»Wenn als Lieferant für den Laser entweder Russland, die USA, Deutschland oder Israel in Frage kommen und wir einen deutschen, einen irischen und einen serbischen Verdächtigen haben, was schließt das BKA daraus? Oder der Secret Service?« fügte er mit einem Blick auf Lex hinzu.
»Dasselbe, was Sie daraus schließen«, sagte der PPK-Mann. »Wir machen’s wie die Schuljungen beim Bruchrechnen. Wir streichen weg. Es gab einen Krieg gegen Serbien, der den Russen nicht gefallen hat. Amerika wird in diesem Konflikt als Feind russischer und serbischer Interessen betrachtet. Israel und Amerika sind Verbündete, Deutschland in Betracht zu ziehen wäre lächerlich. Und wir haben es hier«, betonte er, »ganz augenscheinlich mit einem Fall von staatlichem Terrorismus zu tun.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Brauer.
»High-Tech-Terrorismus ist immer das Resultat immenser finanzieller und wissenschaftlicher Ressourcen«, erklärte Lex. »Die Nummer mit dem Laser riecht nach Russland.«
»Staatlicher Terrorismus?«, schnappte Brauer. »Sind Sie wahnsinnig? Warum sollten die Russen Bill Clinton töten?«
»Nicht die Russen! Die Russen haben das Ding vielleicht geliefert, aber die Serben haben es eingesetzt.«
Eine Weile herrschte Stille in dem Zelt.
»Ein serbisches Attentat also«, sagte Lavallier schließlich.
Lex lächelte und schüttelte den Kopf.
»Gar kein Attentat.«
»Wie bitte?«
»Es hat kein Attentat gegeben. Ich sagte vorhin, der Bundeskanzler und der Präsident wurden ins Bild gesetzt, wenn auch nicht detailliert. Sie haben übereinstimmend–«
»Augenblick!« Lavallier hob die Hände. »Nur, dass ich das richtig verstehe: Sie wollen jetzt schon behaupten, die Serben–«
»Lavallier, es ist scheißegal, ob es die Serben waren«, sagte der PPK-Mann kategorisch. »Und ob sie mit einem Laser oder mit einer Wasserpistole geschossen haben, ist genauso schnuppe. Fakt ist, dass die Nato einen Krieg gewonnen hat und Stärke demonstrieren konnte. Fakt ist, dass ein kleiner Pisser vom Balkan keinen amerikanischen Präsidenten in Gefahr bringt. Fakt ist, dass Deutschland wenig Interesse hat, sich Mängel in der Personensicherung vorwerfen zu lassen.«
»Wir haben das verdammte Attentat vereitelt!«
»Und dass hier gerade ein Flughafen entsteht, der in Europa einen Spitzenrang einnehmen könnte. Das Ersuchen ging von der Stadt aus, und die Regierungsoberhäupter haben zugestimmt.«
»Die hatten doch gar keine Zeit, irgendetwas zuzustimmen.«
»So was geht schnell.«
Lavallier starrte Lex an.
»Ich bin nur der Überbringer«, sagte Lex.
»Das ist doch Blödsinn«, schnaubte Lavallier. »Wenn die es für opportun halten, dass wir die Sache unter den Tisch kehren, meinetwegen. Es ist praktisch nicht machbar. Was wollen Sie den Scharfschützen erzählen? Alle möglichen Leute waren involviert, unsere Leute, O’Connor, seine Presseagentin, Silberman, das komplette Management des Flughafens, und wir halten draußen gerade die
Presse fest. Clinton latscht aus seiner Maschine und verdrückt sich gleich wieder ins Innere, und Sie kommen hier mit Vertuschung.«
»Da war gar nichts«, sagte der PPK-Mann. »Dieser Sicherheitsknilch hat Clinton zurück ins Innere dirigiert, als er noch gar nicht richtig draußen war. Es sah aus, als sei der Präsident von selbst wieder reingegangen, vielleicht, weil er was vergessen hatte oder jemandem noch was sagen wollte.«
»Also spielen wir hier James Bond, oder was?«
»Bitte, Eric.« Bär hob mit unglücklichem Gesicht die Hände. Das Ganze war ihm offenbar peinlich. »Niemand hier zieht deine Arbeit in Zweifel.«
»Auch wenn Sie sich vertan haben«, ergänzte der Mann vom PPK.
»Vertan?«
»Sie sind nur einem Hinweis nachgegangen«, sagte Lex. »O’Connor hat sich ebenfalls geirrt. Wir hatten ein IRA-Problem am Flughafen, das uns zeitweise ein bisschen nervös gemacht hat. Richtigerweise schickten wir den Präsidenten wieder in die Maschine und schossen sicherheitshalber ein paar harmlose Überwachungskameras ab. Erster Entwurf, vielleicht ist uns bis morgen ja was Besseres eingefallen. Falls überhaupt jemand fragt, wird fleißig dementiert. Irgendwann wird sogar O’Connor zu dem Schluss gelangen, dass er Gespenster gesehen hat.«
Lavallier war sprachlos. Er sah zu Brauer hinüber, aber der SI- Leiter zuckte nur die Schultern.
»Ich habe mich vertan?«
Lex beugte sich vor.
»Lavallier, wir verdanken Ihnen alles. Niemand wird Ihnen je vergessen, was Sie getan haben. Aber niemand möchte andererseits, dass es rauskommt. Verstehen Sie das doch! Nichts wäre schlimmer, als einem demoralisierten Feind etwas zu liefern, woran er sich wieder hochhangeln kann. Wenn der Westen sich verletzlich zeigt, wäre das ein schlimmes Signal. Für den Iran, den Irak, für die russischen Falken, für Libyen, Nordkorea und für wen sonst alles. Wir haben einen Krieg gewonnen, wir haben das Recht auf unserer Seite. Darum geht es.«
Lavallier nickte langsam.
»Das Recht«, sagte er. »Ja, natürlich.«
Lex lächelte.
»Ich wusste, dass Sie es verstehen würden.«
»Sind Sie Fotografin?«, fragte der türkische Taxifahrer.
Sie nickte.
»Ich habe gesehen wegen Kamera«, sagte der Mann. »Machen Sie Fotos für Zeitung?«
»Mhm.«
»Amerikanischer Präsident ist hier.«
»Ich weiß.«
Er lenkte den Wagen auf den Parkstreifen des Taxistandes am Crowne Plaza und schaltete den Taxameter aus.
»Alles voll Polizei«, sagte er missbilligend. »Übertreiben, die Stadt. Überall Straßen gesperrt.«
»Ist halt ‘n wichtiger Mann«, sagte Jana.
»Ja, aber hier kein Problem. Köln ist anders. In andere Städte ist viele Kriminalität. Frankfurt, sagt mir ein Kollege, ganz schlimm. Düsseldorf auch. Aber Köln? Dreizehn Mark, bitte.«
»Fünfzehn«, sagte Jana und reichte ihm einen Zwanzigmarkschein.
Der Mann kramte in seinem Portemonnaie und gab ihr das Wechselgeld zurück, lauter Einmarkstücke.
»Ist in Hyatt heute Abend«, sagte er. »Wenn Sie Foto machen wollen.«
»Wer? Clinton?«
»Ja.«
»Danke.« Sie öffnete die Tür und stieg aus. »Ich werd’s mir überlegen.«
In gemäßigtem Tempo ging sie bis zu dem Schacht, der hinunter zu den Parkebenen führte. In den Grünanlagen vor dem Hotel lungerte ein halbes Dutzend Punker mit struppigen Hunden herum. Sie tranken Bier und unterhielten sich lautstark. Einer urinierte auf den Gehsteig. Jana betrat den Aufzug und fuhr auf die zweite Ebene, wo der Audi stand. Sie verstaute die Kameras im Kofferraum, startete den Motor und fuhr den Wagen aus dem Parkhaus hinaus auf die Straße. Nach wenigen Metern kam sie vor eine rote Ampel, griff nach dem FROG und wählte Gruschkows Nummer.
»»Da«, meldete sich die Stimme des Russen.
»Negativ«, sagte Jana ohne Überleitung.
»Ich weiß. Wo sind Sie?«
»Auf dem Weg. Beim Rauskommen gab es keine Probleme. Irgendwas Bedenkliches bei Ihnen?«
»MM ist hier und will sein Geld.«
»Gibt es sonst was, worauf ich achten muss?«
»Nichts. Noch hat uns keiner aufgespürt.« Gruschkow zögerte. Dann sagte er: »Unserem Gast geht es nicht gut. Ich fürchte, ich habe ihm ein paar Rippen gebrochen. Oder sonst was.«
Jana seufzte.
Sie hatte gehofft, Gruschkow würde nie wieder die Nerven verlieren. Sie hatte die Hand über ihn gehalten unter der Bedingung, dass er sich unter Kontrolle behielt.
Andererseits – was änderte es jetzt noch?
»Brechen Sie ihm nicht noch mehr«, sagte sie. »In zehn Minuten
bin ich da, wenn nichts dazwischenkommt.«
»Es… es tut mir leid.«
»Schon gut.«
Sie beendete die Verbindung und bog auf die Hahnenstraße ein. Während sie mit der Linken steuerte, wanderte ihre Rechte zum Handschuhfach und öffnete es. Ihr Blick fiel auf das Schulterhalfter mit der Glock 17 und auf die kleine Walther PP. Der Anblick der beiden Waffen beruhigte sie. Mit leichtem Schwung ließ sie die Klappe wieder zufallen und ging die nächsten Schritte durch.
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