Kelly Skinner
Break free - Break down
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Inhaltsverzeichnis
Titel Kelly Skinner Break free - Break down Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum neobooks
Kelly Skinner
Break free
Break down
EgoLibera Edition Literatur
Impressum:
Copyright by
Kelly Skinner/EgoLiberaVerlag 2018
Einbandgestaltung: Walt H. Johnson
Jede Vervielfältigung des Textes sowie von Textpassagen ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verlages zulässig.
Alle Rechte vorbehalten.
1. Auflage
Printed in Germany
www.egolibera.at
Das Badewasser wird langsam kalt. Bereits zum dritten Mal lasse ich ein wenig davon den Abfluss hinunter und fülle heißes Wasser nach. Obwohl ich bereits seit mehr als einer Stunde in der Wanne liege, habe ich nicht das Bedürfnis, diese zu verlassen. Ich fühle mich im heißen, respektive sehr warmem Wasser wohl. Es hüllt mich schützend ein, als wäre ich wieder in der Gebärmutter. Hier kann mir nichts passieren. Zumindest rede ich mir das in diesen Minuten ein.
In Wahrheit bin ich so verletzlich wie auf dem Trockenen; so verletzlich wie immer. Und im Moment bin ich sehr verletzlich.
Die Fliesen sind durchgehend beschlagen und an einigen Stellen laufen bereits einzelne Tropfen die Wand entlang in Richtung Fußboden. Auch das Fenster ist blind und auf dem inneren Fensterbrett bilden sich bereits kleine Pfützen aus Kondenswasser. Auch hier laufen vereinzelt Tropfen das Glas entlang und vereinen sich mit anderen auf dem Fensterbrett. Ihre Oberfläche spiegelt sich im flackernden Licht der wenigen Kerzen, die ich entzündet habe.
Die Welt vor dem blinden Fenster ist dunkel geworden, weshalb meine Welt an der Scheibe endet. Genauso wie mein Leben an dieser Scheibe endet. Ich schließe meine Augen und tauche unter. Ich möchte nicht die Grenze meines Lebens sehen, denn sie macht mir in diesem Moment ziemlich zu schaffen. Seit einiger Zeit steht sie ständig vor mir, egal, wohin ich auch gehe. Sie ist immer da. Und ich weiß, dass es an der Zeit ist, diese Grenze zu überschreiten. Dass es eigentlich schon lange überfällig ist, die Fensterscheibe nicht nur vom Dunst zu befreien sondern das Fenster zu öffnen und hindurch zu steigen. Jenseits der Grenze neue Erfahrungen zu machen. Und doch liege ich noch in der Wanne und tauche unter.
Ganz leicht nur bewege ich meinen Körper, sodass sanfte Wellen entstehen, die mich vorsichtig schaukeln. Mein Geist löst sich in Nichts auf und ich bin nur noch. Ich spüre kein Gewicht und keine belastenden Gedanken. Mir fehlt nur noch die Nabelschnur.
Doch langsam wird die Luft knapp und ich erhebe meinen Kopf an die Oberfläche. Nur die Nase lugt über den Wasserspiegel und saugt gierig die warme, träge Luft ein. Ich atme, also lebe ich. Oder sollte ich sagen, existiere ich?
Langsam tauche ich wieder aus der Mutterbauchwelt auf und spüre den harten Rand der Badewanne. Ich lausche, doch das Haus ist vollkommen still. Nichts bewegt sich. Mein Mann Harold wird vor dem Fernseher sitzen oder die Zeitung lesen.
Kathrin ist ausgegangen und wird heute nicht mehr nach Hause kommen. Sie ist mit einer Freundin unterwegs, mit der sie sich in zwei Monaten eine kleine Wohnung teilen möchte. Dann ist auch sie weg.
Carlo ist bereits vor einem Jahr ausgezogen, als er mit seinem Magisterstudium fertig war. Er hat sofort einen gut dotierten Job bekommen und ist nun ein selbständiger Mann.
Wie schnell doch die Zeit vergeht! Vor kurzem war er noch der keine, hilfsbedürftige Junge mit dicken Windeln und einer ständig laufenden Nase. Heute, drei Tage später, ist er Jurist mit großen Plänen und umwerfendem Aussehen. Er wird schon einen guten Weg machen; davon bin ich fest überzeugt. Jedenfalls wünsche ich es ihm mit jeder Faser meines Herzens.
Kathrin war nie so ehrgeizig, hat aber die Lehre zur professionellen Fotografin abgeschlossen und hält sich mehr schlecht als recht über Wasser. Die Jungs fliegen ihr leider nicht gerade in Scharen zu, weshalb sie beschlossen hat, mit ihrer Freundin eine Wohnung zu teilen. Unser Haus, das immer für pure Lebendigkeit gestanden hat, ist in Kürze leer. Und das spüre ich bereits jetzt.
Die Dunkelheit der einbrechenden Nacht wirkt plötzlich bedrohlich und aus den zuvor heimeligen Kerzenflammen formen sich listige Augen, die mich beobachten. Sie werfen gefährliche Schatten an die Wände und das dunkle Wasser scheint mich in Abgründe ziehen zu wollen.
Beinahe panisch stehe ich auf und steige aus der Badewanne. Noch mit nassen Händen gebe ich den Deckenflutern klatschend den Befehl, den Raum zu erhellen um die listigen Augen sowie bedrohlichen Schatten zu verjagen. Jetzt ist es taghell und die dunklen Schatten haben meine Angst mit sich genommen. Erst verteilen sie Angst und wenn sie gehen, nehmen sie sie wieder mit. Sie sind ebenso wenig greifbar wie die Angst selbst und bestimmen doch in gewissem Maß unser Leben.
Im Licht fühle ich mich ein wenig verloren, weil meine Gedankenwelt jäh durchbrochen wurde. Mit dem Rücken lehne ich mich an die feuchten, kühlen Fliesen und schließe meine Augen. Nach der Hitze in der Wanne fühlt sich mein Körper nicht mehr gut an; mein Herz hämmert hektisch gegen die Rippen, mein Gesicht ist dunkelrot und ziemlich heiß. Vorsichtig spritze ich mir eiskaltes Wasser ins Gesicht. Die Prozedur lässt mich wieder klar im Kopf werden. Meinen Körper creme ich ohne anzusehen ein, ziehe ihn an und verlasse das Bad.
Im Raum hat sich der Dunst mit meinen Gedanken gepaart und beide möchten mit mir gehen. Doch ich schließe die Tür hinter mir und lasse beide zurück. Für heute habe ich genug nachgedacht.
Wie vermutet liegt Harold wieder einmal vor dem laufenden Fernseher und sieht sich wie immer eine langweilige Dokumentation an. Ich finde diese Serien zuweilen halbwegs interessant, aber es kommt immer auf die Dosis an. Schon Paracelsus wusste, dass allein die Dosis das Gift macht. Harold würde sich davon täglich eine Überdosis geben, würde ich nicht vehement darauf bestehen, jeden Abend einen Spielfilm anzusehen.
Doch auch von den Filmen habe ich bereits genug gesehen. Seit mehr als dreißig Jahren sehe ich beinahe täglich fern. Irgendwann reicht es und ich frage mich immer häufiger, ob wir die Zeit nicht anders verbringen könnten.
Doch wie immer sage ich nichts und setze mich. Harold sieht mich an und weiß, dass er einen anderen Sender suchen soll. Widerwillig macht er das auch. Bei Kanal siebenundachtzig frage ich ihn, ob wir nicht einmal etwas anderes machen könnten, als vor dem Fernseher zu sitzen und auf den Tod zu warten. Er sieht mich mit großen Augen an und scheint momentan sprachlos zu sein. „Wieso auf den Tod warten? Was meinst du damit?“
Offensichtlich war er von diesem Ausdruck ein wenig schockiert, was mich allerdings insgeheim amüsierte. „Na ja, wir sitzen doch täglich vor dem Fernseher und unternehmen nichts mehr anderes. Es ist an der Zeit, dass wir unser Leben wieder in die Hand nehmen und etwas daraus machen. Die Kinder sind mehr oder weniger selbst lebensfähig und somit ist unsere Aufgabe in diesem Bereich getan. Jetzt ist es so weit, wieder an uns selbst als Paar zu denken und unser Leben zu genießen.“
„Willst du damit sagen, dass du die Zeit mit den Kindern nicht genossen hast und die Erziehung nur eine Belastung für dich war? Willst du das damit sagen?“
Harolds Stimme ist etwas lauter geworden als vermutlich beabsichtigt.
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