«Na, ick künn mi nich egalewech nieje Strümp köpen. Ick mööt de annern noch n bäätn schon’n.«
Er hat sie angeguckt. Aber das war nicht zu sehen in ihrem Gesicht, wie sie das meint.
«Verstoohst mi nich?«, hat Erna gefragt, und er hat mit dem Kopf geschüttelt und genickt und geschüttelt, und Erna hat noch mal gesagt, bloß anders:»Verstehst du mir denn nich?«, und er hat sie angeguckt, und sie hat» ach «gemacht und so mit der Hand.
Aber sie war nicht böse. Erna war nie böse, außer manchmal. Wenn er die Katzen mit reingenommen hat, wenn er sie unter seinen Pullover gesteckt hat, damit Erna das nicht gleich merkt, und sie dann mit reingenommen hat in Ernas Haus und dann so die Arme um seinen Bauch hatte, weil er doch die Katze festhalten musste, so ganz fest, weil die Katze die doofe nicht stillgehalten hat unter seinem Pullover, weil sie rauswollte, aber er konnte sie doch nicht rauslassen, weil, dann hätte Erna das doch sofort gemerkt. Und dann hat sie ihn gekratzt, so richtig doll am Bauch gekratzt, und er hat» aua «und» Scheiße «gesagt, und dann musste er sie rauslassen, das Biest, und dann hat Erna gemeckert und war böse.
Oder als er das mit den Streichhölzern probiert hat. Das Schnipsen, wie man das so wegschnipst, das Streichholz, und sich das dabei anzündet und dann mit dem Feuer durch die Luft fliegt. Wie man das so halten muss, die Streichholzschachtel und dadrauf das Streichholz so schräg mit dem Zeigefinger, so draufdrücken muss man das auf die Seite von der Streichholzschachtel, und wie man das dann so mit der andern Hand wegschnipst, dass das dann anfängt zu brennen, wie er das bei Stefan gesehn hatte.
«Na, kannst dat uch, Haha, kannste nich, wa?«, hat Stefan gesagt und so ein Streichholz zu ihm rübergeschnipst, dass ihm das fast ins Gesicht geflogen ist, das brennende Streichholz. Und dann hat Stefan ihm die Schachtel hingehalten, und er hat das auch probiert, aber er konnte das nicht, und das Streichholz ist einfach runtergefallen und hat gar nicht gebrannt. Und Stefan hat gelacht, und die andern.
«Zeig mal noch mal, Stefan«, hat er gesagt, und Stefan hat gesagt, gib her, und das noch mal gezeigt, wie das geht, und dann hat er das noch mal versucht. Aber das ging irgendwie nicht. Und dann noch mal, und da ist das Streichholz kaputtgebrochen, und alle haben sich totgelacht, ha ha ha ha ha.
«Noch mal, Stefan«, hat er gesagt. Stefan hat gesagt:»Wie heißt dat?«, und er wusste erst nicht, was Stefan meint. Und die andern oder irgendeiner hat gesagt:»Eh, Hanske, kannste nich ma ›bitte‹ sagen oder wat, müssen wir dir dat uch erst beibringen?«Und da hat er gesagt:»Bitte, Stefan, zeig mal noch mal, bitte«, und Stefan hat die Schachtel genommen und gesagt:»Kapierste ja doch nich. Mit deine Klofinger!«
«Pulste doch bloß in dein Arsch mit rum«, hat denn noch Mirko oder einer gesagt.»Stinker.«
«Gar nich«, hat er gesagt.»Selber Stinker.«
«Ey, pass bloß uff, sag ick dir! Hühnerficker!«
«Katzenficker!«
«Schwanzlutscher! Ey, der lutscht den Schwanz von Steegers Köter!«
«Welchen denn, hihi?«
«Na, welchen wohl!«
«Gar nich wahr«, hat er gesagt.
«Macht Spaß, Hanske? Is geil, wa? Is geil inner Kuhmuschi, wa? Pass uff, dat er dir nich verlorn geht da drin, dein lütter Pimmel!«
Und alle haben gelacht, bloß er hat geheult und ist dann gleich nach Hause gerannt. Aber als er das nächste Mal bei Erna war und die Streichholzschachtel da liegen sah auf dem Herd, da hat er das noch mal heimlich probiert, und immer wieder, bis die ganze Küche von Erna voll war mit Streichhölzern, bis Erna reinkam und gesagt hat:»Henry! Wat mookst du denn fürn Mess mit de ganzen Rietstickn? Sülln wi noch afbrennen hier?«Aber hatte ja gar keins gebrannt.
Oder mit dem Geld, das mit dem Geld, als sie das mitgekriegt hat. Da war sie gleich böse, ganz böse war sie da. Als sie reingekommen ist. Als sie vom Friedhof gekommen ist, und er dachte doch, dass sie noch auf dem Friedhof ist, noch länger, sonst hätte er das doch gar nicht gemacht. Wenn er das gewusst hätte. Dass sie nun gleich reinkommt. Und er war noch gar nicht fertig. Er stand da noch an ihrem Schrank, wo das Geld drin war, ganz hinten, hinter ihren Pullovern, das konnte man gar nicht sehen, aber er wusste ja, dass das da war. Und bloß er wusste das, und er hat das auch keinem erzählt, Stefan nicht und den andern nicht und gar keinem, sonst wären die vielleicht noch gekommen und hätten Erna das weggenommen. Vielleicht noch. Und Erna wusste gar nicht, dass er das weiß. Wo sie ihr Versteck hat, hinter den Pullovern. Das war doch babyleicht. Wenn sie ihm manchmal eine Mark oder zwei Mark gegeben hat, dann hat sie das immer aus ihrem Schrank geholt. Sie hat immer gesagt:»Teuw eis«, und da hat sie mit gemeint, dass er warten soll, in der Küche oder draußen, und dass sie ihm gleich Geld gibt, und dann hat er die Schranktür knarren gehört von dem Schrank in der Stube, und einmal ist er ihr hinterher, so ganz leise, ist er ihr hinterhergeschlichen, und da hat er das gesehn durch die Türritze, wo sie das herholt, und sie hat das gar nicht gemerkt. Und einmal, als sie weg war, ist er hin zum Schrank und hat den ganz leise aufgemacht, auch wenn gar keiner da war, aber trotzdem, und da war dann das Portemonnaie hinter den Pullovern. Und sie hat das gar nicht gemerkt. Sie hat ihm immer Geld gegeben, immer weiter, wenn sie» teuw eis «gesagt hat, gab das immer Geld, und als der olle Lehmann das mal gerufen hat nach ihm,»Teuw eis, ick waar di, teuw eis!«, als er bei dem im Garten einfach Himbeeren abgepflückt hat, hat er wirklich gewartet, bis der zu ihm hingehumpelt war, weil er dachte, es gibt nun Geld, aber dann gabs nur was mit dem ollen Lehmann seine Krücke, und er hat» aua «gesagt und ist ruckizucki weg aus dem Lehmann sein Garten. Aber bei Erna gab es immer Geld, und da hat er sich dann im Konsum was für gekauft, Brausetabletten mit Multivitamin, die haben immer so was Schönes auf der Zunge gemacht, fast so schön wie» Sowas«.
Hier kriegt er nie Brausetabletten, bloß andre, und die machen gar nichts auf der Zunge. Da hat er mal zu Oma gesagt, sie soll ihm welche mitbringen, Brausetabletten mit Multivitamin, und Oma hat ihm beim nächsten Mal welche mitgebracht, aber die haben sie ihm gleich weggenommen, und dann hat er geschrien, und dann haben sie ihm eine gegeben, aber mit Wasser, die Blödmänner, die ist da im Wasser dringeschwommen und hat das Schöne im Wasser gemacht und ist immer kleiner geworden und als er sie rausfischen wollte und sich in den Mund stecken, ist sie kaputtgegangen, die Blödmänner.
Erna hat auch immer Tabletten genommen, die waren in dem andern Schrank. Und dann ist immer eine Schwester gekommen und hat gesagt,»na, wie geht’t, Frau Mehling«, und hat die Tabletten rausgedrückt und in so eine Schachtel gelegt, in verschiedene Fächer, und eins war für morgens und eins für abends und eins für mittags und noch so eins, das stand da drauf, und das war so ein durchsichtiger Schiebedeckel. Da hat er immer bei zugeguckt, wenn er da war, und manchmal, wenn die eine da war, die er so gerne mochte, dann hat er gefragt, ob er die Tabletten rausdrücken darf, weil er das so gerne gemacht hat, und sie hat ihm dann gesagt, welche, und sie hat die dann in die Schachtel gelegt, und sie hatte immer so glitzerige Fingernägel. Die andre nicht, die war doof.
«Immer schön Oma Erna dadran erinnern«, hat die Nette gesagt.
«Ist gar nich meine Oma«, hat er gesagt.
«Trotzdem«, hat sie gesagt und ihm mit ihren Fingern mit den Glitzerfingernägeln in den Haaren rumgewuschelt.
Aber er hat Oma Erna gar nicht immer dadran erinnert. Manchmal hat er das vergessen. Manchmal einfach so nicht. Oma Erna hat das öfter vergessen, und dann gabs immer Mecker von der Doofen.»Frau Mehling, nee, soll Ihnen dat nu erst wieder schlecht gehen? Ick kann nix dafür, wenn Ihnen dat wieder schlecht geht!«
Читать дальше