«Mein Mann hält einige Springpferde«, kam die Sängerin direkt zur Sache. In ihren gewöhnlichen Jeans und einem weiten, handgestrickten, cremefarbenen Pullover wirkte Cassidy Lovelace Ward mit ihren zerzausten blonden Locken und ihrem zartrosa Lippenstift gleichzeitig lässig und auf Wirkung bedacht — eine Mischung, mit der Mona auf ihre direkte Art ohne weiteres gut zurechtkam. Mona empfand eine Zuneigung für Cassidy, die nichts mit dem äußeren Glanz zu tun hatte. Cassidy, die das spürte, fühlte sich zu ihrer eigenen Überraschung geschmeichelt. Was die beiden Frauen in der anderen jeweils sahen, ohne sich dessen bewußt zu sein, war Herzensgüte.
Oliver Bolingbroke und seine Frau erklärten, daß sie vor kurzem ein paar Kilometer außerhalb der Stadt ein Haus mit Stallungen für drei seiner besten Pferde gekauft hätten. Mona, die aus der Zeitung davon wußte, nickte. Sie seien viel auf Reisen, erklärten die Bolingbrokes. Sie gehe auf Tourneen und gäbe Konzerte. Wenn sie beide unterwegs seien, wünschten sie, daß ein Pferdepfleger in der Wohnung sei, die sie in den Stallgebäuden einrichteten. Und wenn Oliver Bolingbroke mit seinen Pferden in größerer Entfernung oder im Ausland an Wettkämpfen teilnehme, solle der vertraute Pferdepfleger ihn und die Pferde begleiten.
Sie meinten, Mona sei zwar nicht mehr die Allerjüngste, aber sie würden sie trotzdem gern einstellen.»Ich möchte mein kleines Haus behalten«, sagte Mona sofort und meinte damit:»Ich will mir meine Unabhängigkeit bewahren.«
«Selbstverständlich«, stimmte Oliver zu.»Wann können Sie anfangen?«
So summte Mona also vor sich hin, während sie den Springchampion, einen Fuchs (und den stabilen, muskulösen Schimmel sowie den lebhaften zehnjährigen Star dieser Truppe, den braunen Gewinner einer olympischen Goldmedaille) striegelte, und sprach mit ihren Schutzbefohlenen auf die gleiche gutmütige Weise, wie sie mit den Ponys gesprochen hatte — und mit vielen anderen Pferden davor. Allerdings mußte sie sich traurig eingestehen, daß ihre drei Schützlinge dazu neigten, als Medaillengewinner etwas hochnäsig auf sie herabzusehen, als sei sie ihr Diener und nicht ihr Freund.
Mona in ihrer instinktiven Klugheit vergab ihnen bekümmert — genauso, wie sie auch keinen Groll gegen Joanie und Peregrine Vine hegte.
Diese beiden kamen (trotz ihres Schachzugs mit dem Rennen in Cheltenham) zu dem Ergebnis, daß ihr geheiligter Status in den erlesenen Zirkeln, die sie für sich erwählt hatten, durch Spott und Hohn irreparabel beschädigt war. Und so zogen sie noch einmal in eine andere Stadt um und stiegen wiederum in eine höhere Kaste auf, ohne noch jemals erwähnen zu müssen, daß Joanies Mutter knietief in Pferdedung arbeitete. (Pferdescheiße, wie Mona sagte.) Peregrine wurde Chefauktionator und legte sich für seine Klienten mächtig ins Zeug. Joanie trat einem Wohltätigkeitskomitee der Damen des Ortes bei und half bei der Organisation luxuriöser Wohltätigkeitsbälle.
Im Laufe der Wochen und Monate entwickelte Mona eine immer größere Zuneigung zu ihren Arbeitgebern, während sie deren Pferden gegenüber lediglich pflichtbewußt blieb. Oliver Bolingbroke fand an der Form seiner drei Pferde, die er geduldig Stunde um Stunde ausbildete, nichts auszusetzen. Ihn beflügelte und bestätigte ihre natürliche Arroganz geradezu. Kein anderer Pferdepfleger, dachte er dankbar, hatte in gleicher Weise dafür gesorgt, daß seinen Pferden die unabdingbare Eigenwilligkeit in solchem Maße erhalten blieb. Kein anderer Pfleger hatte seine Pferde jemals so siegentschlossen in einen Wettbewerb geschickt.
Oliver Bolingbroke behauptete sich weiterhin als einer der besten Reiter des Landes und bewahrte Stillschweigen über Monas Qualitäten — aus Angst, ein Konkurrent könne sie ihm abspenstig machen.
Cassidy Lovelace Ward ließ einen Dekorateur kommen, um die kleine Anderthalbzimmerwohnung, die man in einem leerstehenden Ende der Stallungen abgeteilt hatte, wohnlich einzurichten, aber Mona, die sich selbst bei geringster Andeutung von Luxus unwohl fühlte, kam lieber jeden Morgen mit ihrem quietschenden Fahrrad und fuhr abends damit zurück in die Unabhängigkeit ihres kleinen Häuschens. Cassidy ließ sie gewähren.
Cassidy wurde regelmäßig mit der schweren Limousine nach London ins Studio gefahren und widmete dort den größten Teil ihrer Zeit der Musik. Sie probte, sie machte Aufnahmen. Geduldig ließ sie Kostümanproben über sich ergehen und fand sich widerstandslos mit dem Chauffeur und dem Leibwächter ab, auf denen die vorsichtige Versicherungsgesellschaft in ihrem Fall bestand. Sie unterdrückte tausend gereizte Äußerungen.
Oliver wurde nicht chauffiert, sondern fuhr selbst einen starken, dunkelroten Range Rover mit Vierradantrieb zu Pferdeausstellungen, zu denen Mona mit den Pferden vorausgeschickt worden war. Er setzte seine Unterschrift in die Bücher zahlloser Fans, litt, wenn er nicht gewann, und ertrug alle Ängste der Perfektionisten.
Anders, als es ihr Ruf hätte erwarten lassen, widmeten Oliver und Cassidy die Zeit, die sie privat miteinander verbrachten, nicht nur endloser Liebe, sondern auch der Freiheit, einander in übellaunigen Streitereien anzuschreien. Sie brüllten sich des Geldes wegen oder aus Neid auf den Ruhm des anderen an — die Ursache war meist eine zu starke Anspannung bei ihrer Arbeit. Schon winzige Enttäuschungen konnten solche Szenen auslösen. Sie knallten Türen, sie warfen mit Vasen. Hätte jemand sie so erlebt, hätte er wissend genickt: Ja, die Tage dieser kaum glaubhaften Ehe waren vorüber. Aber sie waren es nicht. Der Zorn verrauchte. Oliver stampfte durchs Haus. Cassidy spielte lautstark Klavier. Und schließlich lachten sie wieder. Dieses schrille Auf und Ab der Emotionen hatte allerdings die Kündigung ihrer Köchin zur Folge, und um Ersatz bemühten sie sich nicht. Statt dessen ernährten sie sich von Fast food. Jeder Ernährungswissenschaftler wäre ohnmächtig geworden, aber Oliver ließ sich von seinen Pferden sicher über doppelte Oxer tragen, und Cassidy sang wie eine Nachtigall.
Mona traf sie eines Abends bei einem besonders heftigen Streit an. Sie hatte Oliver melden wollen, daß der Schimmel sich eine Sehnenentzündung zugezogen hatte. Mona stand baß erstaunt und stocksteif vor Schreck mit offenem Mund da und hörte sich das Gezeter an.
«Stehen Sie nicht einfach so beschissen da herum«, schrie Oliver sie an.»Machen Sie uns ein verdammtes Abendessen.«
«Sie ist nicht die abgewichste Köchin«, kreischte Cassidy.
«Aber sie kann doch ein paar verreckte Eier zusammenhauen, oder nicht?«
Also machte Mona Omelettes. Auf Einladung ihrer Arbeitgeber bereitete Mona drei Omelettes zu und verzehrte sie gleich mit ihnen zusammen am Küchentisch. Oliver grinste sie eine Weile an und lachte schließlich.
Ohne daß offiziell etwas besprochen worden wäre, kochte Mona seitdem von Zeit zu Zeit, während die beiden anderen gähnten und sich entspannten und immer weniger Anlaß fanden, miteinander zu streiten. Mona mit ihrem gerunzelten Landfrauengesicht, ihrem kompromißlosen Akzent, dem Stallgeruch, der ihren Kleidern anhaftete, mit all ihrer Ungeschliffenheit — Mona ließ irgendwie die Künstlichkeit des Lebens ihrer Arbeitgeber dahinschwinden und verhalf ihnen zu einem grummelnden Frieden, der bis zum Zubettgehen anhielt.
Mona nahm sie wie störrische Pferde, die ihrer Beschwichtigungskünste bedurften. Deren Ruhm in der Welt draußen bedeutete ihr nicht viel: Sie waren Oliver und Cassidy, ihre Familie. Oliver und Cassidy ihrerseits konnten sich ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen. Die drei gewöhnten sich an ein Ritual, das ihnen allen entgegenkam.
Joanie Vine und Peregrine beschlossen, auf Kinder zu verzichten, und zu dem Wust der vielen Gründe, die Joanie davon überzeugten, gehörte zweifellos das kleinherzige Vergnügen darüber, daß es Mona auf diese Weise verwehrt bleiben würde, jemals Großmutter zu sein. Und niemals würde sie — Joanie — irgendwelchem neugierigen und redseligen Nachwuchs Monas Existenz vertuschen müssen.
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