Das Lächeln wurde breiter, vermischte sich mit fröhlicher Bosheit. »Nun, mein Junge, lassen Sie mich Ihnen einen letzten Rat erteilen, bevor wir uns zum Abschied die Hände schütteln. Verkaufen Sie soviele Schuhe, wie Sie können, so teuer wie möglich und so lange wie möglich. Und sparen Sie das Geld. Sie werden es brauchen, denn in dieser Stadt liegt immer jemand auf der Lauer. Jemand, der Sie verkaufen will. Jemand, der Sie verkaufen wird.«
Stanley stand kurz vor einem Herzanfall. Cameron eilte um seinen Schreibtisch, umklammerte Stanleys Hand so fest, daß es schmerzte, und sagte: »Sie müssen mich jetzt entschuldigen.« Damit wandte er ihm den Rücken zu. Als Stanley ging, wühlte er schon wieder fröhlich in den zusammengepackten Ruinen seines Reiches.
Am nächsten Abend kehrte George mit Neuigkeiten für Constance heim. »Es ist Stanton.«
»Aber er ist doch Demokrat!«
»Er ist außerdem ein Fanatiker nach dem Herzen der Radikalen. Die für ihn sind, bezeichnen ihn als Patrioten. Die Gegenseite benützt Bezeichnungen wie dogmatisch und verschlagen. Er will seine Ziele um jeden Preis erreichen. Lincoln mag ihn ernannt haben, aber er ist das Produkt von Wade und dessen Bande.« Sein amüsiertes Lächeln lockerte den Ernst auf. »Wußtest du, daß Stanton mal mit einem Fall zu tun hatte, in dem es um McCormicks Mähmaschine ging und Lincoln als Junior-Anwalt beteiligt war? Stanton nannte ihn dabei einen Tölpel. Unglaublich, wie die Leute sich ändern. Diese verrückte Welt – «
»Nicht du und ich«, sagte sie und küßte ihn sanft.
General McClellan erholte sich von seinem schweren Typhusanfall, blieb aber weiterhin das Opfer einer anderen Krankheit, wegen der ihn bis auf seine treuesten Anhänger alle heftig kritisierten. Lincoln bezeichnete die Krankheit als Schwerfälligkeit. Unter zunehmendem Druck erließ der Präsident am 31. Januar den Kriegssonderbefehl Nr. 1. Darin wurde dem Kommandierenden General befohlen, die Armee bis spätestens 22. Februar vom Potomac in Richtung Manassas in Bewegung zu setzen.
Die Februarausgabe des Atlantic druckte neue Verse für ›John Brown’s Body‹, geschrieben von Mrs. Howe; George und seine Frau und sein Sohn sangen die aufrührende ›Battle Hymn‹, während Patricia spielte. Das Lied paßte zu der neuen, aggressiveren Stimmung in der Hauptstadt. Stanton, klein und grimmig, ließ sich ständig in den Gebäuden um den President’s Park sehen. George bemerkte ihn mehrfach im Waffenamt, sah aber keinen Grund, ihn anzusprechen.
Aus dem Westen drangen so glorreiche Nachrichten, daß sich vor den Zeitungsgebäuden, wo die letzten telegraphischen Neuigkeiten aushingen, eine jubelnde, trunkene Menge versammelte. Fort Henry, eine Schlüsselbastion der Rebellen am Tennessee, knapp unterhalb der Grenze zu Kentucky, hatte sich einer kombinierten Offensive von Land und Fluß her ergeben.
Zehn Tage später fiel Fort Donelson. Theoretisch waren beide Siege das Werk des Department-Kommandeurs General Halleck. Aber der Mann, dem die Korrespondenten den Siegerkranz aufsetzten, war ein Akademie-Absolvent, der schon seit langem aus Georges Gedanken verschwunden war. Zu Beginn hatte Sam Grant in West Point Orrys Rolle übernommen, als er von Elkanah Bent schikaniert wurde.
Sam Grant. Erstaunlich. Nach dem Feldzug gegen Mexiko City hatten er und George zusammen in den Cantinas getrunken. Ein sympathischer Offizier und durchaus tapfer. Aber ihm fehlte die Brillanz, die beispielsweise Tom Jackson besaß. Das letzte, was George über ihn gehört hatte, war, daß er in der Armee im Westen versagt und aufgrund von Alkoholproblemen seinen Abschied genommen habe.
Und hier war er, frisch befördert vom Brigadier zum Generalmajor der Freiwilligen und mit dem Spitznamen ›Bedingungslose Kapitulation‹ ausgestattet, weil er auf eine Anfrage nach den Übergabebedingungen des Kommandanten von Donelson geantwortet hatte, er würde nichts anderes akzeptieren. Und dann befreite er das westliche Kentucky aus dem Griff der Konföderierten, das westliche Tennessee und den oberen Teil von Mississippi. Der Süden taumelte, der Norden jubelte, und Grants Name wurde für jeden Schuljungen, dessen Eltern eine Zeitung lasen, zu einem Begriff.
Nichtsdestoweniger drangen aus dem Regierungsgebäude schlimme Gerüchte. Der Präsident sollte an derart starken Depressionen leiden, daß es schon an Wahnsinn grenzte. Nachts streifte er schlaflos herum oder lag stundenlang bewegungslos da; dann erhob er sich und erzählte merkwürdig prophetische Träume. Die Washingtoner Klatschtanten hatten eine Menge anzubieten. Lincoln wurde wegen der Union verrückt. Mary Lincoln, die eingestandenerweise eine Menge Verwandte in Kentucky und der Konföderiertenarmee besaß, war eine Spionin. Der zwölfjährige William Lincoln hatte Typhus. Das stellte sich als wahr heraus; der Junge starb zwei Tage, bevor McClellan Manassas hätte einnehmen sollen.
McClellan nahm Manassas nicht ein; die Armee rührte sich nicht vom Fleck. Und Lincoln tauchte auf keiner der offiziellen Feierlichkeiten zu Ehren von Washingtons Geburtstag auf, obwohl die Armeen auf beiden Seiten den Tag feierten, wie es vor dem Krieg Brauch gewesen war.
Eines Abends machte Billy einen Überraschungsbesuch. Noch vor dem Essen tauschten die Brüder über einem Glas Whiskey Klagen aus.
Billy: »Was zum Teufel ist mit Mac los? Er sollte doch die Union retten – vorletzte Woche, oder?«
George: »Woher soll ich wissen, was los ist? Ich bin nichts weiterals ein besserer Angestellter. Ich höre nur den Straßentratsch. Du solltest mehr wissen als ich; er ist dein Kommandeur.«
»Er ist dein Klassenkamerad.«
»Also gut«, sagte George, »ich hab’ lediglich gehört, daß Little Mac dem Feind zahlenmäßig um das Zwei- bis Dreifache überlegen ist, aber trotzdem fordert er weiterhin Aufschub und Verstärkung. Sonst, so sagt er, könne er den Erfolg nicht garantieren – der, so fährt er mit dem nächsten Atemzug fort, garantiert sei, sobald er erst mal losmarschiere. Gott weiß, was in seinem Kopf vor sich geht. Erzähl mir von deinen neuen Männern.«
»Sie haben fast sieben Trainingswochen hinter sich, aber natürlich sind gute Trainingsleistungen kein Gradmesser für ihr Verhalten im Kampf. Letzte Woche haben wir – «
Beide blickten auf, als Constance mit blassem Gesicht hereinkam.
»An der Tür ist eine Ordonnanz von deinem Bataillon.«
Billy eilte aus dem Raum. George schritt auf und ab, versuchte etwas von den gedämpften Stimmen zu verstehen. Sein Bruder kehrte zurück, seine Mütze aufsetzend. »Wir werden ins Camp zurückbefohlen, um unsere Abreise in Waggons vorzubereiten.«
»Wohin fahrt ihr?«
»Keine Ahnung.«
Hastig umarmten sie sich. »Paß auf dich auf, Billy.«
»Das werd’ ich. Vielleicht schlägt Mac endlich los.«
Und damit ging Billy in die Dunkelheit hinaus.
51
Charles wußte, daß es nichts Gutes zu bedeuten hatte, als Calbraith Butler ihn nach dem Zapfenstreich zu sich befahl, wo ihn der Colonel und der Major erwarteten.
»Sie können sich setzen, Charles«, sagte Hampton, nachdem Charles militärisch gegrüßt hatte.
»Nein danke, Sir.«
Hampton fuhr fort: »Ich bin hergeritten, weil ich mit Ihnen persönlich sprechen wollte. Ich sehe mich einer heiklen Situation in Major Butlers Kommando gegenüber.«
Butler sagte: »Sir, ich würde das Wort übel vorziehen.«
Hampton seufzte: »Das mag durchaus zutreffen.«
Bewundernd dachte Charles, wie fit der Colonel wirkte, in einem Winter, der die Gesundheit wesentlich jüngerer Männer ruinierte. Er bemerkte den Säbel des Colonels – schmaler als der sonst bei ihm übliche. War das der Säbel, den Joe Johnston ihm als Zeichen der Freundschaft gegeben hatte – bis er tatsächlich den Rang eines Brigadiers verliehen bekam?
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