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«
»Ein Grundstück für Ihren neuen Laden.«
»Oh? Wo denn?«
Lara wich seiner Frage aus. »Ich möchte Sie etwas fragen. Nehmen wir mal an, ich besäße ein Grundstück, das Ihnen gefällt, und würde darauf ein für Ihre Firma geeignetes Gebäude errichten - bekäme ich dann einen Fünfjahresmietvertrag?«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist eine ziemlich hypothetische Frage, nicht wahr?«
»Bekäme ich den Vertrag?« fragte Lara unbeirrt.
»Lara, was verstehen Sie denn vom Bauen?«
»Ich würde das Gebäude nicht selbst hinstellen«, antwortete sie. »Dafür würde ich mir einen Architekten und eine gute Baufirma nehmen.«
Charles Cohn musterte sie prüfend. »Aha. Und wo liegt dieses wunderbare Grundstück?«
»Ich zeig's Ihnen«, sagte Lara. »Es wird Ihnen gefallen! Es ist wirklich ideal.«
Nach dem Frühstück fuhr Lara Cameron mit Charles Cohn in die Stadt. Mitten in Glace Bay war ein ganzer Straßenblock unbebaut. Dieses Baugrundstück hatte Cohn erst vor zwei Tagen besichtigt.
»Das ist das Grundstück, an das ich gedacht habe«, erklärte Lara ihm.
Cohn stand da und gab vor, das Grundstück zu begutachten.
»Sie haben eine gute Nase«, sagte er anerkennend. »Wirklich ein erstklassiges Grundstück.«
Er hatte bereits diskrete Nachforschungen angestellt und erfahren, daß dieses Grundstück dem Bankier Sean MacAllister gehörte. Cohn hatte den Auftrag, ein geeignetes Grundstück zu finden, den Bau des Ladenlokals zu veranlassen und es anschließend zu mieten. Wer das Gebäude errichtete, war seiner Firma letztlich gleichgültig, solange es ihren Erfordernissen entsprach.
Cohn betrachtete Lara nachdenklich. Sie ist noch viel zu jung, dachte er. Das ist eine verrückte Idee. Andererseits ... >In Sydney gibt es einen koscheren Fleischer, bei dem ich für Sie eingekauft habe ... Morgen bekommen Sie zur Abwechslung ein Steak. < Damit hatte sie Charles Cohn für sich eingenommen.
Lara fragte ihn aufgeregt: »Würden Sie einen Mietvertrag für fünf Jahre mit mir abschließen, wenn es mir gelingt, dieses Grundstück zu erwerben und darauf ein für Sie geeignetes Gebäude zu errichten?«
»Nein, Lara«, sagte er langsam. »Es müßte schon ein Zehnjahresmietvertrag sein.«
Nachmittags ging Lara Cameron zu MacAllister, der überrascht aufsah, als sie sein Büro betrat.
»Du kommst viel zu früh, Lara«, stellte der Bankier fest. »Heute ist erst Montag.«
»Ja, ich weiß. Aber ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Mr. MacAllister.«
Sean MacAllister starrte sie mit unverhohlener Bewunderung an. Sie ist wirklich ein verdammt hübsches Mädchen geworden, dachte er. Nein, schon eine richtige Frau. Er sah die Rundung ihrer Brüste unter ihrer Baumwollbluse.
»Setz dich, meine Liebe. Was kann ich für dich tun?«
Aber Lara war viel zu aufgeregt, um sitzen zu können. »Ich möchte einen Kredit aufnehmen.«
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