Er verabschiedete sich mit einem Minimum an Überschwenglichkeit von Carey, überging Ken vollständig, tat so, als hätte er Belinda überhaupt nicht wahrgenommen, dann machte er kehrt, ging zu einem blitzenden RollsRoyce und fuhr davon.
Carey beobachtete den Abgang mit undurchdringlicher Miene, dankte Ken für seine Nachsicht und entführte Belinda in Richtung des Containers. Sie ging zwar mit, blickte aber ein paarmal mißbilligend über die Schulter zurück, denn es gefiel ihr nicht, daß Ken auch nur eine flüchtige Beziehung zu jemandem außer ihr selbst unterhielt. Sie würde ein unglückliches Leben führen, dachte ich, wenn sie zu viele Zäune und Mauern errichtete.
Ken, der nichts davon mitbekam, sagte: »Warum trauen Sie Mr. Lees nicht?«
»Er benimmt sich, als wünschte er, die Stute wäre tot.«
Ken sagte langsam: »So könnte man’s wohl auch sehen. Meinen Sie ... wegen der Versicherung?«
»Kann ich nicht sagen. Es klang, als hätte er die Stute versichert, aber es käme darauf an, was er dringender braucht - die Versicherungssumme oder die Tiere.«
»Die Stute und das Fohlen«, sagte Ken ohne Zögern, da sie für ihn selbst unbedingt den Vorrang gehabt hätten. »Und auf das Geld ist er nicht angewiesen, er fährt schließlich einen Rolls. Im übrigen kann ich nicht glauben, daß jemand versucht, ein Pferd umzubringen, indem er ihm absichtlich etwas gibt, das seinen Darm verschließt -denn darauf wollen Sie doch hinaus, oder?«
»So naiv sind Sie doch nicht«, sagte ich.
»Dann will ich es eben nicht glauben.«
»Das ist nicht dasselbe.«
»Es stimmt schon«, sagte er nachdenklich, »daß mir ein Pferd, das eine Nadel verschluckt hat, noch nicht untergekommen ist.«
»Könnte man ein Pferd dazu bringen, gegen seinen Willen etwas zu schlucken?«
»O ja. Man verpackt das Teil in etwas Rundem und leicht Gleitendem, das sich im Verdauungstrakt auflöst, und wirft es praktisch dem Pferd in den Schlund, dann gibt man ihm sofort ein bißchen Körnerfutter oder was es sonst gern frißt. So wurden früher Medikamente verabreicht. Pferde können nicht erbrechen. Was sie einmal geschluckt haben, bleibt unten.«
»Unser Mr. Lees«, sagte ich, »hätte sich nicht träumen lassen, daß seine Frau wachliegt und der Operation zustimmt.«
»Nein.« Ken lächelte. »Das war ein Schock, was? Sie hörte sich keineswegs so an, als hätte sie ein Schlafmittel genommen. Ich bin ziemlich sicher, die hatte einen Mann bei sich. Ich habe seine Stimme gehört.«
Die Vorstellung von Lees als Hahnrei gefiel uns. Geschah ihm ganz recht.
Ken gähnte und sagte, da er theoretisch dienstfrei habe, werde er nach Hause fahren, um zu essen und zu schlafen. »Heute nacht Bereitschaft, morgen nachmittag frei. Ich habe Belinda versprochen, morgen mit ihr zum Pferderennen zu fahren. Haben Sie Lust mitzukommen?«
»Belinda würde sich bedanken.« »Was? Blödsinn. Schauen Sie mal, ob auch Vicky und Greg mitkommen wollen. Stratford-upon-Avon. Shakespeare und so, ist doch genau ihr Fall. Wir könnten alle mit meinem Wagen fahren. Warum nicht? Abgemacht also.« Er lächelte und gähnte erneut. »Ich mag Vicky. Tolles Mädchen. Im Cup der Schwiegermütter habe ich einen Treffer gelandet, meinen Sie nicht?«
»Doch«, stimmte ich zu.
»Schwein gehabt. Dafür ist Greg um so unwirklicher. Kaum mehr als ein Kleiderständer.«
Das traf es ganz gut, fand ich. »Er kann singen«, sagte ich.
»Können Amseln auch.« Kens Augen glitzerten. »Wir werden uns nie in die Wolle kriegen, Greg und ich, aber ich kann auch nicht mit ihm auf ein Bier in die Kneipe gehen.«
»Wo wir von Bier reden ...«
Ken sah auf seine Uhr und gähnte. »Die haben noch auf. Wie wär's? Stück Pastete und ein Halbes?«
»Einverstanden.«
Die Ausführung dieses kultivierten Vorhabens wurde jedoch verzögert durch einen Feuerwehrmann in voller Montur, der um die Ecke geschlendert kam und fragte, ob der Chef greifbar sei, da sie ihm »vorn« etwas zeigen wollten.
Ken holte Carey aus dem Container, und zu dritt tappten wir hinter dem Feuerwehrmann die Zufahrt hinauf, die ich am Abend vorher entlanggekommen war. Ich hielt im Vorbeigehen meine Hand an die Ziegelmauer: Sie war immer noch warm, aber nicht mehr wie ein Backofen.
Der Schauplatz »vorn« war einigermaßen geordnet, die meisten Fahrzeuge parkten am Straßenrand, und ein
Streifenwagen und ein großes glänzendes Löschfahrzeug hatten den Parkplatz für sich. Außerdem waren noch sechs Feuerwehrleute in feuerfester Kluft da und drei oder vier Polizisten in Marineblau, mit karierten Bändern an den Schirmmützen.
Als sie Carey Hewett erblickten, kam einer der Feuerwehrleute uns entgegen und gleich darauf auch ein Polizist. Es gab einiges Händeschütteln, gefolgt von ebensoviel Kopfschütteln, bevor sie damit herausrückten, daß nach Meinung der Feuerwehr das Feuer gelegt worden war.
Carey sah perplex drein.
»Brandstiftung«, sagte der Feuerwehrmann unverblümt.
»Ich verstehe schon«, sagte Carey, »ich kann es nur nicht glauben. Wie kommen Sie darauf?«
Der Feuerwehrmann erklärte mit kräftiger Stimme, in der Mundart von Gloucestershire, es sei zwar immer noch zu heiß da drin - er wies auf die ausgebrannten Mauern -, um sich alles genau anzusehen, aber sie hätten einige große Flaschen Reinigungsmittel gefunden. Fleckenentferner oder so etwas.
Diesmal sah nicht nur Carey perplex drein.
»Leicht entzündlich«, erklärte der Feuerwehrmann. »Das steht immer auf den Flaschen drauf.«
»Wir werden wohl Fleckenentferner gehabt haben«, sagte Carey verwirrt, »aber ich bin nicht darüber informiert, was alles im Putzmittelschrank steht.«
»Ja, nur handelt es sich hier um drei Flaschen - drei leere. Und wissen Sie, was? Wenn unser Freund einfach die Flaschen zerschlagen hätte, um an den Inhalt heranzukommen, wäre uns vielleicht nichts aufgefallen, aber diese Flaschen waren offen. Und sie standen auch nicht irgendwo im Schrank, wir haben sie gefunden, weil sie in dem großen vorderen Raum waren, in dem nach Auskunft einer Ihrer jungen Damen die beiden Sekretärinnen gearbeitet haben und in dem hauptsächlich Papier verbrannt ist, das die Hitze nicht so lange hält. Ein Stück vom Dach ist da schräg nach innen gegen die Wand gestürzt, so daß wir glücklicherweise Zugang erhalten haben.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Carey.
Der Feuerwehrmann setzte den wissenden Blick von jemandem auf, der es häufig mit Gaunereien zu tun hat.
»Wir sind doch Fachleute, Sir, was Brände betrifft. Daß unser Freund die Flaschen nicht wieder zugeschraubt hat, ist ein geradezu klassischer Fehler. Sie würden staunen, wie oft wir unverschlossene Benzinkanister finden. Feuerteufel haben es immer so eilig, daß sie das Zudrehen vergessen. Dann ist da noch die Farbe. Die Räume wurden gerade frisch gestrichen, ja? Und ein Teil des Balkenwerks lackiert?«
Carey nickte.
»Nun, Sir, wir haben hier Farbeimer ohne Deckel, Lackdosen ohne Deckel, und gute Handwerker lassen nichts Leeres herumstehen, und ganz bestimmt lassen sie Töpfe, in denen noch Farbe ist, nicht ohne Deckel herumstehen.«
Carey sagte überlegend: »Jemand meinte, es seien Farbdosen explodiert.«
»Sieht ganz danach aus«, nickte der Feuerwehrmann. »Aber soweit wir bisher feststellen können, waren diese Dosen alle noch da, wo die Maler sie abgestellt hatten -sie lagen nicht in Ihrem Büro herum.«
»In meinem Büro?« wiederholte Carey. »Wie, in meinem eigenen Büro? Ich verstehe nicht.«
»Ihre junge Angestellte hat uns einen Grundriß gezeichnet.«
Der Feuerwehrmann langte in seine Uniform und zog ein zerfleddertes Stück Papier hervor, das er Carey aufgefaltet hinhielt.
»Ist dort nicht Ihr Büro gewesen? Vorne links in der Ecke?«
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