Costin: „. . Therese Scharnagl. .“
Romy: „. . warum erzählt dir diese Frau das erst jetzt? Ich meine, das riecht doch nach einer faulen Sache, die da abläuft.“
Costin: „Also von irgendwelchen finanziellen Forderungen ist in dem Brief eigentlich nicht die Rede. Da steht nur, daß sie warten wollte, bis ihre Tochter, Wendy heißt die. .“
Romy: „Wendy! Ogottogott!“
Costin: „. . bis die 18 ist. Ihr Mann sei vor ein paar Jahren gestorben, da habe sie das sich schon überlegt, sei aber, Moment“ (nimmt Brief, liest), „bin aber dann zu dem Entschluß gekommen, die Volljährigkeit meiner beziehungsweise unserer Tochter abzuwarten.“
Romy: „Therese. Therese Scharnagl. Sagt dir der Name irgendwas? Ich meine, OK, die Vergangenheit ist die Vergangenheit, ich weiß ja selber, wie das ist, wenn du auf der Bühne stehst, da steht der oder in deinem Fall eher die süße Kleine mit dem engen Top und dem tiefen Ausschnitt und den Wahnsinnsmöpsen in der ersten Reihe und kann jedes Lied auswendig, danach steht die auch noch vor deiner Garderobe, keiner weiß, wie sie das geschafft hat, du gehst nachher noch was trinken mit ihr, bist von der Tour sowieso rallig wie ein Eichhörnchen, und schwupps hast du ne kleine Wendy an der Backe.“
Costin: „Also, der Name sagt mir echt null. Zero. Ich kann mich eigentlich an fast alles von damals erinnern, und vor allem gabs da immer Gummis, ich versteh das jetzt echt nicht. “ (Pause) „Das kann doch alles nicht sein. Daß ich seit 18 Jahren Vater von einer Wendy bin, die in Salzburg lebt, ich weiß es nicht.“
Romy: „Gib mal den Brief.“
Costin reicht ihr den Brief, sie liest laut vor und imitiert einen österreichischen Akzent. „16. Jänner. Lieber Herr Wallner. Das, was ich Ihnen jetzt schreibe, muß für Sie sehr merkwürdig klingen — möglicherweise ist es auch ein Schock. Ich bitte Sie gleich im voraus um Entschuldigung blabla, da steht ja auch, daß sie sich mit dir treffen möchte, gerne, unterstrichen. Natürlich nur, wenn Sie auch möchten, na, eigentlich klingt das doch ganz nett, wahrscheinlich ist die auch noch so eine Super-Sensible, die die ganze Zeit geheult hat, als sie das geschrieben hat. Ja, also. Geh halt mal hin und mach so einen Test. So einen Vaterschaftstest. Dann haste Sicherheit.“ (Imitiert Werbung) „Testen Sie jetzt Ihre Vaterschaft! Gewinnen Sie Sicherheit!“
Pause.
Costin: „Therese Scharnagl.“
53
Costin: „Lustig. Lustig wars.“
Romy: „Ach, Quatsch. Jetzt bleib doch mal stehen, war es so beschissen, oder was?“
Costin: „Ne, lustig, sag ich doch. Nicht meet the parents, sondern meet your wife and daughter.“
Romy: „Jetzt erzähl halt mal bißchen mehr, wie war es, wie sind sie?“
Costin: „Was soll ich dir denn jetzt sagen?“
Romy: „Also, du bist in Salzburg angekommen und kommst in dieses Café oder was auch immer du mit dieser Therese Dingsbums ausgemacht hast. .“
Costin: „. . ich komm rein in das Restaurant, ja, und da ist ziemlich was los, aber ich seh ziemlich schnell ne Frau mit rotem Schal mit ’ner jungen Frau an einem Tisch und das sind sie dann, und sie erkennen mich auch irgendwie sofort, also winken gleich, keine Ahnung, wahrscheinlich sind die mal ins Internet gegangen, mich ansehen, oder ich hab mich wirklich so wenig verändert, was weiß ich.“
Romy: „Ja, und? Wendy sieht aus wie deine Mama, als sie ein Teenie war, und die Therese Dingsbums ist eine reife Frau, die etwas aus sich macht.“
Costin: „Ja, mein Gott.“ (Costin hat sich in letzter Zeit angewöhnt auf alles mit „Mein Gott“ zu reagieren, nachdem Bernd bei den Aufnahmen vorige Woche immerzu „Mein Gott“ gesagt hat und Costin am Ende, um ihn ein bißchen zu ärgern, Bernd nachgemacht hat. Als er wieder zu Hause war, hat Costin aber dann plötzlich selbst, ohne es beabsichtigt zu haben, so reflexartig, angefangen, „Mein Gott“ zu sagen.) „Die Therese ist halt so, wie sie am Telefon auch schon war. Sehr nett, höflich, überhaupt nicht aufdringlich, irgendwie so der Typ, der sofort, wenn sie glaubt, daß jetzt gleich schlechte Stimmung aufkommen könnte, was Positives sagt, so dieser Typ. Wenn ich sage ‚Mir gehts heute scheiße‘, sagt sie ‚Kann ich irgendwas für dich tun‘ oder ‚Ach, du Ärmster, na, laß uns einen trinken gehen‘. So dieser Typ.“ (Costin wollte eigentlich eine Pause machen. Weil er aber gesehen hat, daß Romy „Ja, und äußerlich?“ sagen wollte, hat er gesagt:) „Und äußerlich, ja, sagen wir mal: gepflegt, gell. Dafür, daß sie um die 45 sein muß, sieht sie schon ziemlich alt aus.“
Romy: „Ja, und die. .“
Costin: „Wendy sieht so ein bißchen aus, wie, na, wie heißt diese Schauspielerin aus diesem Titanic -Film?“
Romy: „Winslett. Patricia Winslett.“
Costin: „Patricia Winslett, genau. Leicht mollig, also fünf Kilo weniger, und sie wär ne Wucht, denke ich, aber Ähnlichkeiten konnte ich jetzt eigentlich nicht feststellen, also äußerlich, mit meiner Familie, vielleicht daß sie meine Augen hat und so die Nase von meinem Vater, aber sonst: schwierig. Und als Mensch, ja mei. Sie hat halt so auf die Tour gemacht: Du kannst ja mein Vater sein, deswegen muß ich aber nicht nett zu dir sein, also betont desinteressiert, Kaugummi, möchte Medizin studieren, also nur ein paarmal hat sie überhaupt was gesagt, welche Musik ich da mit meinem Label mache, also da hab ich, glaube ich, das einzige Mal während dem Treffen, so was wie Anerkennung bei ihr gesehen, als sie gehört hat, daß wir Tau machen, also, das hat sie interessiert, daß ich ’ne Plattenfirma habe, die die Platten von einer Sängerin macht, die sie mag. Aber Interesse an meiner Person jetzt: null.“
54
Er hat sich auf den Rand des Doppelbetts gesetzt und sich rückwärts auf die Tagesdecke fallen lassen. Während Romy weiter davon schwafelt, daß ihr alles über den Kopf wachse, die Wohnung, die Tournee, Erich , hat er mehrmals „Psst“ gemacht und „Romy?“ gesagt.
Immer wenn er in Salzburg bei Wendy und Therese ist, kriegt Romy die Krise. Sie kann viel über die Wohnung, die Tournee und Erich lästern; die Wohnung, die Tournee und Erich sind dann aber immer nur ein Vorwand dafür, um Luft abzulassen, weil sie sich vernachlässigt fühlt (von Costin) und ein bißchen eifersüchtig ist (auf Therese. Und auf Wendy natürlich. Auf wen von den beiden eigentlich mehr?), irgendwie kann Costin das ja auch nachvollziehen.
Er steht auf, streicht die Mulde aus der Tagesdecke, setzt sich an den Schreibtisch und sagt: „Romy? Ich liebe dich, OK?“
Er nimmt einen Bleistift und malt ein Achteck auf die großformatige Schreibunterlage, an deren unterem Rand ein Jahreskalender abgedruckt ist.
Romy sagt: „Ich liebe dich doch auch.“
Die Kirchenglocken draußen haben die volle Stunde zu schlagen begonnen, eine hat früher eingesetzt als die andere, die eine schlägt in die Pausen der anderen.
Er sagt: „Wart mal kurz“, schließt die Fenster, sagt: „Jetzt bin ich wieder da.“
Romy fragt, wann er heute komme. Er sagt, sein Flug sei um fünf, er müsse noch ins Studio bis zehn, dann komme er, sie werden sich einen schönen Abend machen, er sagt: „Weißt du was, du trägst das einteilige schwarze Kleid, wir machen ein Candlelight-Dinner, ich schäl dich aus dem Kleid, du bist nämlich unwiderstehlich, weißt du das?“, Romy fragt: „Bin ich das?“, das heißt, er müßte jetzt eigentlich weiterreden, in diesem Tonfall, Romys Stimme klingt so, als liege sie gerade irgendwo, im Atelier vielleicht; er geht zum Bücherregal, dieses gerahmte Foto steht da, Wendy, Therese, Albert, die Architektur-Schwarten von Albert daneben, Therese hat sie seit seinem Tod nicht weggeräumt, wenn das nicht Liebe ist, Costin sagt: „Romy, ich muß zur Jause, die warten, ich lieb dich, ja?“ Albert hat einen Schnauzer, er lacht, es ist ein glückliches Lachen, Albert hat ein glückliches Lachen auf dem Foto.
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