Bumm-bumm. Und Ecki fällt. Aus Versehen sozusagen. Ein roter Eisenbahner. Draußen auf der Chaussee … U-Boote tauchen ab im Kanal. Der Alte sitzt auf seiner Veranda und blickt auf den großen See, sollen sie planen auf der Jacht, erst einmal muss diese Übernahme abgewendet werden, vielleicht ein viel zu großes Wort, Attacken, Kanacken, Attacken , Männer aus der Stadt, Männer in die Stadt, keine Boote, keine Segel, dabei wird langsam Frühling, langsam Sommer, oder träumt er wieder von der falschen Jahreszeit? eine Decke liegt über seinen Knien, Hauptsache Kaschmir , und Ecki schmiegt seinen Kopf auf den Asphalt.
Ein Mann mit einer kleinen silbernen Pistole steigt wieder in die Limousine. Der Wagen verschwindet auf der leeren Chaussee. Hinterm Hafen und hinter den Gewerbegebieten kreuzen sich die Scheinwerfer auf der Autobahn. Ferne Raststätten. Scheidungsanwälte im Neonlicht. Blondinen am Naschmarkt. Kauderwelsch im dunklen Wagen. Die Fassade war das Ziel, die Scheiben waren das Ziel, Spiegel inklusive. Kollateralschaden kriecht über den Mittelstreifen. Bahnhof in den Wechseljahren. Lange her. In den Chefbüros der LB hängen neue moderne Bilder. Wenn man hinten rausgeht, sieht man die Kolonnen der Häuser. Freude, du schöner Funke. Ein nächtlicher Angler am Hafenbecken. Der Kanal endet in der Pampa. Die Million ist das Ziel. Ich sagte: schweigend. Hoch die Kannen. Der Körper kriecht aus der Kreidezeichnung. Farne der Urzeit. Sie finden Höhlen, tief unter dem Granit. Der Frisör ist gegenüber!
Mein Bein, mein Bein …, ein Fleischkrampf. Bye-bye, mein Sachsenland. Es geht um wichtigere Dinge. Geschäfte. Standhalten. Neuordnungen. Afghanistan. Halbvolle Geldpipelines. Der Angler weint am Hafenbecken. Reiner, lach doch mal . Dass vor über zehn Jahren die Computer überlebt haben, ist doch ein Wunder. Eine Runde Himbeerkleist! Wildgänse bilden ein V unter den Wolken. Süden, Süden, wo genau liegt der Süden? Im Prinzip haben wir uns alle lieb. Ein Junge in Uniform sitzt auf der Veranda und blickt auf den See. Junger Mann / what have you done.
Schusslinien werden umgeleitet. S-Bahnen halten am Arbeitsamt und fahren leer weiter. In den Bergen endet die Strecke. Sterben muss ich. Hauptsache heiter.
Ecki im Blitzlicht. Das blendet, ihr Assis! Ecki im Kühlhaus. Das ist kalt, ihr Assis. Sieht einen Diamanten bei seinem neuen Kumpel unter der Haut, nebenan. Vielleicht die falsche Jahreszeit. Türen brechen, Türen halten stand. Und der kleine Elch sitzt wieder auf dem Nachttisch, mal im Spiegelzimmer, mal im Billigzimmer, mal auf der Bar. Marktkämpfe, Machtwaage. Diskret …
Der Bohrer bohrt weiter. Die U-Bahn fährt unter der Stadt. Dildo 3 kippt um. Ecki geht über den Naschmarkt.
Der große Coup (Die langen Wege zwischen den Stationen)
Im Frühjahr neun, auf der Fahrt in die kleine Stadt G., wo er den Mann aus der Hauptstadt treffen wollte, las Hans verschiedene Zeitungen. Er war in einem dieser Regionalzüge unterwegs, die an jedem Dorf hielten, es war Vormittag, und über seine Zeitung hinweg beobachtete er die wenigen Leute, die zustiegen.
Er blätterte in der Galopprennzeitung, weil er seit einiger Zeit mit dem Gedanken spielte, sich ein Rennpferd zuzulegen. Ein alter Bekannter von ihm aus Berlin hatte seit mehreren Jahren Galopprennpferde in Hoppegarten im Training, die gewannen hin und wieder ein Rennen, und vor ungefähr einem Monat hatte der ihn angerufen und begeistert von dem jüngsten Erfolg eines seiner Pferde erzählt. Das hatte wohl ein sogenanntes Listenrennen gewonnen, da gab es mehr als zwölftausend Preisgeld für den Sieg. Hans war nur ein paarmal zu den Rennen gegangen, damals in Berlin, in den Hoppegarten oder nach Karlshorst zum Trab, ein bisschen zocken, ein bisschen saufen, und in den letzten Jahren nur am ersten Mai auf die städtische Rennbahn, immer viel los am Tag der Arbeit auf der Rennbahn der Stadt, auf der Tribüne mit Sekt und Fresserei, viel hatte er von der Materie nie verstanden, aber die Begeisterung seines alten Bekannten aus der Hauptstadt hatte ihn ein wenig angesteckt. Sein Bekannter hatte ihm erzählt, wie er regelmäßig die Stallungen besuchte, beim Training zusah, mit dem Trainer die Rennen plante. Irgendwas muss man ja machen, wenn man alt wird. Ruhe! wer flüstert denn da so einen Unsinn in meinem Nischel! Ist eher was für die Zukunft, dachte er, wenn ich mal kürzertrete. Ein Nischel ist ein Kopf . Er legte die Pferderennzeitung wieder weg, nahm sich die städtische Tageszeitung und blätterte und faltete und raschelte mit den Seiten. Er hatte einen Becher Kaffee neben sich auf den freien Sitz gestellt, den hatte er kurz vor der Abfahrt erst beim neuen Starbucks kaufen wollen, das in der alten Wartehalle aufgemacht hatte, war dann aber doch in die kleine Kaffeebude ein paar Meter weiter gegangen, als ihm einfiel, dass dort ja jetzt auch eine Kette drin war; die kleine Kaffeebude mit dem dunklen Winkel, in den er sich oft in den letzten zehn Jahren mit einem guten großen Americano und ein paar Zeitungen und Zeitschriften (Fußball, Boxen, Schach,»Der Spiegel«, Donald Duck) zurückgezogen hatte, war irgendwann in den letzten Monaten übernommen worden (später fand er heraus, dass diese Kette zahlreiche Filialen in ganz Deutschland betrieb und ein paar in Österreich), aber immer noch besser als das amerikanische Syndikat. Dummerweise hatten sie den Laden umgebaut, und sein dunkler Winkel war verschwunden. Er hatte von dort ein paarmal den kleinen Ex-Jockey gesehen, über den sie so einiges erzählten, der in den Abendstunden hereingeschlichen kam, knittriger Trenchcoat, sich ebenfalls einen Americano bestellte, aber meistens einen mittleren, Ist verrückt geworden, sucht seine Frau, nee, sein Mädchen, seine Tochter. Das war einige Jahr her. Lasst ihn in Ruhe, hatte AK ein paarmal, warum auch immer, gesagt. Freifahrschein . Sicher schon tot, der arme Kerl.
Alles wird syndikalisiert, dachte er, blätterte weiter in der Tageszeitung, schaute aus dem Fenster, die Strecke verlief in einem weiten Bogen um den See herum, er sah die Häuser und Villen der Vororte der Stadt, dabei schien es ihm, dass sie schon mindestens eine halbe Stunde fuhren, aber als er auf seine Glashütte blickte, sah er, dass es erst zwölf Minuten waren, er schaute dann nochmal auf sein Handy, da seine Glashütte angefangen hatte nachzugehen, erst ein, zwei Minuten, jetzt musste er jeden Morgen die Zeit korrigieren, er sah den See hinter den Bäumen, hinter den Häusern, irgendwo dort wohnte AK, und in der Nähe der berühmte Maler, dessen Bilder so viel wert waren und dessen Ausstellung im großen Museum er zusammen mit AK besucht hatte, wann war das gewesen, vor zwei Jahren? Er hatte oft überlegt, auch in diesen Vorort zu ziehen, wo die Reichen und Berühmten und die Bürger und die Politik wohnten, der ehemalige Oberbulle ja auch, ganz in der Nähe von AK. Aber Hans hatte andere Optionen. Und während der See aus seinem Blickfeld verschwand und das flache Land immer hügeliger wurde, versuchte er, sich an die Kartelltheorie zu erinnern, die ihm AK einmal erklärt hatte, oder war das der olle Graf? weil doch, und das war das Einzige, an das er sich jetzt erinnerte, während er langsam wegdämmerte, die Zeitung auf den Knien, weil es doch gar nicht so sehr die negative Bedeutung verdient, das Wort» Kartell«, weil es doch eine Übereinkunft von Regeln war, im Mittelalter, die alten Ritter, the last of the independents , die negativen Auswirkungen der Konkurrenzlosigkeit auf den Markt …
Er blickte aus dem Fenster, sah weite Felder, noch kahl im beginnenden Frühjahr, grüne Flecken dazwischen, Wälder, kleine Häuser und Gehöfte, wie in Brandenburg, dachte er, die Gegend um die Stahlstadt, entlang der Grenze, der Himmel wolkenbedeckt und ein Dämmerlicht über dem Land, als würde ein Regen aufziehen, und dann sah er auch den dunkelblauen Horizont im anderen Fenster gegenüber. Ein junges Mädchen saß dort, einen Kopfhörer über den blonden Haaren, sie bewegte die Lippen und beachtete ihn gar nicht, als er sie musterte. Der Schaffner musste ihn schon kontrolliert haben, denn er lief an ihm vorbei, blickte kurz zu ihm runter und nickte. Der Mann aus Berlin wusste nicht, dass er seinen Führerschein verloren hatte, wegen einer kleinen Delle und null Komma neun. Es war doch für beide am unauffälligsten, mit dem Zug zu reisen, keine Schatten, keine Kennzeichen, und kein Mensch würde vermuten, dass Verhandlungen auf dem Bahnhof der kleinen Stadt G. und in der kleinen Stadt G. am Arsch der Welt geführt wurden, wo es den längsten Bahnsteig Deutschlands gab, was aber nur Eisenbahnfreaks und Dauerpendler wussten, und wo Hans seit einiger Zeit eine Immobilie im Auge hatte, eine alte Villa, die Schlüssel hatte er einstecken, ein uralter Groß- oder Urgroßcousin von ihm wollte die Hütte verkaufen. Das erste Mal war er mit dem Auto nach G. gefahren, um sich mit dem Alten zu treffen, von dem er sich gar nicht sicher war, ob er wirklich mit ihm verwandt war, aber der kannte seinen Vater und war mit ihm verstritten und erzählte allerlei Geschichten über seine Urgroßmutter, an die konnte er sich erinnern; als er Kind war, in der Stahlstadt, haben sie sie ein paarmal in einem Nachbardorf besucht; auf dem Rückweg aus G. ist er in diesen Penner und seinen Skoda reingerutscht, ein sehr glatter Dezember, keine Chance, das mal eben unter der Hand zu regeln, Dann ruf eben die Bullen, Arschloch! , er hätte ihn wegdreschen und abhauen sollen, die Karre sofort nach Polen verkaufen …, aber er hatte keinen Bock mehr auf diesen ganzen Stress. Nun saß er also in der Eisenbahn, trank seinen Kaffee, schaute aus dem Fenster oder blätterte in seinen Zeitungen. Weit konnte es nicht mehr sein. Zeugin erhebt schwere Vorwürfe .
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