«Das ist nicht ungefährlich», sagte Miss Marple. «Die Funken können Löcher in den Teppich brennen.»
Komische Alte, dachte Dinah, sagte aber einigermaßen freundlich, wenn auch recht vage: «Da lag auch immer einer. Ich weiß nicht, wo der hingekommen ist.»
«So ein flauschiger, wolliger?»
«Schaffell. Sah jedenfalls so aus.» Die Sache begann Dinah Spaß zu machen. Verschrobene alte Tante, diese Miss Marple. «Hier», sagte sie und gab ihr eine halbe Krone.
«Oh, vielen Dank, meine Liebe.»
Miss Marple schlug ihr Heft auf. «Äh – und welchen Namen darf ich notieren?»
Ein harter, verachtungsvoller Ausdruck trat in Dinahs Augen. Neugierige alte Hexe, dachte sie, nur deswegen ist sie gekommen – um hier herumzuschnüffeln! Damit sie was zu tratschen hat!
«Miss Dinah Lee», sagte sie überdeutlich und mit hämischem Vergnügen.
Miss Marple sah sie ruhig an. «Ist das hier nicht Mr. Basil Blakes Haus?», fragte sie.
«Ja, und ich bin Miss Dinah Lee!», erwiderte das Mädchen herausfordernd. Sie warf den Kopf zurück, und ihre blauen Augen blitzten.
Miss Marple sah sie fest an und sagte: «Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen einen Rat gebe, auch wenn es Ihnen zudringlich erscheinen mag?»
«Es erscheint mir zudringlich. Sie lassen’s besser bleiben.»
«Ich werde trotzdem sprechen. Ich möchte Ihnen raten, dringend raten, hier im Dorf nicht mehr Ihren Mädchennamen zu benutzen.»
Dinah starrte sie an. «Wieso denn das?»
«Sie werden schon sehr bald alles Wohlwollen und alle Sympathie brauchen, die Sie bekommen können», antwortete Miss Marple ernst. «Auch für Ihren Mann wird es wichtig sein, dass man eine gute Meinung von ihm hat. In rückständigen ländlichen Gegenden haben die Leute Vorurteile gegen Paare, die unverheiratet zusammenleben. Ich nehme an, Sie beide machen sich einen Spaß daraus, so zu tun, als ob. Außerdem hält es die Leute fern, und Sie werden nicht von ‹alten Schachteln› belästigt, wie Sie es sicher nennen würden. Aber alte Schachteln haben auch ihre Vorteile.»
«Woher wissen Sie, dass wir verheiratet sind?», fragte Dinah.
Miss Marple lächelte ablehnend. «Ach, meine Liebe…», sagte sie.
«Woher wissen Sie’s?», beharrte Dinah. «Waren Sie auf dem Einwohneramt?»
Ein Funke blinkte in Miss Marples Augen. «Auf dem Einwohneramt? Aber nein. Es war nicht schwer zu erraten. In einem Dorf spricht sich alles herum, wissen Sie. Ihre, äh, Ihre Streitigkeiten – typisch für eine junge Ehe. Unwahrscheinlich, ganz und gar unwahrscheinlich in einer wilden Ehe. Es heißt doch – und ganz zu Recht, finde ich –, dass man sich über den anderen erst richtig ärgern kann, wenn man mit ihm verheiratet ist. Ohne – ohne Trauschein sind die Menschen viel vorsichtiger. Sie müssen sich ja immerfort versichern, wie glücklich sie miteinander sind und dass alles zum Besten steht. Sie müssen sich etwas beweisen. Sie wagen nicht zu streiten! Verheiratete Paare dagegen, habe ich festgestellt, genießen ihre Schlachten und die, äh, die dazugehörigen Versöhnungen.»
Sie hielt inne und zwinkerte milde.
«Also, ich…» Dinah brach ab und musste lachen. Sie nahm Platz und zündete sich eine Zigarette an. «Sie sind einmalig!», sagte sie. «Aber warum möchten Sie denn, dass wir uns hier als respektables Ehepaar zu erkennen geben?»
Miss Marple blieb ernst. «Weil Ihr Mann jeden Moment wegen Mordes verhaftet werden kann.»
III
Dinah starrte sie eine ganze Weile an. Dann fragte sie ungläubig: «Basil? Wegen Mordes? Soll das ein Witz sein?»
«Nein. Haben Sie denn die Zeitung nicht gelesen?»
Dinah schnappte nach Luft. «Sie meinen – das Mädchen im Hotel Majestic? Wird Basil etwa verdächtigt, sie umgebracht zu haben?»
«Ja.»
«Aber das ist doch absurd!»
Draußen hörte man ein Auto vorfahren und die Gartentür scheppern. Die Tür flog auf, und Basil trat mit ein paar Flaschen in den Händen ein.
«Da ist der Gin und der Wermut», sagte er. «Hast du…?»
Er blieb stehen und sah die sittsam und aufrecht dasitzende Besucherin überrascht an.
«Sie muss verrückt sein!», stieß Dinah atemlos hervor. «Sie sagt, du wirst verhaftet, wegen Mordes an dieser Ruby Keene!»
«O Gott!» Basil Blake ließ die Flaschen aufs Sofa fallen. Er wankte zu einem Sessel, warf sich hinein und vergrub das Gesicht in den Händen. «O Gott! O Gott!», rief er noch einmal.
Dinah stürzte zu ihm und packte ihn an den Schultern. «Sieh mich an, Basil! Das ist nicht wahr! Ich weiß, dass es nicht wahr ist! Das glaube ich keine Sekunde!»
Er fasste nach ihren Händen. «Du bist ein Engel.»
«Aber wie kommen die darauf – du hast sie doch gar nicht gekannt, oder?»
«O doch, er hat sie gekannt», sagte Miss Marple.
«Halten Sie den Mund, Sie alte Hexe!», rief Basil. «Hör zu, Dinah, Liebling, ich hab sie kaum gekannt. Bin ihr ein paar Mal im Majestic über den Weg gelaufen. Das ist alles, ich schwör’s dir.»
«Ich versteh das nicht», sagte Dinah verwirrt. «Wieso verdächtigt man dich dann?»
Basil stöhnte. Er bedeckte die Augen mit den Händen und wiegte sich vor und zurück.
«Was haben Sie denn mit Ihrem Kaminvorleger gemacht?», fragte Miss Marple.
«Den hab ich in den Mülleimer geworfen», antwortete er mechanisch.
Miss Marple schnalzte ärgerlich mit der Zunge. «Wie dumm von Ihnen – wie überaus dumm. Einen guten Kaminvorleger wirft man nicht in den Mülleimer. Da hatten sich Pailletten von ihrem Kleid drin verfangen, nicht wahr?»
«Ja, und ich hab sie nicht rausgekriegt.»
«Wovon redet ihr eigentlich?», rief Dinah.
«Frag sie», sagte Basil finster. «Sie weiß anscheinend alles.»
«Ich sage Ihnen, was ich glaube, wenn Sie möchten. Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre, Mr. Blake. Ich glaube, dass Sie auf einem Fest einen handfesten Krach mit Ihrer Frau hatten, dass Sie zu viel, äh, getrunken hatten und dann nach Danemouth gefahren sind. Ich weiß nicht, wann sie dort angekommen sind…»
«Um zwei Uhr morgens ungefähr», sagte Basil düster. «Ich wollte erst reinfahren, hab’s mir aber am Ortsrand anders überlegt. Ich dachte, vielleicht kommt Dinah gleich nach Hause, und bin hierher zurückgefahren. Aber alles war dunkel. Ich hab die Tür geöffnet und Licht gemacht, und da – und da…»
Er brach ab und schluckte.
«Da lag ein Mädchen auf dem Kaminvorleger, ein Mädchen in einem weißen Abendkleid – erwürgt. Ich weiß nicht, ob Sie sie gleich erkannt haben…»
Basil Blake schüttelte heftig den Kopf. «Ich konnte gar nicht richtig hinschauen. Ihr Gesicht war ganz blau und geschwollen. Sie war wohl schon länger tot, und da lag sie – in meinem Zimmer!»
Er schauderte.
«Sie waren natürlich außer sich», sagte Miss Marple sanft. «Sie waren beschwipst, und Ihre Nerven sind ohnehin nicht die besten. Wahrscheinlich waren Sie in Panik. Sie wussten nicht, was tun…»
«Ich dachte, Dinah kann jeden Moment kommen. Und dann sieht sie mich da, mit einer Leiche, der Leiche eines Mädchens, und denkt, ich hab sie umgebracht. Da kam mir eine Idee – eine gute Idee, fand ich da noch, ich weiß auch nicht, warum. Ich dachte: Ich schaff sie in die Bibliothek vom alten Bantry. Verdammt aufgeblasener alter Knacker, sitzt immer auf dem hohen Ross, nennt mich einen verweichlichten Künstler und macht sich lustig über mich. Geschieht dem alten Wichtigtuer recht, dachte ich. Wird schön dumm aus der Wäsche schauen, wenn plötzlich eine tote Blondine auf seinem Kaminvorleger liegt.
Ich hatte etwas zu viel getrunken, verstehen Sie?», setzte er in kläglichem Erklärungseifer hinzu. «Richtig lustig kam mir das alles vor – der alte Bantry mit einer toten Schönheit.»
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