Das überraschte ihn. »Wie bitte?«
»Ich möchte mir Geld von Ihnen leihen.«
Der Bankier lächelte gönnerhaft. »Warum auch nicht? Falls du ein neues Kleid oder sonst was brauchst, bin ich gerne bereit, dir .«
»Ich möchte mir zweihunderttausend Dollar leihen.«
MacAllisters Lächeln verschwand. »Soll das ein Witz sein?«
»Keineswegs, Sir.« Lara nahm Platz, beugte sich nach vorn und sagte ernsthaft: »Ich möchte in Glace Bay ein Grundstück kaufen, um darauf ein Gebäude zu errichten. Ich habe bereits einen finanzkräftigen Mieter, der einen Zehnjahresvertrag unterschreiben will. Damit wäre der Kredit für Grunderwerb und Baukosten abgesichert.«
MacAllister betrachtete sie stirnrunzelnd. »Hast du darüber schon mit dem Grundstücksbesitzer gesprochen?«
»Das tue ich gerade«, antwortete Lara.
Der Bankier brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was sie gesagt hatte. »Augenblick! Soll das heißen, daß das Grundstückmir gehört?«
»Ja. Es handelt sich um Ihr Grundstück in der Main Street an der Ecke zur Commercial Street.«
»Du willst dir vonmir Geld leihen, um damitmein Grundstück zu kaufen?«
»Das Grundstück ist schätzungsweise zwanzigtausend Dollar wert, ich habe mich erkundigt. Ich biete Ihnen dreißigtausend. Sie verdienen also zehntausend Dollar am Grundstücksverkauf und bekommen noch dazu Zinsen für die zweihunderttausend Dollar, die ich bei Ihnen aufnehme.«
Sean MacAllister schüttelte den Kopf. »Ich soll dir zweihunderttausend Dollar ohne irgendwelche Sicherheiten leihen? Ausgeschlossen!«
»Doch, Siehaben Sicherheiten«, erklärte Lara ihm ernsthaft.
»Auf Ihren Namen wird eine Hypothek auf Grundstück und Gebäude eingetragen, und ich habe bereits einen Mieter. Also riskieren Sie nichts.«
MacAllister starrte die junge Frau an, während er über ihren Vorschlag nachdachte. Dann lächelte er. »Nicht übel, was du dir da ausgedacht hast. Aber ein Darlehen dieser Art würden die Gesellschafter meiner Bank nie genehmigen.«
»Sie haben keine Gesellschafter«, stellte Lara fest.
Das Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Stimmt!«
Lara beugte sich etwas weiter vor, und er sah, wie ihre Brüste die Schreibtischkante berührten.
»Bitte sagen Sie ja, Mr. MacAllister. Sie werden's nie bereuen, das verspreche ich Ihnen!«
Er starrte fasziniert ihre Brüste an. »Du bist ganz anders als dein Vater, nicht wahr?«
»Ja, Sir.« Ich habe überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihm, dachte Lara zufrieden.
»Nehmen wir spaßeshalber mal an«, sagte der Bankier langsam, »ich wäre interessiert. Wer ist also dein solventer Mieter?«
»Er heißt Charles Cohn und verhandelt im Auftrag von Continental Supplies.«
»Du meinst die Supermarktkette?«
»Ja.«
MacAllister war plötzlich sehr interessiert.
»Seine Firma will einen großen Lebensmittel- und Baumarkt in Glace Bay eröffnen«, fügte Lara hinzu.
MacAllister witterte schnelles Geld.
»Wo hast du diesen Mann kennengelernt?« fragte er beiläufig.
»Er wohnt bei mir im Fremdenheim.«
»Aha. Schön, ich will's mir überlegen, Lara. Morgen reden wir weiter.«
Lara zitterte beinahe vor Aufregung. »Danke, Mr. MacAlli-
ster. Sie werden's nicht bereuen!« Der Bankier lächelte. »Davon bin ich überzeugt.«
Noch am selben Nachmittag fuhr Sean MacAllister zum Fremdenheim, um Charles Cohn kennenzulernen.
»Ich wollte bloß mal vorbeischauen, um Sie in Glace Bay zu begrüßen«, sagte er. »Ich bin Sean MacAllister. Mir gehört die hiesige Bank. Sie sind geschäftlich hier, stimmt's? Aber Sie sollten nicht in meinem Fremdenheim, sondern in meinem Hotel wohnen. Dort hätten Sie allen Komfort.« »Es war ausgebucht«, erklärte Cohn ihm. »Aber nur, weil wir nicht gewußt haben, wer Sie sind.« »Wer bin ich denn?« fragte Cohn freundlich. Sean MacAllister lächelte. »Wir brauchen nicht Rätselraten zu spielen, Mr. Cohn. So was spricht sich herum. Wie ich höre, sind Sie daran interessiert, ein Gebäude zu mieten, das auf einem mir gehörenden Grundstück errichtet werden soll.« »Welches Grundstück wäre das?«
»Der Bauplatz zwischen Main Street und Commercial Street. Eine erstklassige Lage, nicht wahr? Ich glaube, daß wir uns rasch einigen werden.« »Ich habe schon eine Vereinbarung getroffen.« Sean MacAllister lachte. »Etwa mit Lara? Sie ist ein hübsches kleines Ding, nicht wahr? Wollen wir gleich in die Bank fahren und einen Vertrag aufsetzen?«
»Sie haben mich anscheinend nicht richtig verstanden, Mr. MacAllister. Ich habe schon eine Vereinbarung getroffen.«
»Ich glaube, daß Siemich nicht richtig verstanden haben, Mr. Cohn. Das Grundstück gehört nicht Lara. Es gehört mir.« »Sie hat versucht, es Ihnen abzukaufen, nicht wahr?« »Richtig. Aber ich brauche es ihr nicht zu verkaufen.« »Und ich bin nicht auf dieses Grundstück angewiesen. Ich habe drei weitere besichtigt, die ebensogut geeignet sind. Besten Dank für Ihren Besuch.«
Sean MacAllister starrte ihn an. »Ist das Ihr Ernst?«
»Mein völliger Ernst. Ich mache nie Geschäfte, die nicht koscher sind, und halte immer Wort.«
»Aber Lara versteht nichts vom Bauen. Sie ...«
»Sie will Fachleute hinzuziehen. Natürlich wird nichts gebaut, was wir nicht genehmigt haben.«
Der Bankier machte ein nachdenkliches Gesicht. »Stimmt es, daß Continental Supplies bereit ist, einen Zehnjahresvertrag zu unterschreiben?«
»Ja, das stimmt.«
»Ah. Unter diesen Umständen ... Lassen Sie mich bis morgen darüber nachdenken.«
Als Lara ins Fremdenheim zurückkam, erzählte Charles Cohn ihr von seinem Gespräch mit dem Bankier.
Lara war empört. »Mr. MacAllister hat hinter meinem Rük-ken versucht, Sie .«
»Keine Angst«, beruhigte Cohn sie, »er schließt den Handel mit Ihnen ab.«
»Glauben Sie das wirklich?«
»Er ist Bankier. Er macht Geschäfte, um Gewinne zu erzielen.«
»Und was ist mit Ihnen?« fragte Lara. »Warum tun Sie das alles für mich?«
Diese Frage hatte er sich auch gestellt. Weil du so herrlich jung bist, dachte er. Weil ich gern eine Tochter wie dich hätte.
Aber das alles behielt er für sich.
»Ich habe nichts zu verlieren, Lara. Hier gibt es weitere Grundstücke, die ebenso geeignet wären. Sollten Sie den Bauplatz kaufen können, möchte ich Ihnen diesen Gefallen tun. Meiner Firma ist es egal, wer unser Partner ist. Sobald die Finanzierung steht und ich mit Ihrem Bauträger einverstanden bin, sind wir im Geschäft.«
Lara atmete erleichtert auf. »Ich . ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll! Ich gehe gleich zu Mr. MacAllister und .«
»Das täte ich an Ihrer Stelle nicht«, riet Cohn ihr. »Warten Sie, bis er zu Ihnen kommt.«
Sie machte ein sorgenvolles Gesicht. »Aber wenn er nicht kommt?«
Charles Cohn lächelte. »Keine Angst, er kommt!«
Cohn gab Lara einen gedruckten Mietvertrag. »So sieht der Zehnjahresvertrag aus, von dem wir gesprochen haben. Voraussetzung ist natürlich, daß das Gebäude allen unseren Anforderungen entspricht.« Er drückte ihr einen Stapel Blaupausen in die Hand. »Das sind unsere Spezifikationen.«
Lara verbrachte die ganze Nacht damit, die Unterlagen zu studieren.
Am nächsten Morgen rief Sean MacAllister Lara an.
»Hättest du Zeit, in mein Büro zu kommen, Lara?«
Ihr Herz schlug schneller. »Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«
»Ich habe über unser Gespräch nachgedacht«, begann Ma-cAllister. »Vor allem interessiert mich, was für einen Zehnjahresvertrag Mr. Cohn unterschreiben will.«
»Den habe ich hier«, sagte Lara. Sie öffnete ihre Handtasche und nahm den Vertrag heraus.
Sean MacAllister studierte ihn sorgfältig. »Er scheint in Ordnung zu sein.«
»Dann sind wir uns also einig?« Sie hielt unwillkürlich den Atem an.
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