«Herring«, meinte ich ehrfürchtig.
Norman Updikes Lächeln wurde noch breiter.»Ich sehe, Sie kennen sich aus. Das ist einiges wert, das Bild.«
«Eine ganze Menge«, stimmte ich bei.
«Ich glaube, da habe ich einen guten Fang gemacht. Die Galerie meint, das ließe sich jederzeit mit Gewinn verkaufen.«
«Darf ich mir ansehen, wie es gemalt ist?«fragte ich höflich.
«Bitte sehr.«
Ich ging näher ran. Es war sehr gut. Es sah wirklich nach Herring, gestorben 1865, aus. Aber irgendwie sah es auch nach dem pingeligen Renbo aus. Nur mit dem Mikroskop und einer chemischen Analyse konnte man das klären.
Ich trat zurück und schaute mich im Zimmer um. Sonst sprang nichts Wertvolles ins Auge, und die wenigen anderen Bilder waren Kunstdrucke.
«Sehr schön«, sagte ich bewundernd, wieder dem Herring zugewandt.»Der Stil ist unverkennbar. Ein wahrer Meister.«
Updike strahlte.
«Sie sollten sich vor Einbrechern hüten.«
Er lachte.»Hörst du, was der junge Mann sagt, Zuckerl? Wir sollen uns vor Einbrechern hüten.«
Zuckerls Augen schenkten mir zwei Sekunden unwillige Beachtung und kehrten zum Bildschirm zurück.
Updike klopfte Sarah auf die Schulter.»Ihr Freund braucht sich wegen Einbrechern keine Sorgen zu machen.«
«Wieso nicht?«fragte ich.
«Das ganze Haus ist mit Alarmanlagen gesichert«, strahlte er.»Keine Sorge, ein Einbrecher käme nicht weit.«
Auch Jik und Sarah blickten sich im Zimmer um und sahen kaum etwas, das sich zu stehlen lohnte. Mit Sicherheit nichts, was Alarmanlagen im ganzen Haus rechtfertigte. Updike beobachtete uns, und sein Lächeln wurde breiter.
«Soll ich den jungen Leuten unsere Schätze zeigen, Zuckerl?«fragte er.
Zuckerl gab ihm nicht mal eine Antwort. Aus dem Fernsehen kam Konservengelächter.
«Das würde uns sehr interessieren«, sagte ich.
Er war sich der Bewunderung für das, was er uns zeigen wollte, so sicher, daß er schon vorher selbstzufrieden grinste. Mit zwei, drei Schritten war er bei einem der großen Einbauschränke und riß schwungvoll die Flügeltür auf.
Im Innern waren ein halbes Dutzend tiefe Fächer, vollgestellt mit aufwendigen Jadeschnitzereien. Hellrosa, cremeweiß und hellgrün, glatt, poliert, kunstvoll und teuer; jedes Stück stand auf einem robusten schwarzen Sockel. Jik, Sarah und ich gaben beifällige Laute von uns, und Norman Updike strahlte um so mehr.
«Hongkong natürlich«, sagte er.»Ich habe dort jahrelang gearbeitet, müssen Sie wissen. Hübsche kleine Sammlung, was?«Er ging zum nächsten dunklen Schrank und zog wieder die Flügeltür auf. Im Innern weitere Fächer, weitere Schnitzereien.
«Von Jade verstehe ich leider nicht viel«, sagte ich entschuldigend.»Ich kann Ihre Sammlung gar nicht voll würdigen.«
Er erzählte uns mehr über die kleinen Kostbarkeiten, als wir eigentlich wissen wollten. Sie waren in den vier Schränken im Wohnzimmer untergebracht, aber auch im Schlafzimmer und in der Diele.
«In Hongkong konnte man Jade sehr billig kaufen«, sagte er.»Und ich war über zwanzig Jahre dort.«
Jik und ich wechselten Blicke. Ich nickte leicht.
Schon gab Jik Norman Updike die Hand, legte den Arm um Sarah und erklärte, wir müßten gehen. Updike sah fragend zu Zuckerl hinüber, die immer noch am Fernseher klebte und auf die Rolle der Gastgeberin pfiff. Als sie keine Anstalten machte, in unsere Richtung zu blicken, zuckte er gutmütig die Achseln und kam mit uns zur Haustür. Jik und Sarah gingen hinaus, sobald er sie geöffnet hatte, und ließen mich mit ihm in der Diele allein.
«Mr. Updike«, sagte ich.»Wer hat Ihnen in der Galerie den Herring verkauft?«
«Mr. Grey«, antwortete er prompt.
«Mr. Grey… Mr. Grey…«Ich runzelte die Stirn.
«Ein netter Mann«, nickte Updike strahlend.»Ich sagte ihm, daß ich von Bildern wenig verstehe, aber er hat mir versichert, dieser Herring würde mir ebensoviel Freude bereiten wie meine Jadesammlung.«
«Sie haben ihm von Ihrer Sammlung erzählt?«
«Natürlich. Ich meine… wenn man von einer Sache nichts versteht, na ja… dann zeigt man eben, daß man sich dafür mit etwas anderem auskennt. Ist doch nur menschlich, oder?«
«Ganz menschlich«, stimmte ich lächelnd bei.»Wie hieß noch mal Mr. Grey s Galerie?«
«Was?«Er stutzte.»Ich denke, er hat Sie auf mein Bild hier hingewiesen?«
«Ich gehe in so viele Galerien, daß ich dummerweise vergessen habe, welche es war.«
«Ruapehu Fine Arts«, sagte er.»Ich war letzte Woche unten.«
«Unten…?«
«In Wellington. «Sein Lächeln kippte.»Also was hat denn das zu bedeuten?«Argwohn huschte über sein rundes Gesicht.»Weshalb sind Sie hergekommen? Ich glaube, Mr. Grey hat Sie gar nicht geschickt.«
«Nein«, gab ich zu.»Aber wir führen nichts gegen Sie im Schilde, Mr. Updike. Mein Freund und ich sind wirklich Maler. Und… nachdem wir jetzt Ihre Jadesammlung gesehen haben, halten wir es wirklich für angebracht, Sie zu warnen. Wir haben von mehreren Leuten gehört, die Bilder gekauft haben und bei denen kurz darauf eingebrochen wurde. Ich an Ihrer
Stelle würde mich vergewissern, ob der Einbruchsalarm, den Sie hier haben, in einwandfreiem Zustand ist.«
«Aber… du meine Güte…«
«Da ist eine Bande am Werk«, sagte ich.»Die gehen Bilderkäufen nach und brechen bei den Käufern ein. Wahrscheinlich nehmen sie an, wer sich einen Herring oder so etwas leisten kann, hat auch noch andere wertvolle Sachen im Haus.«
Er sah mich an, als ginge ihm ein Licht auf.»Junger Mann, wollen Sie damit sagen, weil ich Mr. Grey von meiner Sammlung erzählt habe…«
«Sagen wir mal«, erwiderte ich,»es wäre ratsam, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.«
«Aber… für wie lange?«
Ich schüttelte den Kopf.»Das weiß ich nicht, Mr. Updike. Vielleicht für immer.«
Sorge stand auf seinem runden, gemütlichen Gesicht.»Und warum haben Sie sich die Mühe gemacht, hierherzukommen und mir das alles zu erzählen?«
«Um dieser Bande das Handwerk zu legen, würde ich noch viel mehr tun.«
Da er noch einmal fragte, warum, sagte ich es ihm.»Mein Cousin hat ein Bild gekauft. Dann wurde bei ihm eingebrochen. Seine Frau hat die Einbrecher gestört und wurde umgebracht.«
Norman Updike sah mir aufmerksam ins Gesicht. Ich hätte meinen ungebrochenen Zorn nicht vor ihm verbergen können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ihn schauderte.
«Bin ich froh, daß Sie hinter mir nicht her sind«, sagte er.
Ich brachte ein Lächeln zustande.»Mr. Updike… seien Sie vorsichtig. Eines Tages kommt dann vielleicht die Polizei zu Ihnen und fragt, wo Sie das Bild gekauft haben… Wenn es nach mir geht, kommt sie bestimmt.«
Das runde Gesicht lächelte wieder, ruhig und gefaßt.»Ich werde sie erwarten«, sagte er.
Jik brachte uns von Auckland nach Wellington; acht Stunden mit dem Wagen.
Wir übernachteten in einem Motel in Hamilton, südlich von Auckland, und fuhren am Morgen weiter. Niemand folgte, belästigte oder bespitzelte uns. Alles in allem war ich mir sicher, daß man uns in Auckland nicht abgepaßt hatte und daß niemand von unserem Besuch bei den Updikes wußte.
Wexford konnte sich allerdings denken, daß das Kundenverzeichnis Übersee in meinen Händen war, und er wußte, daß es mehrere neuseeländische Adressen enthielt. Welcher davon ich einen Besuch abstatten würde, konnte er nicht ahnen, doch er würde sicher davon ausgehen, daß mich die Adressen mit dem Kennbuchstaben W direkt zu der Galerie in Wellington führten.
Also würde er dort auf mich warten…
«Du siehst furchtbar grimmig aus, Todd«, meinte Sarah.
«Entschuldigung.«
«Woran hast du gedacht?«
«Nur an die nächste Möglichkeit zum Mittagessen.«
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