»Wir brauchen keine Worte zu verschwenden, Charles. Major Butler hat eine Petition von Männern Ihrer Truppe erhalten. Sie fordern eine neue Offizierswahl.«
Ganz plötzlich wurden seine Wangen taub. »Von wievielen Männern unterzeichnet, Sir?« fragte Charles.
Beunruhigt sagte Butler: »Von über der Hälfte der Truppe.«
»Herr im Himmel.« Charles brachte ein Lachen zustande. »Mir war klar, daß ich nicht gerade heiß und innig geliebt werde, aber damit lauf ich ja einem Yankee den Rang ab. Ich hatte keine Ahnung – «
»Sie sind ein ungewöhnlich guter Offizier«, begann Hampton.
»Genau meine Meinung«, sagte Butler.
»Aber das hat nichts mit Beliebtheit zu tun. Wie Sie wissen, Charles, sind die Männer erst zu Neuwahlen berechtigt, wenn ihre einjährige Verpflichtung zur Verlängerung ansteht. Ich dachte jedoch, ich sollte Sie davon in Kenntnis setzen, wie die Dinge stehen, und fragen – «
Diesmal unterbrach er Hampton. »Lassen Sie ihnen ihren Willen. Morgen – mir ist es egal.« Es war ihm nicht egal, aber er verbarg es.
Stirnrunzelnd fragte Butler: »Und wenn Sie verlieren?«
»Pardon, Major – warum drücken Sie es so aus? Sie wissen, daß ich verlieren werde. Die Anzahl der Unterschriften auf der Petition garantiert dafür. Ich sage trotzdem, sie sollen ihre Wahl haben. Ich werde eine andere Möglichkeit finden zu dienen.«
Die beiden höheren Offiziere tauschten einen Blick. Charles erkannte, daß hier schon mit einiger Sorgfalt vorausgeplant worden war.
Ruhig sagte Hampton: »Ich schätze den Geist, in dem Sie das gesagt haben, Charles. Ich schätze all die Qualitäten, die Sie zu einem guten Offizier machen. Ihre Tapferkeit steht außer Frage. Sie sorgen wie ein Vater für Ihre Männer. Ich vermute, Ihre Vorstellung von Disziplin hat diese Situation herbeigeführt, da sich viele in dieser Legion lieber für Carolina-Gentlemen halten als für Soldaten, die dem Angriff von General McClellan trotzen müssen. Außerdem hat möglicherweise Ihre Akademie-Ausbildung gegen Sie gearbeitet.«
Gegen Stuart oder Jackson oder eine ganze Menge andere hat sie nicht gearbeitet, dachte Charles voller Bitterkeit. Aber es war dumm, anderen die Schuld für die eigenen Fehler in die Schuhe zu schieben.
Hamptons Stimme wurde laut und betont. »Ich will Sie unter diesem Kommando nicht verlieren, genausowenig wie Major Butler. Wenn Sie also nicht gegen Ihren, äh, Gegner antreten wollen – «
»Ich würde keine Minute auf diesen dämlichen Deutschen verschwenden!« Charles stockte. »Tut mir leid, Sir.« Hampton wedelte die Entschuldigung beiseite.
»Wir haben einen anderen Vorschlag«, sagte Butler. »Sie sind ein Einzelgänger, Charles, aber das kann sich als wertvoll erweisen. Würden Sie es in Erwägung ziehen, Abner Woolner und einige meiner besten Männer in einer Scoutstruppe zu führen?«
Hampton beugte sich vor, sein Gesicht halb in der Dunkelheit verborgen. »Im gesamten berittenen Dienst ist das die wichtigste und gefährlichste Aufgabe. Der Scout ist ständig in Gefahr. Nur die Besten können damit fertig werden.«
Charles überlegte, aber nicht lange. »Ich akzeptiere unter einer Bedingung. Bevor ich anfange, hätte ich gern einen kurzen Urlaub.«
Ein weiteres Stirnrunzeln des Majors. »Aber die ganze Armee setzt sich bald in Bewegung.«
»Nach hinten, wie ich hörte. Zum Rapidan und Rappahannock. Die Lady lebt nahe des Rappahannock. Fredericksburg. Falls notwendig, bin ich sofort wieder bei der Legion.«
Hampton lächelte. »Die Bitte sei gewährt. Einverstanden, Major Butler?«
»Jawohl, Sir.«
»Dann«, sagte Charles, »nehme ich den Posten als Scout an. Mit Vergnügen.«
Obwohl ihn die Ablehnung seiner Truppe schmerzte, fühlte er sich gleichzeitig befreit. Empfand ein freigelassener Schwarzer ähnlich? fragte er sich, als er pfeifend zu seiner Hütte zurückging.
Während er Meile um Meile nach Spotsylvania County zurücklegte, durch Regenstürme mit anschließendem Kälteeinbruch, der die toten Felder und kahlen Bäume mit einem weißen Anstrich versah, wuchs seine Begierde, Barclays Farm zu erreichen, zusammen mit der Furcht, Augusta wieder nicht anzutreffen. Endlich sah er das wuchtige Steinhaus und die hölzernen Schuppen und Nebengebäude auftauchen.
»Und Rauch kommt aus dem Kamin«, brüllte er dem Wallach zu.
Es war eine saubere Farm, trotz des Krieges gut geführt. Ihre Felder erstreckten sich anscheinend auf beiden Seiten der Straße. Das Haupthaus vermittelte den Eindruck von Alter und Stärke, festungsgleich hinter zwei gewaltigen Roteichen verborgen, deren dicke Äste sich bis über das Holzdach reckten. Wundervolle Bäume, zum Klettern wie geschaffen, die in ihm den Wunsch wach werden ließen, wieder ein Junge zu sein.
Im Hof zog er die Zügel. Zu seiner Rechten sah er im dunklen Inneren eines Nebengebäudes etwas aufblitzen. Er stieg ab, und die Pedale des Schleifsteins hörten auf zu quietschen. Ein ungefähr zwanzigjähriger Neger tauchte aus dem Gebäude auf. Er trug schwere Ackerschuhe, alte Hosen, ein gestopftes Hemd. In beiden Händen hielt er die geschwungene Sense, die er gerade geschärft hatte.
»Können wir was für Sie tun, Sir?«
»Der Mann ist in Ordnung, Boz.«
Die neue Stimme gehörte dem anderen Schwarzen, älter, mondgesichtig, mit wenigen Zähnen; er kam hinter dem Haus hervor, einen Sack mit Hühnerfutter über der Schulter. Charles hatte ihn am Ballabend in Richmond getroffen.
»Wie geht’s Ihnen, Captain?« fragte der ältere Schwarze. »Seh’n aus, als wär’n Sie durch’n Haufen Schlamm geritten.«
»Das bin ich. Ist sie zu Hause, Washington?«
Er ließ ein keckerndes Lachen hören. »Das ist sie. Bißchen früh für Besuch, aber sie ist immer vor Tagesanbruch auf. Macht wahrscheinlich grad unseren Morgenschinken.« Washingtons Kopf ruckte nach rechts. »Hintertür ist schneller.«
Charles ging mit klingelnden Sporen an ihm vorbei, hatte nichts anderes mehr im Sinn, als an diese Tür zu klopfen; hoffentlich sah er nicht zu verdreckt aus oder roch zu unangenehm. Er konnte selbst kaum glauben, wie aufgeregt er war.
Die Tür öffnete sich. Gus schnappte nach Luft, und eine mehlweiße Hand flog zu ihrem Kinn. »Charles Main. Bist du’s wirklich?«
»So steht’s in meinem Paß.«
»Im ersten Moment hast du mich ganz verwirrt. Der neue Bart – «
»Steht er mir?«
»Ich werd’ mich dran gewöhnen.«
Er grinste. »Nun, er hält wenigstens warm.«
»Bist du irgendwohin unterwegs?«
»Mir war gar nicht klar, daß der Bart dermaßen abstoßend wirkt.«
»Antworte mir.« Seine schlagfertige Erwiderung hatte ihr gefallen.
»Ma’am, das hier ist meine Reaktion auf Ihre freundliche Einladung. Darf ich eintreten?«
»Ja, ja – natürlich. Ich bitte um Verzeihung, daß ich dich hab’ in der Kälte stehen lassen.«
Ihr altes Baumwollkleid, so oft gewaschen, daß es fast farblos wirkte, stand ihr gut. Sie sah noch ein bißchen schläfrig aus, doch gleichzeitig erfreut und aufgeregt. Über der Rundung ihrer Brüste bemerkte er einen fehlenden Knopf; in einer Falte sah er kurz nacktes Fleisch aufblitzen.
Sie hatte gerade Teig angerührt. Sie legte den Löffel beiseite und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Eine Frage, bevor wir mit dem Besuch ernst machen. Hast du vor, mich mit diesem elenden Namen anzureden?«
»Höchstwahrscheinlich. Die Kriegszeiten. Wir alle müssen uns mit einigen Unannehmlichkeiten abfinden.«
»Dann werde ich meinen patriotischen Beitrag leisten. Das Frühstück ist gleich fertig. Wenn du dich vorher waschen willst, mache ich Wasser warm.«
»War’ wohl besser, sonst sieht dein Haus wie ein Schlammloch aus.«
Sie überraschte ihn damit, daß sie ihn am linken Ärmel festhielt. »Laß dich anschauen. Geht’s dir gut? Wie ich höre, soll es bald zu schweren Kämpfen kommen. Bis jetzt hast du den Winter überlebt – eine große Anzahl anderer Männer hat das nicht, so heißt es.« Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Lachst du über mich?«
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