Henley-on-Thames war belebt von Lichtern und von späten Samstagnachmittagseinkäufern. Danielle und ich ließen den Wagen auf einem Parkplatz stehen und wander-ten langsam durchs Gewühl.
»Wohin gehen wir?« fragte sie.
»Ein Geschenk für dich kaufen.«
»Was für ein Geschenk?«
»Alles, was du willst.«
Sie blieb stehen. »Bist du verrückt?«
»Nein.« Wir waren vor einem Geschäft, das Sportartikel anbot. »Tennisschläger?«
»Ich spiele kein Tennis.«
Ich winkte zum nächsten Laden. »Klavier?«
»Ich kann kein Klavier.«
»Da drüben«, ich deutete auf ein Blumengeschäft. »Orchideen?«
»Wo sie wachsen, aber nicht, um sie mir anzustecken.«
»Und da vorne, ein antiker Sessel?«
Sie lachte, an ihren Augen erschienen Fältchen. »Sag mir auch, was du magst und was nicht.«
»Einverstanden.«
Wir gingen die Schaufenster entlang, schauten und sagten es uns. Sie mochte Blau- und Rosatöne, aber kein Gelb, sie mochte Sachen mit Blumen und Vögeln drauf, nicht geometrische Muster, sie mochte Körbe und Tintenkulis, Aquamarine und kernlose Trauben und Bücher über Leonardo da Vinci. Sie würde für mich, sagte sie, etwas Einfaches aussuchen. Wenn ich ihr ein Geschenk machen wollte, müßte ich auch eins bekommen.
»Okay«, sagte ich. »Zwanzig Minuten. Wir treffen uns am Auto. Hier ist der Schlüssel, falls du zuerst wieder da bist.«
»Und nicht zu teuer«, sagte sie. »Sonst spiele ich nicht mit.«
»In Ordnung.«
Als ich mit meinem Päckchen wiederkam, saß sie schon im Auto und lächelte.
»Du warst eine halbe Stunde weg«, sagte sie. »Du bist disqualifiziert.«
»So ein Pech.«
Ich stieg neben ihr ein, und wir saßen da und schauten jeder das Päckchen des anderen an, meines für sie in Packpapier, ihres für mich, flacher, in einer Tragetüte.
»Rate mal«, sagte sie.
Ich versuchte es, aber nichts kam. Bedauernd sagte ich: »Ich weiß es nicht.«
Sie musterte das braun eingeschlagene Paket in meinen Händen. »Drei Bücher? Drei Pfund Schokolade? Ein Springteufel?«
»Alles verkehrt.«
Wir tauschten die Geschenke und begannen sie auszupacken.
»Spannender als Weihnachten«, sagte sie. »Oh, wie seltsam. Ich hatte vergessen, daß dein Name daher kommt.« Sie hielt ganz kurz inne, um nachzudenken, und sagte es umgekehrt: »Christmas ist spannender.«
Auf amerikanisch klang es nicht übel. Ich öffnete die Papiertüte, die sie mir gegeben hatte, und sah, daß unser Bummel durch die Straße ihr auch eine ganze Menge über mich verraten hatte. Ich zog ein Etui aus weichem braunem Leder mit rundumgehendem Reißverschluß hervor, das aussah, als enthielte es einen Schreibblock und ein paar Briefumschläge, doch oben war in Gold das Wort KIT, Werkzeugtasche, aufgeprägt.
»Nur zu, mach es auf«, sagte sie. »Ich konnte dem nicht widerstehen. Und du magst hübsche kleine Sachen, genau wie ich.«
Ich öffnete den Reißverschluß des Etuis, klappte es auf und lächelte vor reiner Freude. Es enthielt auf der einen Seite einen Satz Werkzeuge und auf der anderen Schreibstifte, einen Taschenrechner und einen Notizblock, alles in Laschen, alles in bester Qualität, solide ausgeführt.
»Es gefällt dir«, stellte sie befriedigt fest. »Dachte ich mir doch. Stand buchstäblich dein Name drauf.«
Sie wickelte das Packpapier auseinander und zeigte mir, daß ich sie ebenfalls erfreut hatte und wie sehr. Ich hatte ihr eine antike Miniaturkommode geschenkt, die entfernt nach Politur roch, kleine Messinggriffe hatte und seidenweich aufgleitende Schubladen. Hübsch, klein, gut verarbeitet, nützlich, ordentlich, zweckmäßig - wie das Etui.
Sie schaute lange auf die Geschenke mit ihrer stillschweigenden Aussage und dann in mein Gesicht.
»Wirklich erstaunlich«, sagte sie langsam, »daß wir beide das Richtige getroffen haben.«
»Ja.«
»Und du hast gegen die Regeln verstoßen. Die Truhe ist nicht billig.«
»Gleichfalls. Das Etui auch nicht.«
»Gott segne die Kreditkarten.«
Ich küßte sie auf die gleiche Art wie zuvor, die Geschenke lagen noch auf unseren Schößen. »Vielen Dank für meins.«
»Vielen Dank für meins.«
»Tja«, sagte ich und langte hinter mich, um die Werkzeugtasche auf den Rücksitz zu legen. »Bis wir hinkommen, hat das Pub vielleicht schon geöffnet.«
»Welches Pub?«
»Wo wir hinfahren.«
»Aus dir was rauszukriegen, was du nicht erzählen willst«, sagte sie, »ist eine verdammt harte Nuß.«
Ich fuhr zufrieden zum French Horn in Sonning, wo das Essen legendär war und in Flutlicht getauchte Weiden sich über die Themse neigten. Wir gingen hinein und setzten uns auf ein Sofa, schauten zu, wie Enten über offenem Feuer am Spieß gebraten wurden, und tranken Sekt. Ich rekelte mich, atmete tief durch, spürte die Anspannung der langen Woche von mir abfallen - und ich mußte Rose Quince anrufen.
Ich ging und wählte ihre Nummer. Wieder der Anrufbeantworter. Ich sagte: »Rose, Rose, ich liebe dich. Rose, ich brauche dich. Wenn Sie vor elf nach Hause kommen, rufen Sie mich bitte, ich beschwöre Sie, im French Hotel an, die Nummer ist 0734-692204; sagen Sie, ich bin im Restaurant beim Essen.«
Ich telefonierte mit Wykeham. »Sind die Kopfschmerzen besser?« sagte ich.
»Was?«
»Schon gut. Wie geht’s der Stute?«
Die Stute sei krank, aber sie fresse, das Pferd von Mr. Davis sei erschöpft, Inchcape sehe man das Rennen kaum an.
»Icefall« sagte ich.
»Bitte? Ich wünschte, Sie würden ihn nicht so weit vorneweg reiten.«
»Ihm gefiel das. Und es hat geklappt.«
»Ich sah’s im Fernsehen. Können Sie Dienstag zum Trainieren kommen? An dem Tag haben wir keine Renner, ich schicke keinen nach Southwell.«
»Ja, in Ordnung.«
»Sie waren gut heute«, sagte er aufrichtig. »Ganz ausgezeichnet.«
»Danke.«
»Ja. Ehm. Dann gute Nacht, Paul.«
»Gute Nacht, Wykeham«, sagte ich.
Ich ging zurück zu Danielle, und wir unterhielten uns den ganzen Abend und aßen später im Restaurant, wo Kerzenlicht auf den Tischen funkelte und ein grüner Weinstock über die Decke wuchs; und in letzter Minute rief Rose Quince mich zurück.
»Ist schon nach elf«, sagte sie, »aber ich hab’s mal drauf ankommen lassen.«
»Sie sind ein Schatz.«
»Und ob. Was gibt es so Dringendes, Sportsfreund?«
»Hm«, sagte ich. »Können Sie mit dem Namen Saul Bradfield oder Saul Bradley ... so in der Art ... etwas anfangen?« »Saul Bradley? Klar kann ich. Was ist denn so dringend mit ihm?«
»Wer ist er?«
»Er war leitender Sportredakteur beim Towncrier. Letztes Jahr ist er zurückgetreten ... Jedermanns Vaterfigur, ein alter Freund von Bill.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?«
»Du lieber Himmel. Lassen Sie mich überlegen. Warum suchen Sie ihn?«
»Im größeren Zusammenhang mit der Vernichtung unseres Freundes von den Bändern.«
»Oh. Na ja, mal sehen. Er ist umgezogen. Er sagte, er wolle mit seiner Frau am Meer leben. Ich hätte ja angenommen, daß er da aushakt, aber die Geschmäcker sind verschieden. Worthing oder so was in der Richtung. Nein. Selsey.« Ihre Stimme wurde fester. »Ich erinnere mich -Selsey in Sussex.«
»Phantastisch«, sagte ich. »Und Lord Vaughnley? Wo wohnt der?«
»Vorwiegend am Regent’s Park, in einer von den Nash-Terrassen. Sie haben auch ein Haus in Kent, bei Seven-oaks.«
»Könnten Sie mir das genau sagen?« fragte ich. »Ich meine ... ich würde ihm gern schreiben, um mich für die Towncrier-Trophäe zu bedanken und überhaupt für seine Unterstützung.«
»Klar«, sagte sie leichthin und gab mir seine beiden Adressen einschließlich der Postleitzahlen, sogar die Telefonnummern fügte sie noch hinzu. »Die brauchen Sie vielleicht, sie sind nicht verzeichnet.«
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