»Was für Geschäfte hast du mit Kelly gemacht? Oder mit Maude?« Harrys Stimme, scharf und fest, hallte durch den Tunnel.
»Kellys Vertrag sah ausgezeichnete Bedingungen vor, aber nach vier Jahren bei zwanzig Prozent wurde er etwas habgierig. Wie du siehst, sind in dem Tunnel genügend Vorräte angehäuft, so daß ich für die Zukunft auf seine Dienste verzichten konnte. Wenn meine Bestände zur Neige gehen, findet sich ein anderer profitgieriger Schwächling.«
»Du hast seine Straßenbaufirma benutzt.«
»Natürlich.«
»Und seine Lastwagen.«
»Harry, strapaziere meine Geduld nicht mit Fragen, deren Antwort auf der Hand liegt. Officer Cooper, werfen Sie Ihre Waffe heraus.«
»Zuerst will ich wissen, warum Sie Maude umgebracht haben. Was sie getan hat, liegt ebenfalls auf der Hand.«
»Maude war ein lieber Mensch, aber leider haben ihre Eierstöcke über ihren Kopf bestimmt. Sehen Sie, sie hat Bob Berryman tatsächlich geliebt. Als geschäftliche Gründe mich zwangen, Kelly Craycroft aus der Unternehmensführung zu entfernen, wollte sie sich nicht an einem Mord mitschuldig machen.«
»Und? War sie mitschuldig?«
»Nein. Aber sie hat Angst bekommen. Was, wenn ich erwischt und unser einträgliches Unternehmen aufgedeckt würde? Berryman hielt sie ewig hin und sagte ihr, er würde Linda verlassen, und Maude hat diesen nichtsnutzigen Kerl geliebt. Ein schwankender Partner ist schlimmer als überhaupt kein Partner. Sie hätte uns verraten können, oder schlimmer noch, sie hätte sich Bob Berryman gegenüber verplappern können - Bettgeflüster -, und der mit seinem komischen Ehrgefühl wäre schnurstracks zu den Sachwaltern der Obrigkeit getrabt. Sie sehen, die arme Maude mußte verschwinden. So, meine Damen, das war Aufschub genug. Werfen Sie die Waffe raus.«
»Hast du versucht, Mrs. Hogendobber zu ertränken?« Harry wollte, daß er weiterredete. Sie hatte keinen Plan, aber so gewann sie immerhin Zeit zum Überlegen.
»Nein. Raus mit der Waffe.«
Harry senkte die Stimme auf Klatschtonlage und betete, daß Josiah diesen Tonfall unwiderstehlich finden möge. »Wenn du die Pontons nicht aufgeschlitzt hast, wer dann?«
Er lachte. »Ich glaube, das war Little Marilyn. Sie hat keine Hilfe geholt, bis sie merkte, daß zwei von den Damen auf Mims Jacht nicht schwimmen konnten. Sie wollte ihrer Mutter einfach nur die Party verderben. Ich kann es nicht beweisen, aber das ist meine Vermutung.« Er lachte wieder. »Ich hätte alles darum gegeben, das Boot sinken zu sehen. Mims Gesicht muß puterrot gewesen sein.« Er hielt inne. »Okay, genug geschwätzt. Wirklich, es muß nicht sein, daß jemandem von uns etwas zustößt. Wir brauchen bloß zusammenzuarbeiten.«
»Wie haben Sie Kelly und Maude dazu gebracht, Zyanid zunehmen?«
»Sie ziehen die Sache in die Länge«, seufzte Josiah. »Ich habe einfach Zyanid auf ein Taschentuch geträufelt und so getan, als war's Kölnisch Wasser, und es ihnen rasch auf den Mund gedrückt! Simsalabim! Schon waren sie tot. Jetzt aber weiter im Programm, Mädels.«
Harry warf ein: »Du hättest sie nicht verstümmeln müssen.«
»Eine künstlerische Note.« Er kicherte.
»Noch eine winzig kleine Frage.« Harry rang nach Luft. Ihre Stimme klang trotz der erstickenden Umgebung nach stählerner Ruhe. »Ich weiß, daß du die Ware in einer Lore hierhergeschafft hast, aber woher hast du sie bekommen?«
Josiah triumphierte. »Das ist das Allerbeste, Harry. Mim Sanburne! Ich bin jahrelang mit ihr unterwegs gewesen. In den feinsten Häusern. New York, Newport, Palm Beach, Richmond, Charleston, Savannah, wo immer eine elegante Party stattfand, bei der man unbedingt dabeisein mußte. Ich habe die Ware taxiert, und ein, zwei Jahre später - voila - kam ich zu einem anderen Zweck wieder. Keine Einladung mit Prägedruck mehr nötig. Das war der einfache Teil. Man besticht einen Hausangestellten - die Reichen sind bekanntlich knauserig. Man bezahlt jemandem genug, daß er davon ein Jahr leben kann, und eine Fahrkarte nach Rio, einfache Fahrt. Es war leicht, ins Haus zu gelangen, wenn die Herrschaften fort waren. Der schwierige Teil war, die Lore aus dem Lastwagen auf die Schienen zu bekommen und in den Tunnel zu rollen - und am nächsten Tag wach zu bleiben. Aber richtig schwer schuften mußten wir nie. Vielleicht drei Häuser im Jahr. Der Absatz ist einfach, sobald sich der Trubel gelegt hat. Eine kleine Fuhre nach Wilmington oder Charlotte. Ein Abstecher nach Memphis. Die hochnäsige Mim würde sterben, was? Sie rümpft ihre lange Nase über Gott und die Welt, aber sie verkehrt mit einem Verbrecher - einem eleganten Verbrecher allerdings.«
»Große Gewinnspanne, wie?«
»O ja, süß sind die Früchte des Kapitalismus - eine Lektion, die du nie gelernt hast, Mädchen. So, die Zeit ist um.« Seine hypnotische Stimme verhieß, daß alles gut ausgehen würde, daß das Ganze bloß ein köstlicher Ulk war.
Harry schob sich näher an die Öffnung heran und gab Coop pantomimisch zu verstehen, daß sie ihre Waffe hinauswerfen würde. Cooper nickte. Mrs. Murphy sträubte kampfbereit ihren Schwanz.
»Du wirfst den Molotowcocktail nicht rein. Das Feuer würde dein ganzes Lager vernichten. Der Rauch und die Erschütterung würden ganz Crozet hierherlocken. Damit wäre alles verdorben. Wenn wir ins Geschäft kommen wollen, sollten wir uns lieber von jetzt an vertrauen. Du wirfst deine Waffe zuerst hin, und Officer Cooper wirft ihre raus.«
»Du willst mich wohl für dumm verkaufen, Harry. Ich werfe meine Waffe nicht zuerst hin«, ereiferte er sich.
»Du bist doch so kreativ, Josiah. Überleg dir was«, spottete Harry. »Du könntest uns aushungern, aber Rick Shaw würde deine Abwesenheit bemerken. Und unsere auch. So geht's nicht. Wir sollten lieber jetzt zu einer Einigung kommen.«
»Du bist hart im Verhandeln.«
»Man soll eine Frau nie unterschätzen«, äffte Harry ihn nach. »Es wäre unangenehm, wenn einer von uns den anderen töten würde; denn du könntest die Leiche erst mitten in der Nacht beseitigen, und in dieser Hitze fängt sie nach zwei bis drei Stunden zu stinken an. Das wäre widerlich.«
»Ganz recht«, erwiderte Josiah knapp. »Was würdest du tun, wenn ich der Tote wäre?«
»Was du mit Maude getan hast. Dann würde ich ein Jahr warten, und Coop und ich würden deine Waren verkaufen. Oh, wir haben nicht deine Kontakte, Josiah, aber ich bin sicher, daß wir etwas herausschlagen könnten.« Sie log, was das Zeug hielt.
»Sei kein Esel! Mit mir kannst du ein Vermögen verdienen. Wenn du's auf eigene Faust machst, wirst du erwischt.«
»Bis hierher bin ich immerhin schon gekommen.«
Es folgte ein langes Schweigen. Der ungezündete Molotowcocktail wurde vor die Öffnung gelegt. Josiahs Hand zog sich geschwind zurück.
»Ein unumstößlicher Beweis dafür, was für ein Heiliger ich bin. Da ist der Molotowcocktail.«
»Josiah.« - Harry hoffte noch immer, ihn durch Gespräche ablenken zu können - »wie hast du die Poststempel gefälscht?«
»Meine latente künstlerische Ader gelangte vorübergehend an die Oberfläche.« Er lächelte. »Ich verfüge über diverse Wachse, Farben, Beizen, etwas Goldbronze, alles mögliche, um die Möbel zu restaurieren. Ich habe eine Farbe zusammengemischt und die Stempelbuchstaben aus alten Typen zusammengesetzt. Der Text kam mit Hilfe meines Computers zustande. Ich finde, die Postkarten waren ein Bravourstück. Zu gern habe ich mir das Gesicht des armen Rick Shaw vorgestellt, wie er versucht, daraus schlau zu werden - nachdem er gemerkt hat, daß die Postkarten ein Zeichen waren. Du hast es sehr schnell gemerkt. Ich war ungeheuer beeindruckt.«
»Aber du hattest keine Angst?«
»Ich? Nie.«
»Deine Waffe.« Harrys Stimme ließ die Forderung klingen wie eine höfliche Bitte.
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