Ich lächelte schief.»Dann hätte er vor verdammt vielen Leuten damit herumwedeln müssen.«
«Das hätte ihn vielleicht nicht gehindert.«
«Mag sein… aber er war auch weit von der Tür weg. «Ich kaute an meinem Daumennagel.»Ehm… woher wußte er denn, daß ich im Hilton war?«
Eine spürbare Stille entstand.
«Von mir«, antwortete Sarah schließlich, mit einer Mischung aus Scham und Trotz.»Jik hat dir nicht alles erzählt. Es fing damit an, daß sie sagten… daß Greene sagte… sie würden mir das Gesicht verbrennen, wenn Jik nicht verrät, wo du bist. Das wollte er nicht… aber was blieb ihm sonst übrig? Also habe ich
es ihnen gesagt, damit er es nicht tun mußte… so blöd sich das jetzt auch anhört.«
Ich fand es im Gegenteil sehr anrührend. Wieviel Liebe sprach daraus — und wieviel Verständnis.
Ich lächelte sie an.»Zuerst wußten sie also nicht, daß ich im Hotel war?«
Jik schüttelte den Kopf.»Sie wußten wohl noch nicht mal, daß du in Melbourne bist. Sie waren überrascht, als Sarah sagte, du seist oben. Ich glaube, die wußten nur, daß du nicht mehr in Alice Springs im Krankenhaus warst.«
«Wußten sie von unserem Einbruch?«
«Bestimmt nicht.«
Ich grinste.»Die kriegen Krämpfe, wenn sie dahinterkommen.«
Jik und ich vermieden es tunlichst, daran zu denken, was passiert wäre, wenn ich geradewegs zu ihnen hinuntergelaufen wäre, aber ich sah ihm an, daß er es wußte. Da sie Sarah als Geisel hielten, hätte ich mit Greene das Hilton verlassen müssen und nur noch hoffen können. Hoffen können, daß man mich wider Erwarten noch einmal mit dem Leben davonkommen ließ.
«Ich habe Hunger«, sagte ich.
Sarah lächelte.»Futtern kannst du immer, hm?«
Wir aßen in einem kleinen B.Y.O.-Restaurant in der Nähe, wo sich die Gäste an allen Tischen darüber unterhielten, auf wen sie im Cup gesetzt hatten.
«Du liebe Zeit«, rief Sarah plötzlich.»Das habe ich ganz vergessen.«
«Was denn?«
«Du hast doch gewonnen«, sagte sie.»Du hast Ringwood gewettet.«
«Aber…«, setzte ich an.
«Er hatte die Elf.«»Ich fasse es nicht.«
Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein dickes Bündel Banknoten hervor. Irgendwie war es ihr gelungen, der brenzligen Situation im Hilton mit der cremefarbenen Ledertasche am Arm zu entkommen. Wie Frauen mit ihrer Handtasche verwachsen waren, hatte mich schon manches Mal verblüfft, jedoch nie mehr als heute.
«Er stand vierhundertzehn zu zehn«, sagte sie.»Zwanzig habe ich für dich gesetzt, du kriegst also achthundert Dollar, und ich finde das unerhört.«
«Teilen wir doch«, meinte ich lachend.
Sie schüttelte den Kopf.»Auf keinen Fall. Ich dachte offen gestanden, er sei ohne jede Chance, und nur um dich von deiner unmöglichen Wettmethode zu kurieren, habe ich einen Zwanziger auf ihn gesetzt, sonst hätte ich es bei zehn belassen.«
«Ich stehe sowieso bei Jik in der Kreide«, sagte ich.
«Das eilt nicht«, sagte er.»Wir rechnen später ab. Soll ich dein Steak schneiden?«
«Gern.«
Er schnitt es mir klein und schob mir den Teller mit bereitliegender Gabel wieder hin.
«Was gab es sonst noch auf der Rennbahn?«fragte ich und spießte den ersten saftigen Happen auf.»Wen habt ihr gesehen?«Das Steak schmeckte so gut, wie es aussah, und mir wurde bewußt, daß ich mich, auch wenn meine Blessuren noch schmerzten, nicht mehr wie ausgewrungen fühlte. Offenbar war ich wirklich auf dem Weg der Besserung.
«Greene haben wir auf der Rennbahn nicht gesehen«, sagte Jik.»Auch den Jungen und den Schrank nicht.«
«Aber sie werden euch gesehen haben.«
«Meinst du?«fragte Sarah.
«Ich nehme an, sie sind euch von der Rennbahn aus einfach zum Hilton nachgefahren.«»Heiland«, stöhnte Jik.»Wir haben nichts davon gemerkt. Da war ein Mordsverkehr.«
Ich nickte.»Und alles im Kriechtempo. Wenn Greene nur drei Wagen hinter euch war, konntet ihr ihn schon nicht mehr entdecken, aber er konnte euch gut im Blick behalten.«
«Tut mir wirklich leid, Todd.«
«Sei nicht albern. Außerdem ist nichts passiert.«
«Bloß, daß ich immer noch nichts zum Anziehen habe«, meinte Sarah.
«Du siehst blendend aus«, sagte ich zerstreut.
«Wir haben eine Frau getroffen, die ich aus Sydney kenne«, erzählte Sarah.»Die ersten beiden Rennen haben wir uns zusammen angeschaut und uns zwischendurch mit ihrer Tante unterhalten. Und als Jik dann wiederkam, haben wir mit einem Fotografen gesprochen, den wir beide kennen… es wird also, wie du es wolltest, leicht nachzuweisen sein, daß Jik den ganzen Nachmittag beim Pferderennen war.«
«Von Wexford habt ihr nichts gesehen?«
«Nicht, wenn deine Zeichnung stimmt«, sagte Sarah.»Dagewesen sein kann er natürlich trotzdem. Wer erkennt schon in so einem Trubel einen völlig Unbekannten anhand einer Skizze?«
«Wir haben mit allen möglichen Leuten geredet«, sagte Jik.»Mit jedem, den Sarah auch nur entfernt kannte. Immer unter dem Vorwand, ich sei ihr frischgebackener Ehemann.«
«Mit deiner Verabredung vom Samstag haben wir uns auch unterhalten«, ergänzte Sarah nickend.»Oder vielmehr, er hat uns angesprochen.«
«Hudson Taylor?«fragte ich.
«Der Mann, den du mit Wexford hast reden sehen«, sagte Jik.
«Er fragte, ob du auch da wärst«, sagte Sarah.»Denn dann hätte er sich gern noch mal mit dir unterhalten. Wir sagten, wir würden es dir ausrichten.«»Sein Pferd ist ganz gut gelaufen, oder?«sagte ich.
«Unser Gespräch war vorher. Wir haben ihm noch Glück gewünscht, und er meinte, das könne er gebrauchen.«
«Er wettet ganz gern«, entsann ich mich.
«Wer denn nicht?«
«Wieder ein Auftrag gestorben«, sagte ich.»Er wollte Vinery malen lassen, wenn er siegt.«
«Du verkaufst dich wie eine Hure«, sagte Jik.»Das ist ja schon unanständig.«
«Und außerdem«, ergänzte Sarah vergnügt,»hast du auf Ringwood mehr gewonnen, als du für das Bild bekommen hättest.«
Ich verzog das Gesicht, und Jik lachte.
Wir tranken Kaffee, kehrten zum Motel zurück und gingen auf unsere Zimmer. Fünf Minuten später klopfte Jik bei mir an.
«Komm rein«, empfing ich ihn an der Tür.
Er grinste.»Du hast mich erwartet.«
«Halbwegs.«
Er setzte sich in den Drehsessel und drehte sich. Sein Blick fiel auf meinen schmalen Koffer, der auf einer der Liegen lag.
«Was hast du mit den ganzen Sachen aus der Galerie gemacht?«
Ich sagte es ihm.
Er hörte auf zu kreisen und saß still.
«Du verlierst keine Zeit, was?«sagte er schließlich.
«In ein paar Tagen fahre ich nach Hause«, erwiderte ich.
«Und bis dahin?«
«Ehm… bis dahin will ich Wexford, Greene, dem Schrank, dem Jungmaler und den beiden Schlägern, die mich auf dem Balkon in Alice gestellt haben, immer einen Sprung voraus sein.«
«Nicht zu vergessen unseren Kopierkünstler, Harley Renbo.«
Ich dachte darüber nach.»Ihm auch«, sagte ich.
«Meinst du, das kriegen wir hin?«
«Wir nicht. Damit ist mal Schluß. Jetzt fährst du mit Sarah nach Hause.«
Er schüttelte bedächtig den Kopf.»Das wäre auch nicht sicherer, als wenn wir bei dir bleiben. Wir sind zu leicht zu finden. Schließlich stehen wir im Telefonbuch von Sydney. Was hindert denn Wexford, mit etwas Gefährlicherem als einem Feuerzeug bei unserem Boot aufzukreuzen?«
«Dann kannst du ihm ja erzählen, was ich dir gerade erzählt habe.«
«Und deine ganze Mühe wäre umsonst.«
«Manchmal muß ein Rückzug eben sein.«
Er schüttelte den Kopf.»Wenn wir bei dir bleiben, braucht es gar nicht dazu zu kommen. Wer wagt, gewinnt. Und überhaupt«- das alte Feuer funkelte in seinen Augen —,»das wird doch spannend. Katz und Maus einmal anders. Mit Katzen, die nicht wissen, daß sie Mäuse sind, und einer Maus, die weiß, daß sie eine Katze ist.«
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