Und denn hat se dat uch genommen, und hat gesagt:»Danke.«
Und wie sie schon weiterwollte, sag ick denn noch:»Übrigens, du kannst uch ruhig ›Christian‹ zu mir sagen.«
Aber da hat se denn nix mehr gesagt und is weitergegangen, und ick sag noch:»Hast gehört?«, aber da war se denn schonn Ende weiter.
Weiber, ey! Muss man denn immer irgendwat Abgefahrnes anstellen, dat die sich ma für einen intressiern? Kann man doch uch nich die ganze Zeit. Und ick hab ja nu schon einiges gemacht, einiges» uffen Kerbholz«, wie mein Vadder sagt, muss der grade sagen! Man müsst ma wieder irgendwat richtig — Geiles machen, irgendwat. Bloß blöd rumkokeln und ma ne Hundehütte abfackeln, so wie Gniedeck, dat is ja Pipikram.
«Und sag ma, Ecki, haste da nu schon ma drüber nachgedacht?«
«Wat?«Wat will’n der jetz schon wieder, Wodrich? Könnt sich ma langsam vom Acker machen hier. Schleicht hier rum wien oller Uffpasser.
«Na wat ick dir letztens ma gesagt hab. Is schon n bisschen her, ick weiß. Na, weißt doch, ob de nich zu uns kommen willst.«
«Achso, dat.«
Mann, fängt der nu wieder damit an! Will er mir nu wieder uffn Sack gehn mit seine scheiß Kameradschaft, oder wat? Ecki, so einen wie dich können wir da gut gebrauchen! Na und! Soll ick mich nu uch noch geehrt fühln oder wat?
«Ja, und? Haste dich entschieden?«
«Wieso?«
«Wieso, wieso! Mann, Ecki, du musst doch wissen, ob de für oder gegen uns bist! Wen würdste denn wählen? Wenn jetz Wahl wär, mein ick. Ick denk doch ma, so wie wir alle, dat, wat wir alle wählen, oder? Dat dat ma wieder wat wird mit Deutschland, ne!«
«Ja, na logisch.«
«Na siehste. Und? Denn biste doch für uns. Wat andres würd ick dir uch nich raten, ha. Also kommste zu uns. Und so einen wie dich können wir da immer gebrauchen. Einen, der n bisschen mehr will als hier nur rumkokeln. Wat is’n dat überhaupt fürn Assi?«
«Ach, das’s bloß Gniedeck. Dat macht der immer. Dat kriegste dem nich abgewöhnt.«
«Na, den müsst ihr euch bloß ma orntlich vornehmen! Wat seid’n ihr für Saftsäcke hier? Der fackelt euch doch die Bude hier ab!«
«Na sag ick ja uch!«Siehste! Stefan sagt dat uch! Brauchen die sich gar nich uffregen, wenn ick ma wat sag!
«Nee, aber ma im Ernst, Ecki. Ick mein, dat wär doch wat! Wenn de sowieso noch nich weißt, watte nache Schule machst. Kommste erst ma zu uns. Wir geben dir denn schon Uffgaben! Da kannst dich druff verlassen!«
Wat grinst’n der jetz so dämlich? Der kann mich ma mit seim Scheiß. Ick bin doch nich blöd! Dat fehlte ja grade noch! Ick mein, ick bin ja uch dafür, für Ordnung und so, und dat die Ausländer wegkommen. Aber deswegen lass ick mich doch noch lange nich von Wodrich oder irgendsoeim die ganze Zeit rumkommandiern! Reicht schon, wenn der sich hier ab und zu ma uffspielt.
«Na, sag mir denn Bescheid, Ecki. Ick muss jetz ma los.«
Wird uch Zeit.
«Ey, Stefan, wart ma!«
Börner! Wat will der’n jetz noch?
«Wat is?«
«Na, weißt, Stefan, wegen de Kameradschaft.«
Mann, Börner, halt die Klappe!
«Wat is damit?«
«Na, weißt doch, ick hab doch letztes Ma gesagt, na weißt doch, dat ick da gerne, na, ob ick da nich mitmachen kann, Stefan.«
Wat? Ick glaub, ick werd nich wieder! Dem ham se doch echt int Gehirn geschissen, Börner!
«Kann ick mich gar nich dran erinnern.«
«Na, du hast doch gesagt, ihr könnt jeden gebrauchen.«
Na, bis uff Börner.
«Na, und, wat hab ick außerdem gesagt?«
«Aber ick hab doch jetz ne orntliche Jacke, hab ick mir extra gekauft, und meine Fingernägel sind uch kurz, hier, kannst gucken!«
Oh, Mann! Ick krieg die Krise!
«Na ja, lohnt bloß alles nix, wenn de dir weiterhin die Hosen vollscheißt! Oder wat stinkt hier so?«
Ha, dat is Wodrich! Nu haben se wieder alle wat zu lachen! So war der früher schon. Deswegen fand ick ihn ja uch gut. War ja mein Vorbild, sozusagen. Na ja. Wer kommt’n da angeschissen?
«Wer is’n dat da?«Wodrich hat den uch gleich gesehn. Das’s dieser Vogel aus Irland. Wat will’n der hier?
«Das der Enkel oder so von die olle Hanske, weißte, die jetz tot is. Die sind extra von Irland hergekommen.«
«Von Irland?«
«Ja. Sind bald wieder weg.«
«Na, würd ick denen uch empfehlen! Also, tschüß denn. Ey, Jacqueline, haste heut abend schon wat vor?«
Jacqueline! Mann, der hat dat echt druff. Aber wat kommt’n jetz dieser Typ direkt uff mir zu?
Da hatten sie ja erst mal was zu gucken. Und zu tuscheln, im Ernst, das ging sofort los, überhaupt nicht auffällig. Für Katharina und Katharina muss das der Schock schlechthin gewesen sein, die kriegten sich die ganze Stunde nicht wieder ein. Normalerweise dreht sich mir der Magen schon bei der Vorstellung um, Thema solcherart Konversation zu sein, aber diesmal war ich das genaue Gegenteil von not amused, und was da mein Herz so in Flatterei versetzte, war nur das mühsam unterdrückte Lachen, der Triumph war einfach zu groß, um sich noch irgendeinen Kopp zu machen. Na ja, konnte ich wenigstens mal was zur kollektiven Unterhaltung beitragen. Was von mir ja auch nicht direkt erwartet wird. Aber das war eindeutig zu viel: dass ausgerechnet unser hoher, und, nebenbei bemerkt, zum allgemeinen Anschmachten auserkorener Besuch aus Irland, Paul Ishley, ausgerechnet neben der in schulischen Belangen zwar ge-, ansonsten aber nicht weiter beachteten und zudem im Verdacht der Streberei stehenden Schülerin Romy Plötz Platz zu nehmen beliebte! Selbige war ja selber ganz verdattert für einen Moment. Bin ich ehrlich gesagt immer noch. Dabei war das schon gestern, in Kunst. Viola kam nicht, anscheinend krank, und ich freue mich schon, die Bank ganz für mich zu haben und nicht Violas Kontrollblicken auf meine stümperhaften Zeichenversuche ausgeliefert zu sein — wirklich, das ist wie bei diesen unerträglichen Leuten, die anderen ständig auf den Teller und jeden Bissen in den Mund gucken und dabei selbst das Essen vergessen, und schon plumpst einem die Kartoffel von der Gabel, und Viola kriegt auch nie was auf ihr Blatt in der Stunde, und wenn sie mal einen Strich zieht, radiert sie ihn sofort wieder weg, vielleicht aus Angst, jemand könnte ihn bemerken, ich schwanke in der Benennung ihres Stiles noch zwischen ›magersüchtig‹, ›bulimisch‹ oder schlichtweg ›geizig‹ — jedenfalls, da sitzt er plötzlich neben mir, Paul. Wir haben nur Kunst und Geo zusammen, weil sie ihn, in schicksalsimitatorischer Manier einem Zu-schön-um-wahr-zu-Sein vorbeugend, selbstverständlich nicht in meine Klasse gesteckt haben, und in Geo sitzt er so weit vor mir, dass ich nur seinen Hinterkopf angucken kann, wie damals im Bus. Damals? Es ist grade mal anderthalb Wochen her. Für die Zeit, die er hier weilt, wurde er in die a einsortiert, natürlich, die blöde a kriegt wieder alles in den Rachen gestopft, und mit der a ist das ja so: Entweder man ist in der a oder man schüttet tiefste Verachtung über sie aus. Schon in der Unterstufe war a-oder-b eine mindestens ebenso existenzielle Frage wie die, ob man Spinatesser oder Grützwurstesser ist — ich habe Studien darüber angestellt und bin zu dem von mir ohnehin vermuteten Ergebnis gekommen, wer Spinat mag, isst keine Grützwurst und umgekehrt, obwohl beides ja ungefähr die gleiche Konsistenz aufweist, weshalb ich überhaupt darauf verfiel; ich selber kann mir nichts Verabscheuungswürdigeres als Grützwurst vorstellen. Ich würde Paul ja gern fragen. Ja nur, um einen Verbündeten gegen die Grützwurst und einen weiteren Beweis für meine Theorie zu finden. Inzwischen glaube ich sogar, es den Leuten ansehen zu können, und Paul sieht mir ganz nach einem Spinatliebhaber aus. Aber er würde wohl nicht so recht die strengen Bedingungen meiner Studie erfüllen, die ja voraussetzt, dass beide Gerichte dem Probanden bekannt sind, und ich könnte Paul wohl nur dazu beglückwünschen, dass ihm der Anblick — ach, wenns nur das wäre — von Grützwurst bisher erspart geblieben sei, und es würde ja unweigerlich zu einer Verfälschung der Ergebnisse führen, wenn ich eine Entscheidung aufgrund meiner Beschreibung von Grützwurst von ihm verlangte, denn wer würde sich dabei nicht, schon halb von einem Brechanfall dritten Grades geschüttelt, sofort und für immer dagegen entscheiden? Oder, sei ehrlich, Romy, ist es nur, um nicht letztlich doch noch etwas gegen den desiderierten Liebhaber — des Spinats — in der Minusspalte auflisten zu müssen? Als ob das noch viel nützte. Vielleicht nützte es.
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