Als Mothershed zehn Minuten später das Negativ begutachtete, glaubte er plötzlich, Rauch zu riechen. Er holte prüfend Luft. Bildete er sich das nur ein? Nein, der Brandgeruch wurde sogar immer stärker. Er drehte sich um und wollte die Tür öffnen. Sie schien zu klemmen. Mothershed warf sich dagegen. Sie gab nicht nach.
«Hallo!«rief er ängstlich.»Was ist dort draußen los?«
Keine Antwort.
«Hallo?«Er warf sich erneut gegen die Tür, die aber durch irgend etwas Schweres von außen blockiert schien.»Mister?«
Wieder keine Antwort. Das einzige Geräusch war ein ständig lauter werdendes Prasseln. Der Brandgeruch wurde überwältigend stark. Die Wohnung brannte! Bestimmt ist der Mann weggegangen, um Hilfe zu holen! Leslie Mothershed warf sich erneut gegen die Tür, die aber keinen Millimeter nachgab.»Hilfe!«brüllte er.»Holt mich hier raus!«
Unter der Tür quollen Rauchschwaden in den kleinen Raum. Mothershed spürte bereits die Hitze der Flammen. Er bekam kaum noch Luft. Als er spürte, daß ihm die Sinne schwanden, sank er auf die Knie.»Lieber Gott, laß mich nicht sterben. Nicht jetzt, wo ich reich und berühmt werden könnte…«»Hier Reggie.«
«Ist der Auftrag ausgeführt?«
«Ja, Sir. Ein bißchen zu sehr durchgebraten, aber rechtzeitig serviert.«
«Ausgezeichnet.«
BLITZMELDUNG
TOP SECRET ULTRA SIS AN DIREKTOR NSA PERSÖNLICH 1. AUSFERTIGUNG VON 1 AUSFERTIGUNG(EN)
BETREFF: OPERATION DOOMSDAY
3. LESLIE MOTHERSHED — LIQUIDIERT TEXTENDE
Als Robert Bellamy gegen zwei Uhr morgens in die Grove Road zurückkam, um den Eingang zu überwachen, herrschte dort ein völliges Verkehrschaos. Auf der Straße standen ein halbes Dutzend Löschfahrzeuge, ein Krankenwagen und drei Streifenwagen mit eingeschalteten Blinklichtern. Er arbeitete sich bis in die erste Reihe der Neugierigen vor.
Ein Feuer hatte das Haus 213A Grove Street verwüstet. Die Wohnung des Fotografen im ersten Stock war nur noch ein gähnendes schwarzes Loch.
«Um Gottes willen, wie ist das passiert?«fragte Robert einen Feuerwehrmann.
«Wissen wir noch nicht. Bitte zurücktreten!«
«Die Wohnung dort oben gehört meinem Cousin. Ihm ist hoffentlich nichts passiert?«
«Leider doch, Sir«, sagte der Mann in mitfühlendem Tonfall.»Er wird gerade abtransportiert.«
Robert beobachtete, wie zwei Sanitäter eine Tragbahre mit einer zugedeckten Gestalt in den Krankenwagen schoben.
«Ich habe bei ihm gewohnt«, behauptete er.»Meine ganzen Sachen sind noch in seiner Wohnung. Am besten gehe ich kurz rauf und.«
Der Feuerwehrmann schüttelte den Kopf.»Das würde nichts nützen, Sir. Die Wohnung ist völlig ausgebrannt.«
Völlig ausgebrannt. Mitsamt den Fotos und der kostbaren Liste mit den Namen und Adressen der Fahrgäste des Busses.
Soviel zu deinem vermeintlichen Glückstreffer, dachte Robert bedrückt.
Auf den Straßen von Zürich drängten sich fremdartige Lebewesen: eigenartig mißgestaltete Riesen mit grotesken Körpern und winzigen Augen, deren Haut die Farbe von gekochtem Fisch hatte. Diese Wesen waren Fleischfresser, und sie haßte den Aasgeruch, den ihre Leiber absonderten. Einige der Weibchen trugen Tierfelle — die Überreste von Lebewesen, die sie ermordet hatten. Sie stand noch immer unter dem Schock des gräßlichen Unfalls, der ihren Gefährten die Lebensessenz geraubt hatte.
Sie war seit vier Zyklen des Trabanten, den diese Lebewesen Luna nannten, auf der Erde und hatte seither keine Nahrung zu sich genommen. Das einzige Wasser, das sie hatte trinken können, war das frische Regenwasser in der Viehtränke des Bauern gewesen, aber seither hatte es nicht mehr geregnet. Und alles sonstige Wasser war ungenießbar. Sie hatte versucht, Obst und rohes Gemüse zu essen, aber beides war im Vergleich zu den saftigen Früchten ihrer Heimat völlig geschmacklos.
Sie war hochgewachsen, elegant und schön und hatte leuchtendgrüne Augen. Nach dem Absturz hatte sie die Gestalt einer
Erdbewohnerin angenommen, so daß sie sich unerkannt in der Menge bewegen konnte.
Jetzt saß sie an einem Tisch auf einem harten, unbequemen Stuhl, der für Menschenleiber bestimmt war, quälte sich mit einer Portion Salat ab und las die Gedanken der Erdbewohner in ihrer Umgebung.
Am Nebentisch saßen zwei dieser Wesen. Einer von ihnen redete auf den anderen ein.»Das ist die Chance deines Lebens, Franz! Mit fünfzigtausend Franken kannst du gleich zu Anfang einsteigen. Fünfzigtausend kannst du doch leicht aufbringen?«Sie las seine Gedanken. Los, du geiziges Schwein, ich brauche die Provision!
«Klar, aber ich weiß nicht recht.« Das Geld müßte ich mir von meiner Frau borgen.
«Hab’ ich dich bei Investitionen jemals schlecht beraten?« Entschließ dich endlich!
«Das ist verdammt viel Geld.« Soviel gibt sie mir nie.
«Bei diesem Potential? Damit kannst du Millionen verdienen!« Sag schon ja.
«Gut, ich bin dabei.« Vielleicht kann ich einen Teil ihrer Juwelen verpfänden, ohne daß sie’s merkt.
Er hat angebissen! » Das wirst du niemals bereuen, Franz.« Notfalls kann er den Verlust steuerlich abschreiben.
Sie hatte keine Ahnung, worum es gegangen war.
An einem entfernteren Tisch saßen ein Mann und eine Frau, die halblaut miteinander sprachen. Sie strengte sich an, ihre Gedanken zu lesen.
«Jesus!«sagte der Amerikaner.»Wieso bist du schwanger, verdammt noch mal?« Du blöde Kuh!
«Was glaubst du, wieso ich schwanger bin?« Daran ist dein Schwanz schuld, wenn du’s genau wissen willst!
Durch Schwangerschaft pflanzten diese Lebewesen sich fort, nachdem sie sich mit ihren Genitalien wie das Vieh auf ihren Feldern begattet hatten.
«Was hast du jetzt vor, Tina?« Ich muß sie zur Abtreibung überreden.
«Was erwartest du von mir? Du hast mir versprochen, mit deiner Frau zu reden.« Verdammter Lügner!
«Hör zu, Schatz, das will ich auch, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.« Ich muß verrückt gewesen sein, als ich mich mit dir eingelassen habe. Ich hätte wissen müssen, daß du mir nur Scherereien machen würdest.
«Ich hab’s auch nicht leicht, Paul. Ich glaub’ sogar, daß du mich nicht mehr liebst.« Bitte sag’, daß du mich noch immer liebst!
«Natürlich liebe ich dich. Die Sache ist nur die, daß meine Frau gerade eine ziemlich schwierige Zeit durchmacht.« Ich denke nicht daran, mich von ihr zu trennen.
«Für mich ist diese Zeit auch schwierig. Begreifst du das nicht? Ich bekomme ein Kind von dir.« Und du wirst mich heiraten!
«Reg dich nicht auf, Schatz. Alles kommt wieder in Ordnung, das versprech’ ich dir. Ich will das Baby so sehr wie du.« Ich muß sie zur Abtreibung überreden.
An einem anderen Tisch saß ein männliches Wesen allein.
Sie haben ’s mir versprochen. Sie haben gesagt, der Jockey sei bestochen, der Ausgang des Rennens stehe schon fest, und ich Idiot hab ’ ihnen das ganze Geld gegeben. Ich muß es irgendwie ersetzen, bevor die Revision stattfindet. Ich könnte ’s nicht ertragen, wegen Unterschlagung eingesperrt zu werden. Vorher bring’ ich mich um. Das ist mein heiliger Ernst: Vorher bring’ ich mich um!
An einem weiteren Tisch unterhielt ein Paar sich angeregt.
«… daran habe ich nie gedacht. Aber nachdem ich nun mal ein schönes Chalet in den Bergen habe, würde es dir bestimmt guttun, mitzukommen und übers Wochenende auszuspannen.« Bevorzugt in meinem Bett, Cherie.
«Ach, ich weiß nicht, Claude. Ich bin noch nie mit einem
Mann einfach so weggefahren.« Ob er mir das abnimmt?
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