«Also«, sagte sie und klopfte sich Schmutz von den Ellbogen,»es ist noch einer da, und zwar unter Lewis’ Transporter, aber er ist leer wie die anderen auch. Lewis! Dann waren wir heute also mit zwei versteckten Behältern in Lingfield — aber ich bin die ganze Zeit bei den Wagen geblieben, zur Empörung von Lewis, obwohl er dem Futtermeister ganz gut allein beim Satteln helfen konnte. Die brauchten mich eigentlich nicht, aber jetzt bin ich schlecht bei ihm angeschrieben. «Sie nahm es gelassen.»Niemand ist an die Wagen rangekommen, das schwöre ich. Niemand hat sich auch nur im geringsten für ihre Fahrgestelle interessiert.«
Ich dachte zurück.»Lewis’ Wagen war unterwegs nach Frankreich, als Jogger die Behälter Nummer zwei und drei fand. Lewis fuhr am Freitag los und kam Dienstag früh gegen zwei zurück.«
«Na bitte. Jogger hatte von Lewis’ Transporter nichts gewußt. Er war tot, bevor Lewis zurückkam.«
Harve fuhr in den Hof ein, die Kegel seiner Scheinwerfer hell in der zunehmenden Dunkelheit.
«Soll ich auch bei Harve nachsehen?«fragte Nina.
«Sobald es geht. Und bei allen, die noch ausstehen.«
«Okay. «Sie gähnte erneut.»Fahre ich morgen?«
«Isobel hat Sie wieder für Lingfield eingesetzt.«
«Ach, na ja… wenigstens kenne ich ja jetzt den Weg.«
Ich sagte zerknirscht:»Ich weiß noch nicht mal, wo Sie wohnen. Haben Sie weit zu fahren?«
«Bei Stow-on-the-Wold«, sagte sie.»Eine Stunde mit dem Auto.«
«Das geht ja noch. Hm… wie wär’s, wenn ich Sie irgendwo auf dem Nachhauseweg zum Essen einlade?«
«Ich bin nicht gerade zum Ausgehen angezogen.«
«Und ein Pub?«
«Ja, gut. Schönen Dank.«
Ich ging zu Harve hinüber, um ein Wort mit ihm zu reden, während er auftankte, und er freute sich über einen Sieger, den er nicht nur nach Wolverhampton gebracht, sondern auf den er auch gesetzt hatte. Der Begleiter des Pferdes hatte ihm gesagt, es sei ein sicherer Tip.»Da hat er ausnahmsweise recht gehabt.«
Als seine Tanks voll waren, bat ich ihn, mit ins Büro zu kommen, damit wir uns den Plan für den nächsten Tag ansehen konnten. Er kam sofort mit, und als ich mich umdrehte, sah ich, daß Nina die Gelegenheit nutzte, um das Fahrgestell seines Transporters in Augenschein zu nehmen.
Wir gingen die ziemlich volle Liste durch. Er selbst war für Chepstow eingetragen, eine seiner Lieblingstouren.»Gut«, sagte er. Ich erzählte ihm von den Hürdlern, die Benjy Usher übersehen hatte.»Wie der jemals einen Sieger auf die Beine stellt, ist mir schleierhaft«, meinte er.»Wohlgemerkt, er hat ein Mordsglück. Wer sonst hat im vorigen Sommer drei Rennen erwischt, bei denen sein Pferd allein am Start war? Hier in Pixhill ging doch so ein Bazillus um, wissen Sie noch? Die Classic-Trial-Altersgewichtsrennen sind sowieso bloß auf fünf oder sechs Starter zugeschnitten, und Mr. Usher ist immer scharf darauf, die zu gewinnen. Letztes Jahr hat er die Chester Vase gegen nur zwei Konkurrenten gewonnen. Weiß ich noch, weil ich den Sieger selbst gefahren hab, erinnern Sie sich?«
«Er hat seine Pferde schon immer gern für Rennen mit voraussichtlich sehr wenig Teilnehmern genannt«, stimmte ich zu.»Ich selbst habe mehrere Rennen mit zwei oder drei Pferden für ihn heimgeholt, meistens 3-Meilen-Jagdrennen.«
«Und er läßt die Ärmsten auch auf steinhartem Boden laufen«, fuhr Harve mißbilligend fort.»Ob die dabei lahm gehen, kümmert ihn anscheinend nicht.«
«Sie humpeln auf dem ganzen Weg zur Kasse.«
«Scherzen Sie nur«, wandte Harve ein,»er ist trotzdem ein miserabler Trainer.«
«Nächste Woche sollen wir einen Hengst von ihm aus Italien holen«, erinnerte ich ihn.»Isobel hat die Papiere und die Fähre für Montag bestellt.«»Einen niedergebrochenen Hengst«, sagte Harve abschätzig.
«Ehm.. ja.«:
«Wer fährt?«
«Was schlagen Sie vor? Er möchte Lewis und Dave haben.«
Harve zuckte die Achseln.»Tun wir ihm den Gefallen.«
«Ja, dachte ich auch.«
Auf der anderen Seite des Hofes tauchte Nina nach vollbrachter Inspektion wieder auf und schüttelte unübersehbar den Kopf.
Ich sagte zu Harve:»Erinnern Sie sich an die Kassette, die Jogger unter dem Neuner entdeckt hat? Ist Ihnen was eingefallen, wofür die gewesen sein könnte?«
«Darüber habe ich nicht nachgedacht«, bekannte er offen.
«Jogger hat doch noch zwei gefunden, und alle waren leer. Was immer da drin war, ist Schnee von gestern. «Er klang so unbesorgt wie eh und je.»Armer alter Jogger.«
Da Sandy mir im Vertrauen erzählt hatte, daß man bei der Untersuchung von Joggers Tod jetzt von Mord ausging, sagte ich Harve nichts davon. Es würde früh genug an den Tag kommen. Harve und ich gingen wieder zu seinem Transporter, und er blickte zu Nina hinüber, die gerade in der Scheune verschwand.
«Der Job überfordert sie«, bemerkte er nicht unfreundlich.
«Nach allem, was man hört, ist sie eine gute Fahrerin, aber Nigel sagt, sie ermüdet leicht.«
«Sie hilft ja nur aus«, sagte ich.»Eine Woche noch, wenn sich keiner mehr mit Grippe auf die Nase legt.«
Der zweite Transporter kam aus Wolverhampton zurück. Ich überließ Harve die Aufsicht für den Rest des Tages und hängte mich an Ninas Wagen, als sie Harve zuwinkte und zum Tor hinausfuhr. Nach einer halben Meile hielt sie an, um mir vorzuschlagen, ich solle ihr zu einem Eßlokal folgen, an dem sie täglich vorbeikam, und eine halbe Stunde später fuhren wir auf den dicht belegten Parkplatz eines Restaurants, in dem mehr Wert auf die gute, erschwingliche Küche gelegt wurde als auf den Ausschank.
Sie hatte die Haare gelöst und gekämmt und Lippenstift aufgelegt, so daß die Nina, mit der ich zu Abend aß, jünger aussah und wieder halb auf das Original hinauskam. Das Lokal war überfüllt, die kleinen Tische standen dicht beisammen. Wir orderten Steaks, Fritten und gebratene Zwiebeln, dazu eine Karaffe roten Hauswein und Cheddarkäse am Stück.»Gesunde Ernährung geht mir auf den Geist«, sagte Nina, die Sorgen um ihre schlanke Linie offenbar nicht kannte.»Haben Sie gehungert, als Sie Jockey waren?«
«Gegrillter Fisch und Salat«, sagte ich und nickte.
«Nehmen Sie etwas Butter. «Lächelnd reichte sie mir einen silbern verpackten kleinen Würfel.»Ich esse für mein Leben gern die falschen Sachen. Meine Tochter rümpft die Nase über mich.«
«Schwarzwälder Kirschtorte?«schlug ich vor und gab ihr die Speisekarte.
«So verrückt bin ich auch wieder nicht.«
Geruhsam tranken wir Kaffee, da wir es beide nicht besonders eilig hatten auseinanderzugehen.
Ich erzählte ihr, daß die Polizei glaubte, Jogger sei ermordet worden, und daß uns vielleicht jetzt nur noch Stunden blieben, um Lösungen zu finden, ehe man mit schweren Stiefeln über uns hinwegtrampelte.
«Sie sind ungerecht gegen die Polizei«, bemerkte sie.
«Das mag sein.«
«Aber zugegeben, die Lösung scheint so weit außer Sicht zu sein wie eh und je.«
«Laut Sandy Smith«, sagte ich,»kommt es darauf an, die richtigen Fragen zu stellen.«
«Nämlich?«
«Ja, eben — das ist der Punkt.«
«Überlegen Sie sich doch mal eine. «Lächelnd trank sie ihren Kaffee.
«Na schön«, sagte ich.»Was halten Sie von Aziz?«
«Bitte?«Sie war überrascht; fast, wie mir schien, aus der Fassung gebracht.
«Er ist merkwürdig«, stellte ich fest.»Ich weiß zwar nicht, wie er hinter meinen Schwierigkeiten stecken soll, aber er ist am Tag nach Joggers Tod auf dem Bauernhof erschienen, und ich habe ihm Bretts Stelle gegeben, weil er Französisch und Arabisch kann und in einer Mercedeswerkstatt gearbeitet hat. Meine Schwester findet aber, er ist viel zu clever für das, was er macht, und ich respektiere das Urteil meiner Schwester. Warum also arbeitet Aziz für mich?«
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