«Leider ist das nicht Odin«, sagte er.»Wirklich schade. Ein schönes warmes Meer für die Bauchlandung wär jetzt nicht schlecht.«
Ich hatte dasselbe gedacht. Die Ölschicht auf den Scheiben wurde immer noch dicker.
«Sie haben etwa 100 Fuß Höhe«, funkte es mir ins Ohr.
«Die Landebahn ist direkt vor Ihnen. Können Sie den Boden wenigstens sehen?«
«Einen Scheiß kann ich sehen«, sagte Kris, was so nicht im Fliegerkodex stand.
Er drosselte das Tempo, um auf seine normale Landegeschwindigkeit zu kommen, und blieb auf Kurs.
Der Tower sagte:»Kurs halten… gut… Geschwindigkeit verringern… nein, beschleunigen Sie… so ist gut… langsamer… tiefer jetzt… geradeaus. Geradeaus, sagte ich… geradeaus.«
Mit Landegeschwindigkeit fliegend, setzten wir extrem hart auf und prallten in die Luft zurück, daß es uns sämtliche Knochen durchschüttelte und sogar die Augen aus den Höhlen treten wollten.
Unsere Fluggeschwindigkeit betrug laut Tacho 130 Stundenkilometer und verringerte sich zu stark. Bei 100 würden uns die Flügel nicht mehr tragen.
«Gas«, rief der Tower.»Gas… gerade halten… linkes Seitenruder.«
«Könnte ich bloß etwas sehen«, sagte Kris, dem die Zähne noch von der Erschütterung des Aufpralls knirschten.
«Gas. schneller.«
Kris gab Gas und hielt die Nase steif, und wieder setzten wir mit einem fürchterlichen Krachen auf, prallten aber diesmal von Gras, nicht von der harten Landebahn zurück und steuerten, Gott weiß, wohin, immer noch mit einem halsbrecherischen Tempo, das wir des Auftriebs wegen aber brauchten, um heil zu landen, und immer noch mit der rotgolden sinkenden Sonne in den Augen.
«Zum Teufel damit«, sagte Kris laut, nahm das Gas ganz weg, kappte die Treibstoffzufuhr und stellte den Motor ab, was auch ganz in Ordnung gewesen wäre, hätten wir die Räder am Boden gehabt statt gut und gern drei Meter Luft unter uns.
Normalerweise bestanden Kris’ Landungen aus einem sanften Dahingleiten mit hochgereckter Nase, dem ein federleichtes Aufsetzen am Boden folgte. Jetzt aber, bei dem beängstigend raschen Tempoverlust, der Kris kaum noch eine Möglichkeit der Steuerung ließ, knallten wir erneut auf den Boden und sprangen einmal, zweimal in die Luft zurück, wurden langsamer, langsamer, sprangen jedesmal weniger hoch, aber die im falschen Winkel aufsetzenden Räder blieben nicht unten.
Instinktiv zog Kris schließlich den Steuerknüppel ganz nach hinten, so daß sich die Nase hob, bis die Strömung abriß, und da wir keinen Auftrieb mehr hatten, kippte der Propeller des Flugzeugs vornüber und zog eine tiefe Furche ins Erdreich. Metall knirschte und schepperte, und zwei menschliche Körper wurden umhergeschleudert. Dann kam die Maschine beängstigend plötzlich und endgültig zum Stehen, wobei ihr Rumpf und ihr Höhenleitwerk schräg zum Himmel zeigten.
Das Öl glänzte und schillerte noch immer auf der Windschutzscheibe, das Glas war heil, die letzten rotgoldenen Strahlen der Sonne versiegten in unbewegtem Dämmerlicht.
Schweigen. Stillstand. Mir dröhnte der Kopf.
Es war eine wundersame Rettung und eine fliegerische Glanzleistung gewesen, und innerhalb einer Minute waren wir von Löschfahrzeugen, Krankenwagen, Streifenwagen und der halben Grafschaft Bedfordshire umringt, die den Funkverkehr auf der unseren Nöten vorbehaltenen,»eigenen «Frequenz mitgehört hatte.
Kris hatte durch die Wucht unseres letzten Aufpralls das Bewußtsein verloren und lag, vom Sicherheitsgurt gehalten, halb über dem Steuer. Ich selbst hatte ein heftiges Vor- und Zurückschnappen in der Brust gespürt, das mir zwar einen Moment lang die Orientierung, aber nicht das Bewußtsein nahm, so daß ich, als ich mich wieder zurechtfand, versuchte, die Tür zu öffnen, sie aber nicht aufbekam, da sie offenbar verbogen war.
Das warf mich auf vage Gedanken wie» Feuer «oder» Verdammt, diesmal haben wir zwei volle Treibstofftanks «und andere erbauliche Überlegungen ähnlichen Inhalts zurück, aber die Rettungsmannschaften draußen stemmten die Tür auf, hoben uns so vorsichtig wie zügig aus unserer vornübergekippten Kanzel heraus und neutralisierten die Treibstofflachen um sich und uns herum sofort mit Schaum.
Kris kam stöhnend zu sich, verstummte verblüfft, als er sein Stöhnen hörte, und grinste schwach. Kurz darauf, als die erste Pressekamera plus Mikrofon sich einen Weg durch die Uniformierten bahnte, galt sein Interesse schon nicht mehr dem Leben, sondern seinem demolierten Prachtstück, an das ihn niemand heranlassen wollte.
Ich hätte ihm sagen können, daß der sichtbare Schaden in gebrochenen Streben des Bugfahrwerks, drei geplatzten Reifen und rechtwinklig abgeknickten Propellerblättern bestand.
Jemand legte mir freundlich eine Decke um die Schultern, während ich da fröstelnd auf dem Rasen stand, und ich sah zu, wie Kris im Kampf gegen Krankenträger und andere Leute, die wohlmeinend seinen Tatendrang bremsten, unterlag.
Wahrscheinlich lag es in der Natur der Sache, daß die Frage, die sich zuallererst stellte, nämlich, wieso das Öl ausgelaufen war, so ziemlich als letzte geklärt werden konnte.
Aus irgendeinem Grund war ich gerade, wenn alles drunter und drüber ging, manchmal besonders klar im Kopf, und so fiel mir jetzt siedend heiß Kris’ Bekannter in White Waltham ein, der eigens für uns die dortige Landebahn ausgeleuchtet hatte. Unser nach unten gekommener Retter vom Kontrollturm Luton versprach netterweise, den Mann zu verständigen, was natürlich auch bedeutete, daß sich die schlechte und die gute Nachricht um so schneller herumsprechen würden und kein Dementi mehr etwas nützte. Jeder in White Waltham würde es weitererzählen, und alle würden sich einig sein, daß die Wetterfrösche neun, wenn nicht neunundzwanzig Leben hatten.
Als ihn die Sanitäter gegen seinen Willen davontrugen, legte mir Kris ans Herz, unbedingt (und sei es bis zum Schrottplatz) bei der Cherokee zu bleiben, denn nie und nimmer habe er bei seinen Sicherheitschecks das Öl übersehen; dann luden sie ihn, sosehr er auch protestierte, zum Weitertransport in einen Krankenwagen, aber ich wußte ja wirklich selbst, daß auf unserem Flug nach Doncaster vor wenigen Stunden mit dem Öl noch alles in Ordnung gewesen war.
Ich nahm die Decke von den Schultern, legte sie zusammen und gab sie den Rettungsleuten mit Dank zurück, dann schirmte ich mein allzu bekanntes Gesicht mit der Hand ab und wurde zu einem gaffenden Zuschauer unter anderen. Nicht nur Kris wollte Bescheid wissen, ich war auch selbst mehr als neugierig. Ohne die Funkpeilung und den Lotsen im Lutoner Tower und ohne die mit letztem Einsatz bewerkstelligte Bruchlandung von Kris hätte die BBC endgültig zwei Wetteransager verloren, noch dazu an einem klaren, wolkenlosen Abend.
Unweigerlich wurden Kris und ich schließlich namentlich bekanntes Nachrichtenfutter, aber ich blieb bei der Cherokee, bis der Kran kam, und dafür schenkte mir der aus dem Krankenhaus wieder entlassene Kris am nächsten Tag ein zerstreutes» Danke, Junge«, bevor er fragte, was ich herausbekommen hätte.
Ich sagte:»Als wir, ehm… gelandet sind, war kein Ölmeßstab im Motor.«
Er starrte mich grimmig an. Wir waren in meiner Mansarde, umgeben von den Sonntagszeitungen, die er mitgebracht hatte. Alle bis auf die Frühausgaben hatten uns auf der Titelseite plaziert, mit Bildern von der kopfüber gelandeten Kiste und unseren besten BBC-Gesichtern, und gingen bei der Gelegenheit ausführlich, aber nicht eben schmeichelhaft auf unseren kürzlich erst heil überstande-nen Hurrikanflug ein. Zwei Brüche in zwei Wochen waren übertrieben.
«Das war kein Pilotenfehler«, stellte Kris klar und ließ das heikle Thema Treibstofftanks von vornherein beiseite.
«Gestern morgen vorm Abflug hab ich den Ölstand geprüft, du warst dabei. Ich hab den Meßstab abgewischt, ihn in die Wanne gehalten, und sie war voll. Dann hab ich den Meßstab festgedreht, und auf dem Flug nach Doncaster lief kein Öl aus.«
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