Saša Stanišić - Wie der Soldat das Grammofon repariert

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Wie der Soldat das Grammofon repariert: краткое содержание, описание и аннотация

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Als der Bürgerkrieg in den 90er Jahren Bosnien heimsucht, flieht der junge Aleksandar mit seinen Eltern in den Westen. Rastlos neugierig erobert er sich das fremde Deutschland und erzählt mit unbändiger Lust die irrwitzigen Geschichten von damals, von der großen Familie und den kuriosen Begebenheiten im kleinen Visegrad. Aleksandar fabuliert sich die Angst weg und "die Zeit, als alles gut war" wieder herbei.Aleksandar wächst in der kleinen bosnischen Stadt Visegrad auf. Sein größtes Talent ist das Erfinden von Geschichten: Er denkt gar nicht daran, sich an die Themen der Schulaufsätze zu halten, viel zu verrückt sind die Erntefeste bei seinen Urgroßeltern, viel zu packend die Amokläufe betrogener Ehemänner und viel zu unglaublich die Geständnisse des Flusses Drina. Als der Krieg mit grausamer Wucht über Visegrad hereinbricht, hält die Welt, wie Aleksandar sie kannte, der Gewalt nicht stand, und die Familie muss fliehen. In der Fremde eines westlichen Landes erweist sich Aleksandars Fabulierlust als lebenswichtig: Denn so gelingt es ihm, sich an diesem merkwürdigen Ort namens Deutschland zurechtzufinden und sich eine Heimat zu erzählen. Seinen Opa konnte er damals nicht wieder lebendig zaubern, jetzt hat er einen Zauberstab, der tatsächlich funktioniert: seine Phantasie holt das Verlorene wieder zurück. Als der erwachsene Aleksandar in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt, muss sich allerdings erst zeigen, ob seine Fabulierkunst auch der Nachkriegsrealität Bosniens standhält.Mit "Wie der Soldat das Grammofon repariert" hat Sasa Stanisic einen überbordenden, verschwenderischen, burlesken und tragikomischen Roman über eine außergewöhnliche Kindheit unter außergewöhnlichen Umständen geschrieben, über den brutalen Verlust des Vertrauten und über das unzerstörbare Vertrauen in das Erzählen.

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Nachdem ich mich vorgestellt habe, steht er auf. Etwas Musik, Herr Krsmanović? fragt er und küsst im Vorbeigehen seine Frau. Bach? Sie kommen mir vor, als würden Sie Johann Sebastian zu schätzen wissen, den hierzulande Unterschätzten.»Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn«, schlägt er vor. Ich bin erfreut, singt er, das Elend dieser Zeit noch von mir heute abzulegen. Pam-ta-tam, singt er, und bleibt vor dem Grammofon stehen, und steht da.

Vielleicht ist es besser so, sagt Frau Popović und nimmt einen Schluck Bier aus der Flasche, man kann sich vor der Erinnerung verstecken und lässt sich von dieser abscheulichen Gegenwart nicht Tag um Tag ohrfeigen.

Herr Popović wendet sich vom Grammofon ab und geht zum Bücherregal. Nach kurzem Überlegen holt er eines der Notenbücher heraus und blättert darin, als suche er eine bestimmte Stelle, pam-ta-tam, singt er.

Die Strecke Zuhause — Oma Katarina: 2349 Schritte. Ich habe Listen gemacht: Schrittdistanzen. Zuhause ist auf der anderen Seite der Drina. Oma schläft noch, schnarcht klaglos, ich könnte sie wecken, um zu fragen, wer überhaupt dort wohnt, aber ich weiß nicht mehr, wie sie am liebsten geweckt wird, und es ist mir unangenehm, dass ich die Antwort auf die Frage nicht selbst weiß.

2250 Schritte sind es heute, und auf dem Türschild heißt es: Miki. Ich stehe auf Beton, der Garten wurde betoniert, wie geht es den Regenwürmern? Ich klingle nicht. Einfach: Miki.

Ich habe Listen gemacht. Unsere Straße. Ich laufe von Haus zu Haus, kenne diesen Balkon, kenne diese Reifenschaukel im Hof, kenne den Geschmack geklauter Mirabellen aus diesem Garten, kenne keinen einzigen Namen auf den Briefkästen bis auf Danilo Gorkis.

Danilo und ich sitzen auf seiner Veranda, der Tisch, der Schaukelstuhl, alles noch so, wie ich es in der Erinnerung an Francesco behalten habe. Der Garten ist verwahrlost, die Kirsche wurde gefällt, die alte Mirela, Danilos Mutter, lebt nicht mehr. Danilo wohnt allein in dem großen Haus, steht jeden Tag um fünf Uhr auf, geht angeln, und wenn er den Fang nicht verkaufen kann, isst er ihn selbst. Seine Gefriertruhe steckt voller Fische. Lieber den ganzen Tag angeln, und nichts am Haken, sagt er, als den ganzen Tag schuften, und nichts in der Tasche. Viele meinen, heutzutage könne man nur glücklich sein, wenn man überhaupt eine Arbeit hat, nicht mal bezahlt müsse sie sein. Ich scheiße auf so ein Glück.

Ich frage Danilo, ob er weiß, wohin es seinen Kollegen aus der Mündung verschlagen hat, den wir als Kinder Čika Doktor nannten. Liste: Mythen. Ich erzähle die Geschichte von der Limonade für die ledernen Motorradfahrer.

Danilo sagt, er wisse es schon. Ich warte, dass er weiterspricht, frage, als er es doch nicht tut: und wo?

Ich war mit deinem Onkel in der gleichen Einheit, sagt er und deckt den Tisch, deswegen bist du doch hier, oder?

Čika Doktor, der einem Mann die Wade aufgeschnitten hat, weil der die Zähne seiner Schwester mit den Zähnen eines Pferdes verglichen hatte.

Vor lauter Fisch, sagt Danilo, riecht man den Fisch nicht mehr.

Von draußen dringen gedämpft Rufe spielender Kinder zu uns herein. Danilo fragt, ob ich verheiratet sei, gibt Öl in die Pfanne und legt zwei Fische hinein.

Gut so, sagt er, die Frauen sind Teufel mit guter Haut.

Ja, sagt Danilo Gorki und öffnet das Fenster zur Straße, ich weiß es schon.

Zuhause — Schule: 1803 Schritte, gezählt am Tag einer Mathe-Arbeit, für die ich heroisch gelernt hatte und die ich trotzdem ohne eine einzige richtige Lösung abgab. Heute sind es 1731. Die Schüler stehen in Grüppchen und reden laut durcheinander. Ich schreite den Strafraum des kleinen Fußballplatzes ab, dem die Tore abhanden gekommen sind. Hier gewann Kiko die Wette gegen Edin und mich. Ich laufe über den Hof zu Kostina, dem Hausmeister. Der dürre Mann in blauer Latzhose und einem Stift hinter dem Ohr lehnt an der Wand.

Herr Kostina, sage ich, die Tore sind ja weg.

Die Tore sind weg, wiederholt er und kratzt sich entlang der dicken Venen an seinem Unterarm. Im Hof lachende Mädchenstimmen.

Was halten Sie davon, wenn ich eins an die Fassade male?

Nicht viel, murmelt Herr Kostina.

Es läutet scheppernd und wie verlangsamt. Aneinander schlagende Töpfe, denke ich. Die Kinder umspülen uns, eine Flut bunter Rucksäcke, die lärmend ins Gebäude strömt.

Neue Klingel? frage ich, weil es außer dem Offensichtlichen nichts zu sagen gibt.

Dieselbe seit dreißig Jahren, nur nachlässig geworden. Der Hausmeister spricht langsam, zäh wie die Klingel.

Die Aula hat immer nach feuchter Pappe und Nuss-Nougat-Creme gerochen. Ich bleibe vor dem Eingang stehen.

Sagen Sie, Herr Kostina, ist Fizo noch hier?

Rückkehrer, eh? An einem Montag nicht mehr aus der Pause zurückgekommen. Herr Kostina stößt sich angestrengt von der Wand ab und schleicht in das Gebäude. Der Hof ist jetzt ruhig, bis auf den Jungen, der nicht zu spät kommen will und über das torlose Feld hetzt.

Ich habe Listen gemacht. Ich sitze im fünften Stock bei Radovan Bunda, während seine Frau mir den ersten Kaffee meines zweiten Tages in Višegrad serviert. Es ist früher Morgen, ich musste einen Termin machen, sieben Uhr war der einzig freie. Kraftstrotzend, nicht ein Mal im Leben krank gewesen und nie um einen Fluch verlegen, war Radovan Bunda früher ein gern gesehener Gast bei den Festen meiner Urgroßeltern in Veletovo. Im Winter einundneunzig verließ er sein Dorf, in dem man sich vor der Elektrizität, dem Jeansstoff und dem Vollmond fürchtete, und zog nach Višegrad. Am ersten Tag in der Stadt verkaufte er seine Schafe und mietete sich die Wohnung im fünften Stock. Seine beiden Kühe bekam er nicht durch das Treppenhaus und verkaufte auch sie. Von dem Geld kaufte er einen Stuhl, einen Tisch, seinen ersten Staubsauger, seinen ersten Kühlschrank und sein erstes Mineralwasser mit Kohlensäure. Er züchtete Hühner auf dem Dach, das Kukuriku des Hahns erklang noch vor dem Muezzin und weckte das ganze Haus. Dann aber schlug am ersten Tag der Gefechte um Višegrad eine Granate oben ein und keines der Hühner gab jemals wieder ein Gackern von sich. Als Radovan seine stummen Hennen sah, beschloss er, aus der Stadt zu fliehen. Er lud die Hühner in den Kühlschrank und den Kühlschrank auf den Rücken und wanderte los. Einen sichereren Ort als sein altes Dorf habe er sich nicht vorstellen können, erzählt er mir und gibt Süßstoff in seinen Kaffee. Den Blick auf die Tasse gerichtet, sagt er: mein Dorf war aber kein Dorf mehr, weil für Dörfer brauchst du Menschen. Ich bin von Tür zu Tür gegangen, alle Schlösser waren aufgebrochen, und in den Schlafzimmern schliefen sie nicht, in den Schlafzimmern lagen sie tot. In Betten, auf roten Kissen. Alle Serben, und wir waren, bis auf ein Haus, alle Serben. Es war das Haus vom guten Mehmed, ich habe geklopft, er hat aufgemacht, er hat gesagt: mein Radovan. Er hat mir seine Hände gezeigt und mich wie einen Bruder umarmt.

Radovan macht eine Pause, rührt in seinem Kaffee, nimmt einen Schluck. Von der Straße dringt das Summen der Motoren zu uns, Rufe, ein Pfiff. Die schlimmste Nacht, sagt Radovan und presst die Lippen zusammen, die Hunde haben sie mit Benzin übergossen und an der Leine angezündet. Meine Großmutter, die einen schlechten Schlaf hatte und sich nachts auf der Veranda müde schaukelte, haben sie neben der Schaukel gehenkt. Alle anderen erschossen, und sie baumelte dort. Sollte das wie Selbstmord aussehen? Nie wäre sie von alleine darauf gekommen, so was Dummes, hätte sie gesagt, ich habe doch nur dieses Eine!

Radovan Bunda beerdigte das Dorf und trat mit den Hühnern den Rückweg an, um Rache zu nehmen. Unterwegs sammelte er vierzehn spitze Steine für jedes der vierzehn Opfer und weinte sieben Tage lang. Sechs Nächte machte er kein Auge zu und in der siebten gestand er sich ein, kein Mörder sein zu können. Hass kann ich, Blut kann ich nicht. Ich werde reich, habe ich mir gesagt, und dann mal sehen. Ich bin wieder hier eingezogen und habe mich von allem fern gehalten, ehrlich. Beim Herrn Musikprofessor Popović habe ich schreiben gelernt, auch besser sprechen, schneller denken und gewitzt schmeicheln gelernt, ein Jahr lang jeden Tag beim Herrn Popović, er hat zum Abschied immer Klavier gespielt. Dann hat er Mozart vergessen, dann hat er Brahms vergessen, dann hat er Vivaldi vergessen, am Ende ist ihm nur noch Bach geblieben. Willst du reich werden, mein Radovan, musst du die Rhetorik beherrschen! Das hat der Herr Musikprofessor zu mir gesagt, da ging es ihm noch gut.

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