Leslie Mothershed schluckte trocken.»Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, aber… gut, kommen Sie rein.«
Robert ging durch die Diele und betrat das mit alten Möbeln vollgestellte Wohnzimmer. Keine Umgebung, in der er hätte leben mögen.
«Würden Sie mir jetzt bitte erklären, was Sie von mir wollen?«fragte Mothershed.
«Ich bin gekommen, um Sie wegen einiger Aufnahmen zu befragen, die Sie in der Schweiz von einem abgestürzten UFO gemacht haben.«
Mothershed starrte Robert einen Augenblick scheinbar überrascht an, bevor er sich ein Lächeln abrang.»Oh, die meinen Sie. Ich wollte, ich könnte sie Ihnen geben.«
«Sie haben also Aufnahmen gemacht?«
«Ich hab’s versucht.«
«Wie meinen Sie das?«
«Die verdammten Bilder sind nichts geworden. «Mothershed lachte nervös.»Der Kameraverschluß hat versagt. Das ist mir schon zum zweiten Mal passiert. «Er brabbelte übereifrig weiter.»Ich hab’ die Negative wegwerfen müssen. Alle total unterbelichtet! Bloß Material vergeudet! Und Sie wissen ja,
wie teuer heutzutage Filme sind.«
Er ist ein schlechter Lügner, dachte Robert.»Wirklich schade«, meinte er laut.»Die Aufnahmen hätten sehr nützlich sein können.«
Dann sah er sich um. Die Fotos und die Liste mußten hier irgendwo versteckt sein. Sie dürften nicht schwer zu finden sein. Offensichtlich bestand das Apartment aus Diele, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Bad. Robert war sich darüber im klaren, daß er den Mann nicht zwingen konnte, ihm das Material auszuhändigen. Er besaß keine legale Handhabe.
«Diese Aufnahmen wären ein Vermögen wert gewesen«, seufzte Mothershed.
«Erzählen Sie mir von dem Raumschiff«, forderte ihn Robert auf.
Mothershed schauderte zusammen. Die unheimliche Szene hatte sich ihm unauslöschlich eingeprägt.»Das vergess’ ich nie!«sagte er.»Das Schiff hat irgendwie… pulsiert, als sei es ein lebendes Wesen. Und in seinem Inneren haben zwei tote Außerirdische gelegen.«
«Können Sie mir irgend etwas über die Fahrgäste des Busses erzählen?«
Klar könnte ich das! dachte Mothershed triumphierend. Schließlich habe ich mir ihre Namen und Adressen notiert. »Nein, leider nicht. «Er sprach rasch weiter, um seine Nervosität zu verbergen.»Über die Fahrgäste kann ich Ihnen nichts erzählen, weil ich nicht mit diesem Bus gefahren bin und sie daher gar nicht kannte.«
«Ja, ich verstehe. Jedenfalls besten Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, Mr. Mothershed. Tut mir leid, daß Ihre Aufnahmen nichts geworden sind.«
«Mir auch«, sagte Mothershed. Als die Tür sich hinter dem Fremden schloß, dachte er zufrieden: Geschafft! Ich hab ’ die Schweinehunde ausgetrickst!
Draußen im Flur inspizierte Robert das Schloß an der Wohnungstür. Ein Chubb — und noch dazu ein altes Modell, das er binnen Sekunden aufsperren konnte. Er würde das Apartment ab Mitternacht überwachen und darauf warten, daß Mothershed aus dem Haus ging. Wenn ich erst die Liste der Augenzeugen habe, ist alles weitere ein Kinderspiel.
Robert quartierte sich in einem kleinen Hotel in der Nähe von Mothersheds Wohnung ein und rief General Hilliard an.
«Ich habe den Namen des Engländers, General. Er heißt Leslie Mothershed und wohnt im Londoner Stadtteil Whitechapel. In der 213A Grove Road.«
«Ausgezeichnet. Ich sorge dafür, daß die zuständigen britischen Stellen mit ihm reden.«
BLITZMELDUNG
TOP SECRET ULTRA NSA AN DIREKTOR SIS PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN)
BETREFF: OPERATION DOOMSDAY
3. LESLIE MOTHERSHED — WHITECHAPEL TEXTENDE
Reggie’s Fish and Chips Shop lag in einer kleinen Sackgasse an der Brompton Road. Die Gäste des kleinen Lokals waren vor allem Angestellte und Sekretärinnen aus der näheren Umgebung. Die Wände, an denen Fußballplakate hingen, waren seit dem Suezkrieg nicht mehr gestrichen worden.
Das Telefon hinter der Theke klingelte zweimal, bevor der Hörer von einem Hünen in einem schmuddeligen grauen Pullover abgenommen wurde.
«Reggie«, meldete er sich.
«Hier ist der Bischof.«
«Ja, Sir?«Reggie senkte seine Stimme zu einem Flüstern.»Unser Mann heißt Mothershed. Vorname Leslie. Wohnhaft in der 213A Grove Street. Dieser Auftrag muß rasch durchgeführt werden, verstanden?«
«Ist so gut wie erledigt, Sir.«
Leslie Mothershed hing goldenen Tagträumen nach. Gerade gab er eine internationale Pressekonferenz. Die Journalisten fragten ihn nach dem riesigen schottischen Schloß, das er soeben gekauft hatte, nach seinem Chateau in Südfrankreich, nach seiner Luxusjacht. >Und ist es wahr, daß die Queen Ihnen die Position des Hoffotografen angeboten hat?< — >Ja, aber ich habe mich noch nicht entschieden. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, meine Damen und Herrn, sonst komme ich zu spät zu meiner BBC-Show…<
Das Schrillen der Türklingel riß ihn aus seinen Träumen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. 21.10 Uhr. Ist der Kerl etwa zurückgekommen? Er ging zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Im Flur stand ein Mann mit blassem, schmalem Gesicht und einer dicken Brille. Mothershed fiel sogleich auf, daß der Fremde kleiner als er selbst war.
«Entschuldigen Sie bitte«, sagte der Mann verlegen,»daß ich Sie um diese Zeit noch störe. Ich wohne gleich um die Ecke. Auf Ihrem Schild am Hauseingang steht, daß Sie Fotograf sind. Machen Sie vielleicht auch Paßfotos?«
Macht Leslie Mothershed, der Mann, dem bald die Welt gehören wird, Paßfotos? Das wäre, als wollte man Michelangelo auffordern, einem das Bad zu streichen!
«Nein«, sagte er grob.
«Ich belästige Sie nicht gern, aber ich sitze schrecklich in der Patsche. Ich muß morgen früh um acht nach Tokio fliegen, und als ich vorhin einen Blick in meinen Paß geworfen habe, hab’ ich gesehen, daß das Foto sich irgendwie abgelöst hat. Es ist verschwunden! Ich hab’s überall gesucht. Und ohne Paßfoto lassen sie mich nicht durch die Kontrolle. «Der kleine Mann war den Tränen nahe.
«Sorry«, erwiderte Mothershed,»ich kann Ihnen nicht helfen.«
«Ein Foto wäre mir hundert Pfund wert!«
Hundert Pfund? für einen Mann mit einem schottischen Schloß, einem französischen Chäteau und einer Luxusjacht? Das war eine Beleidigung.
«Ich könnte Ihnen sogar noch mehr zahlen«, jammerte der Kleine.»Zwei- oder dreihundert Pfund. Ich muß dieses Flugzeug unbedingt nehmen, wissen Sie, sonst bin ich meinen Job los!«
Dreihundert Pfund für ein Paßbild? Die reine Aufnahme ohne die Arbeit in der Dunkelkammer würde nicht mehr als eine halbe Minute in Anspruch nehmen. Mothershed begann zu rechnen. Das waren 600 Pfund pro Minute — oder ein Stundenlohn von 36000 Pfund. Wenn man von einem Achtstundentag ausging, ergab das 288000 pro Tag. Und bei einer Fünftagewoche.
«Tun Sie mir den Gefallen?«
Mothershed Ego lag im Kampf mit seiner Geldgier, und die Geldgier siegte. Ein bißchen Taschengeld könnte ich gut brauchen.
«Gut, kommen Sie rein«, sagte er.»Stellen Sie sich dort drüben an die Wand.«
«Vielen Dank. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.«
Mothershed wünschte sich, er hätte eine Polaroid gehabt. Mit der wäre alles ganz einfach gewesen. Er griff nach seiner Konica mit eingebautem Blitz und sagte:»Den Kopf ein bißchen nach rechts drehen… so ist’s gut!«
Binnen zehn Sekunden war die Aufnahme gemacht.
«Das Entwickeln dauert ‘ne Weile«, sagte Mothershed.»Am besten kommen Sie in…«
«Ich warte lieber, wenn’s Ihnen recht ist.«
«Wie Sie wollen.«
Mothershed ging mit der Kamera in seine provisorische Dunkelkammer, schaltete die Deckenbeleuchtung aus, ließ nur die kleine rote Lampe brennen und nahm den Film heraus. Er würde rasch arbeiten, ohne sonderlich auf Qualität zu achten. Paßfotos sahen sowieso immer gräßlich aus.
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