»Seitdem haben Sie dann bei Maynard Allardecks Buchmacher gewettet ... als Stammkunde?«
»Na ja«, sagte Hugh unglücklich. »Er hat es mir so leicht gemacht, war immer so freundlich und anscheinend nie besorgt, wenn ich seine Rechnungen nicht zahlte.«
»Der Buchmacher muß erst noch geboren werden, der nicht hinter seinem Geld her ist.«
»Der hier war’s nicht«, sagte Hugh abwehrend. »Ich habe mich immer entschuldigt. Laß nur, meinte er, ich weiß doch, daß du mich eines Tages bezahlst, wenn du kannst, und gewitzelt hat er ... und mich wieder wetten lassen.«
»Er hat Sie wetten lassen, bis Sie stark verschuldet waren?«
»Ja. Mich ermutigt. Ich meine, wahrscheinlich hätte ich es wissen müssen, aber er war so freundlich, Sie verstehen. Den ganzen Sommer lang ... Flachrennen, jeden Tag ... per Telefon.«
»Und bevor das alles passierte«, sagte ich, »hatten Sie da oft gewettet?«
»Ich habe schon immer gern gewettet. Die Formen studiert. Die guten Sachen rausgepickt, so nach Gefühl. Viel gebracht hat es nie, aber wahrscheinlich ist alles Geld, das ich je hatte, auf Pferde gegangen. Hab andere am Totalisator für mich setzen lassen, als ich zehn war, und so weiter. Schon immer. Ich meine, natürlich hab ich auch oft gewonnen. Supergewinne, ziemlich oft.«
»Mm.«
»Auf dem Rennplatz wettet jeder«, sagte er. »Wofür geht man sonst hin? Ich meine, gegen ein Spielchen ist doch nichts einzuwenden, das tun sie alle. Es macht Spaß.«
»Mm«, sagte ich wieder. »Aber Sie haben jeden Tag gewettet, mehrere Wetten pro Tag, obwohl Sie nicht hingegangen sind.« »Irgendwie, ja.«
»Und dann, eines Tages«, sagte ich, »hörte der Spaß auf?«
»Beim Hove Stakes in Brighton«, sagte er. »Im September.«
»Was war damit?«
»Drei Renner. Slateroof absolut unschlagbar. Maynard Allardeck sagte mir das. Bedien dich, sagte er. Mach deine Verluste wett.«
»Wann hat er es Ihnen gesagt?«
»Wenige Tage vorher. Bei den Rennen in Ascot. Ich hatte meine Eltern begleitet, und er war zufällig auch da.«
»Und sind Sie nach Brighton gefahren?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Rief den Buchmacher an. Er sagte, einen günstigen Preis kann er mir nicht geben, Slateroof sei der Tip, das wüßte jeder. Fünf zu eins dafür. Wenn ich zwanzig setzte, könnte ich vier gewinnen.«
»Sie haben also zwanzig Pfund gewettet?«
»Nein.« Hugh sah überrascht drein. »Zwanzigtausend.«
»Zwanzig ... tausend.« Ich wahrte einen ruhigen Ton, nüchtern. »War das, ehm, zu der Zeit ein hoher Einsatz für Sie?«
»Ziemlich hoch. Ich meine, mit Fünfern kann man ja nicht viel gewinnen, oder?«
Man konnte aber auch nicht viel verlieren, dachte ich. »Was war normal?«
»Zwischen tausend und Zwanzigtausend. Ich meine, da kam ich so nach und nach hin. Ich gewöhnte mich dran. Maynard Allardeck sagte, man muß im großen denken. Ich hab mir nie überlegt, wieviel das eigentlich war. Es waren bloß Zahlen.« Er schwieg unglücklich. »Ich weiß, es hört sich blöd an, wenn ich das jetzt sage, aber mir kam das alles nicht real vor. Ich meine, ich mußte ja nie was berappen. Lief alles über Papier. Wenn ich gewann, fühlte ich mich riesig. Wenn ich verlor, hat es mich eigentlich nicht gekümmert. Sie werden das wohl nicht verstehen. Dad verstand es auch nicht. Es war ihm unbegreiflich, wie ich so dumm gewesen sein konnte. Aber mir kam es einfach wie ein Spiel vor ... und alle lächelten ...«
»Slateroof wurde also besiegt?«
»Er ist nicht mal gestartet. Er blieb plattfüßig in den Boxen stehen.«
»Ach ja«, sagte ich. »Ich erinnere mich. Davon habe ich gelesen. Es gab eine Untersuchung, und der Jockey erhielt eine Geldstrafe.«
»Ja, aber die Wetten standen natürlich.«
»Wie ging es dann weiter?« sagte ich.
»Ich bekam die fürchterliche Rechnung von dem Buchmacher. Er habe alles zusammengezählt, sagte er, und es scheine ein bißchen auszuufern und er hätte gern sein Geld. Ich meine, das Ding war seitenlang.«
»Eine Aufstellung von sämtlichen Wetten, die Sie bei ihm abgeschlossen hatten?«
»Ja, richtig. Gewinner und Verlierer. Viel mehr Verlierer. Ich meine, da waren einige Verlierer, auf die gesetzt zu haben ich mich gar nicht erinnern konnte, obwohl er schwor, ich hätte. Er sagte, er würde es mir anhand seiner Unterlagen nachweisen, aber er fände das ein kleinliches Ansinnen von mir, wo er doch so entgegenkommend und geduldig gewesen sei.« Hugh schluckte. »Ich weiß nicht, ob er mich beschummelt hat, ich weiß es einfach nicht. Ich meine, ich hab wirklich häufiger im gleichen Rennen auf zwei Pferde gesetzt, das stimmt, aber mir war nicht klar, daß ich es so oft getan hatte.«
»Und Sie selbst hatten nicht darüber Buch geführt, wieviel Sie gesetzt hatten und auf was?«
»Hab ich nicht dran gedacht. Ich meine, das konnte ich mir doch merken. Also ich dachte, ich könnte es.«
»Mm. Tja, was dann?«
»Maynard Allardeck rief mich zu Hause an und sagte, er hätte von unserem gemeinsamen Buchmacher gehört, ich sei in Schwierigkeiten. Ob er nicht helfen könne. Er fühle sich irgendwie verantwortlich, weil er mich sozusagen da eingeführt habe. Er sagte, wir könnten uns irgendwo treffen, und vielleicht könne er die eine oder andere Lösung vorschlagen. Also traf ich ihn zum Lunch in einem Restaurant in London, und wir besprachen alles. Er meinte, ich solle meinem Vater beichten und meine Schulden von ihm bezahlen lassen, aber ich sagte, das könnte ich nicht, er würde sich viel zu sehr ärgern. Dad hatte ja keine Ahnung, daß ich soviel spielte, er hielt mir immer Vorträge über den sorgsamen Umgang mit Geld. Und ich wollte nicht, daß er sich aufregt. Also, es klingt vielleicht albern, aber der Grund war nicht eigentlich Angst, sondern, na ja, so was wie Liebe eigentlich, nur ist das schwer zu erklären.«
»Ja«, sagte ich. »Erzählen Sie.«
»Maynard Allardeck meinte, kein Grund zur Beunruhigung, er könne verstehen, warum ich meinem Vater nichts sagen wollte, es werfe ein gutes Licht auf mich, sagte er, und er werde mir das Geld selber leihen, ich könnte es ihm dann langsam zurückzahlen, und er werde nur ein bißchen draufschlagen, wenn ich damit einverstanden sei. Und natürlich war ich einverstanden. Ich war so unheimlich erleichtert. Ich hab ihm tausendmal gedankt.«
»Und Maynard Allardeck hat den Buchmacher bezahlt?«
»Ja«, nickte Hugh. »Ich bekam eine Schlußabrechnung von ihm, wo drunterstand >Betrag dankend erhaltene, und einen Brief, in dem er schrieb, ich solle das Wetten am besten erst mal bleibenlassen, aber wenn ich ihn in Zukunft noch mal brauchte, stünde er mir wieder zur Verfügung. Na, ich fand das sehr nett und anständig, oder meinen Sie nicht?«
»Mm«, sagte ich trocken. »Und nach einer Weile hat Ihnen Maynard Allardeck dann erzählt, er sei selber in Geldnot und müsse den Kredit einfordern?«
»Ja«, sagte Hugh erstaunt. »Woher wissen Sie das? Er war so verlegen und voller Entschuldigungen, daß er mir fast leid tat, obwohl er mich schrecklich in die Klemme brachte. Schrecklich. Und dann schlug er einen Ausweg vor, der war so leicht . so einfach . wie wenn die Sonne aufgeht. Ich ahnte nicht, warum ich nicht von selbst darauf gekommen war.«
»Hugh«, fragte ich langsam, »was hatten Sie, das er haben wollte?«
»Meine Anteile am Towncrier«, sagte er.
Es verschlug mir den Atem. O mein Gott, dachte ich. Ist das die Möglichkeit?
Von wegen, die Sonne geht auf. So einfach, so leicht. Wieso war ich nicht von selbst darauf gekommen?
»Ihre Anteile am Towncrier ...«
»Ja«, sagte Hugh. »Die hatte mir mein Großvater vererbt. Ich meine, ich wußte nicht, daß ich sie hatte, bis ich einundzwanzig wurde.«
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