«Aber hier geht’s doch nicht um Sex. Ich habe nur an mein Chalet gedacht, weil du gesagt hast, du brauchtest Ruhe und Erholung. Stell dir einfach vor, ich wäre dein Bruder.« Und wer sagt, daß Inzest keinen Spaß macht?
Ich muß eine Möglichkeit finden, mit dem Mutterschiff Verbindung aufzunehmen, dachte sie und griff nach ihrem silberfarbenen Minisender, einem zweiteiligen Neuro-Netz-System, das zur einen Hälfte aus lebendem biologischen Material und zur anderen aus einer auf der Erde unbekannten Metallverbindung bestand. Aber leider war der Dilitheumkristall, der den Sender aktivierte, abgebrochen und verlorengegangen.
Sie versuchte; ein weiteres Salatblatt zu essen, aber der Gestank war unerträglich. Sie stand auf und ging zum Ausgang.»Augenblick, Fräulein!«rief die Bedienung hinter ihr her.»Sie haben vergessen zu zahlen!«
«Tut mir leid, aber ich besitze keines eurer Zahlungsmittel.«
«Das können Sie der Polizei erzählen!«
Sie blickte der Bedienung in die Augen, sah die Hypnotisierte zu vorübergehender Bewegungslosigkeit erstarren, wandte sich ab und verließ das Restaurant.
Ich muß den Kristall wiederfinden. Die anderen warten darauf, von mir zu hören. Sie mußte sich konzentrieren, um nicht das Bewußtsein zu verlieren. Trotzdem nahm sie ihre Umgebung nur verzerrt und verschwommen wahr.
Wenn sie nicht bald Wasser bekam, würde sie sterben.
Fünfter Tag Bern
Mit Mothersheds Adressenliste haben sich alle meine Hoffnungen in Rauch aufgelöst, dachte Robert. Und das im wahrsten Sinne des Wortes! Ich hätte die Liste an mich bringen sollen, als ich in seiner Wohnung gewesen bin. Das wird mich lehren
Lehren? Natürlich! Aus seinem Unterbewußtsein tauchte eine Erinnerung auf. Hans Beckermann hatte gesagt: Ein alter Stänkerer! Die anderen sind ganz aufgeregt gewesen wegen des UFOs und den toten Wesen, aber dieser Alte hat rumge-nörgelt, wir sollten weiterfahren. Er müßte nach Bern, hat er gesagt, um an einer Vorlesung zu arbeiten, die er am nächsten Morgen an der Universität halten sollte. Diese vage Fährte war jetzt Roberts einzige Hoffnung.
Er nahm sich auf dem Berner Flughafen einen Leihwagen und fuhr damit zur Universität.
Ein Student zeigte ihm den Weg zum Verwaltungstrakt, und Robert fragte sich dort bis zu der für seinen Fall zuständigen Sachbearbeiterin durch. Die junge Frau hinter dem Schreibtisch trug eine schwarzgeränderte Brille und hatte die Haare zu einem straffen Knoten zusammengebunden.
«Sie wünschen?«
Robert zeigte einen seiner Dienstausweise vor.»Interpol. Wir ermitteln im Augenblick wegen einer Sache, bei der Sie uns helfen könnten, Fräulein.«
«Frau… Frau Schreiber. Worum geht’s?«
«Ich suche einen Professor.«
Sie runzelte die Stirn.»Wie heißt er?«
«Das weiß ich nicht.«
«Sie kennen seinen Namen nicht?«
«Nein. Er hat am Montag eine Gastvorlesung gehalten.«
«Bei uns halten tagtäglich mehrere Professoren Gastvorlesungen. Seine Disziplin?«
«Wie bitte?«
«Welches Fach lehrt er?«Ihr Tonfall verriet wachsende Ungeduld.»Was war das Thema seiner Vorlesung?«
«Das weiß ich nicht.«
«Tut mir leid, dann kann ich Ihnen nicht helfen. Und ich habe keine Zeit für unsinnige.«
«Von unsinnig kann hier keine Rede sein!«unterbrach Robert sie.»Die Sache ist sehr dringend. «Er beugte sich über ihren Schreibtisch und fuhr halblaut fort:»Hören Sie, ich will Sie ins Vertrauen ziehen. Der Professor, nach dem wir fahnden, gehört zu einem internationalen Mädchenhändlerring.«
«Oh!«sagte Frau Schreiber überrascht.
«Interpol ist ihm seit Monaten auf der Spur. Nach unseren Informationen hat er hier am fünfzehnten Oktober eine Vorlesung gehalten. «Er zuckte die Schultern.»Wenn Sie mir nicht weiterhelfen können oder wollen, muß ich die Kollegen von der hiesigen Polizei einschalten. Dann macht der Fall bestimmt Schlagzeilen, die…«
«Nein, nein!«wehrte sie ab.»Das wäre uns sehr unangenehm. «Plötzlich wirkte sie äußerst besorgt.»Wann, sagen Sie, ist er bei uns gewesen?«
«Am Fünfzehnten. Montag.«
Frau Schreiber stand auf, trat an einen Karteischrank und zog das oberste Fach auf. Sie blätterte in den Karten und zog schließlich mehrere heraus.»So, die hätten wir. Am fünfzehnten Oktober haben drei Professoren Gastvorlesungen gehalten — und zwar in Chemie, Psychologie und Betriebswirtschaft.«
«Darf ich die Karten mal sehen?«fragte Robert.
Frau Schreiber überließ sie ihm widerstrebend.
Er studierte die Eintragungen auf den Karteikarten. Wichtig waren nur Name, Adresse und Telefonnummer.
«Ich kann sie Ihnen kopieren, wenn Sie wollen.«
«Nein, danke. «Er hatte die Namen und Telefonnummern bereits im Kopf.»Der Mann, den wir suchen, ist leider nicht dabei.«
Frau Schneider seufzte erleichtert.»Gott sei Dank! Mädchenhandel! Damit möchte die Universität auf keinen Fall zu tun haben.«
«Entschuldigen Sie, daß ich Sie wegen dieser Sache belästigt habe. «Robert verließ ihr Büro und suchte nach einer Telefonzelle.
Als erstes wählte er die Berliner Nummer.»Professor Streu-bel?«
«Ja.«
«Hier ist die Firma SUNSHINE TOURS. Als Sie letzten Sonntag eine Rundfahrt mit uns gemacht haben, ist Ihre Brille in einem unserer Busse liegengeblieben, und wir…«
«Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden«, unterbrach Streubel ihn irritiert.
«Sie sind am vierzehnten Oktober in der Schweiz gewesen, nicht wahr, Herr Professor?«
«Nein, am fünfzehnten. Zu einer Gastvorlesung an der Universität Bern.«
«Und Sie haben keine Busrundfahrt gemacht?«
«Für solchen Unsinn habe ich keine Zeit. Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. «Damit legte der Professor auf.
Auch Professor Heinrich in Hamburg wies die Vermutung, er könnte sich an solch fachfremden Freizeitäktivitäten wie einer Busrundfahrt beteiligt haben, empört zurück. Also blieb nur noch die Münchner Nummer übrig.
«Hallo. Ist dort Professor Otto Schmidt?«
«Ja.«
«Herr Professor, hier ist die Firma SUNSHINE TOURS. Wir haben Ihre Brille, die Sie vor einigen Tagen in einem unserer Busse liegengelassen haben, und.«
«Das muß ein Irrtum sein.«
Robert war wie vor den Kopf geschlagen. Dies war seine letzte Chance gewesen! Jetzt wußte er nicht mehr weiter.
Der Professor sprach weiter.»Ich habe meine Brille hier. Ich habe sie nicht verloren.«
Roberts Herz schlug schneller.»Wissen Sie das bestimmt, Herr Professor? Sie haben doch am vierzehnten Oktober unsere Rundreise mitgemacht?«
«Ja, gewiß, aber ich habe nichts verloren!«
«Vielen Dank, Herr Professor. «Robert hängte ein. Hauptgewinn!
Die Plattenstraße in München ist eine ruhige Wohnstraße mit Altbauten. Robert betrat das Haus Nummer 5, stieg in den ersten Stock hinauf und klingelte an der Wohnungstür von Professor Otto Schmidt.
Die Tür wurde von einem großen, hageren Mann mit weißer, leicht zerzauster Mähne geöffnet. Er trug einen ausgebeulten Pullover und rauchte eine Pfeife. Robert fragte sich, ob er sich absichtlich den Habitus eines typischen Gelehrten zugelegt hatte oder ob sein Beruf ihn so geformt hatte.
«Herr Professor Schmidt?«
«Ja?«
«Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich? Ich komme von der.«
«Wir haben schon miteinander gesprochen«, unterbrach ihn Schmidt.»Sie sind der Mann, der mich heute vormittag angerufen hat. Ich erkenne jede Stimme wieder, die ich einmal gehört habe. Bitte, treten Sie ein.«
«Danke. «Aus der kleinen Diele gelangte man in ein Wohnzimmer, dessen Wände hinter Schränken mit Tausenden von Büchern verschwanden. Überall waren weitere Bücher gesta-pelt: auf Tischen, auf Stühlen, auf dem Fußboden. Nur die beiden Sessel, auf denen sie jetzt Platz nahmen, waren freigehalten worden.
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