Tom hatte einen ansehnlichen Koffer mit Kleidungsstücken mitgebracht. Für die Nacht drängte man ihn und seine Gefährten, wie die meisten anderen, in einen langen Saal, wo bereits viele Männer jeden Alters, jeder Größe und jeder Farbschattierung versammelt waren, wo unbändige Heiterkeit herrschte und Lachsalven erdröhnten.
»Ei, ei! Das ist recht! Macht nur weiter, Jungens!« rief Mr. Skeggs, der Aufseher. »Meine Leute sind immer munter, nur weiter, Sambo!« sagte er lachend zu einem feisten Neger, der Kunststücke niedrigster Sorte zum besten gab und damit die Lachsalven entfesselte, die Tom gehört hatte.
Man kann sich gut vorstellen, daß Tom nicht in der Stimmung war, an diesen Vorgängen teilzunehmen, deshalb brachte er seinen Koffer weit entfernt von der lärmenden Gruppe in die äußerste Ecke, setzte sich darauf und lehnte seine Stirn gegen die Wand.
»Was macht denn da der Nigger?« rief Sambo und drängte sich an Tom heran, nachdem Mr. Skeggs den Saal verlassen hatte. Sambo war ein tief schwarzer Neger von riesiger Größe, lebhaft, fett und voller Schabernack und Grimassen.
»Was treibst du denn?« fragte Sambo und stieß Tom anzüglich in die Seite. »Warum so nachdenklich, he?«
»Ich werde morgen versteigert«, antwortete Tom.
»Versteigert — Ha! Ha! Jungens hört den Spaß! Ich wollte, mir gings auch so. Sie sollten sich alle vor Lachen biegen! Aber wie ist das hier? Geht die ganze Bande morgen?« fragte Sambo und legte Adolf vertraulich seine Pranke auf die Schulter.
»Bitte, lassen Sie mich los!« zischte Adolf erbost und richtete sich voller Abscheu auf.
»Ha, Jungens, hier ist einer von den weißen Niggers — so ein cremefarbener, parfümierter, wie?« spottete Sambo und trat schnuppernd zu Adolf.
»Hallo, der gehört in einen Tabakladen, da könnte er den Schnupftabak parfümieren, der hält einen ganzen Laden im Schwung — der Laffe!«
»Nehmen Sie sich in acht!« stieß Adolf außer sich hervor.
»Ach Gott, wie zartbesaitet wir sind — wir weißen Niggers! Seht uns nur an!« Und Sambo machte Adolfs geziertes Wesen nach. »Wie fein und herrschaftlich wir sind. Vermutlich kommen wir aus bester Familie!«
»Jawohl«, sagte Adolf; »ich hatte einen Herrn, der hätte euch alle als Altpapier kaufen können!«
»O Gott«, höhnte der andere wieder, »was sind wir doch für ein feiner Herr!«
»Ich gehöre zur Familie St. Clare«, sagte Adolf stolz.
»Nein, so was! Zum Henker, wenn die nur nicht froh sind, dich loszuwerden. Wahrscheinlich verschachern sie dich mit einem Haufen geborstener Teekessel und ähnlichem Ramsch!« Und Sambo grinste herausfordernd.
Wutentbrannt griff Adolf seinen Gegner blindlings an und schlug nach allen Seiten aus. Die übrigen lachten und schrien, der allgemeine Tumult brachte den Aufseher zur Stelle.
»Was soll das, Burschen? Ordnung, Ruhe!« rief er und schwang eine große Peitsche. Alle stoben in verschiedener Richtung auseinander, nur Sambo, im Gefühl, bei dem Aufseher wegen seiner Späße in besonderer Gunst zu stehen, verharrte an seinem Platz und duckte seinen Kopf mit frechem Grinsen, jedesmal, wenn der Aufseher nach ihm zielte.
»Wir waren es nicht, Herr! Wir sind ganz ruhig! Da, die neuen Leute, die führen sich so auf und lassen uns nicht in Ruhe!«
Der Aufseher wandte sich an Tom und Adolf, verteilte ohne viel zu fragen einige Knüffe und Püffe unter sie, ermahnte dann alle zur Ruhe und verließ wieder den Saal.
Während diese Szene im Schlafsaal der Männer vor sich ging, mag der Leser vielleicht einen Blick in den nächsten Raum werfen wollen, der den Frauen zugewiesen war. Dort findet er in allen Stellungen, auf den Boden hingestreckt, schlafende Gestalten in allen Farbschattierungen, vom tiefsten Schwarz bis zum reinsten Elfenbein, in jedem Alter, von der Kindheit bis zum Greisenalter, alle in tiefem Schlaf. Hier liegt ein hübsches, gescheites zehnjähriges Mädchen, dessen Mutter gestern verkauft wurde und das sich heute nacht heimlich in den Schlaf weinte. Dort ruht eine alte abgearbeitete Negerin, deren dünne Arme und steife Finger von harter Arbeit sprechen, die morgen darauf wartet, als Ausschuß verkauft zu werden, wenn sie überhaupt noch einen Preis erzielt; ringsherum liegen vierzig oder fünfzig andere, die ihren Kopf, je nachdem, in Decken oder alte Kleidungsstücke gewickelt haben. Aber in einer Ecke, abgesondert von den anderen, sitzen zwei Frauen von etwas auffallendem Äußeren. Die eine ist eine achtbar gekleidete Mulattin zwischen vierzig und fünfzig, mit sanften Augen und angenehmen Zügen. Um den Kopf geschlungen trägt sie einen hohen Turban aus einem hellroten Madrastuch von feinster Qualität, ihr Kleid aus gutem Stoff von bestem Schnitt verrät die sorgfältige Hand einer guten Herrin, ihr zur Seite, dicht an sie geschmiegt, sitzt ein junges Mädchen von fünfzehn Jahren — ihre Tochter. Sie ist eine Quadro–ne, was man an ihrer helleren Haut erkennt, obwohl sonst ihre Ähnlichkeit mit der Mutter unverkennbar ist. Sie hat dieselben dunklen Augen, nur mit längeren Wimpern, und ihr lockiges Haar ist von einem kräftigen Braun. Auch sie ist mit großer Sorgfalt gekleidet, und ihre zarten, weißen Hände bekunden, daß sie mit harter Arbeit nicht vertraut ist. Diese beiden sollen gleichfalls morgen mit den St. — Clare–Leuten verkauft werden. Der Herr, dem sie gehören und dem der Erlös aus ihrem Verkauf zufließt, ist Mitglied einer christlichen Kirche in New York, der das Geld einstreichen und danach das Sakrament seines Heilands, der auch der ihre ist, empfangen wird, ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen.
Diese beiden, die wir Susan und Emmeline nennen wollen, hatten zu der persönlichen Aufwartung einer liebenswürdigen und frommen Dame in New Orleans gehört, die sie fromm und gewissenhaft hatte erziehen und ausbilden lassen. Sie hatten lesen und schreiben gelernt und waren sorgfältig in der Wahrheit unserer Religion unterwiesen worden; ihr Los war den Umständen angemessen so glücklich wie nur möglich gewesen. Aber der einzige Sohn ihrer Beschützerin, der die Verwaltung des Gutes leitete, hatte es durch Vergeudung und Leichtsinn derartig belastet, daß er schließlich bankrott machte. Einer der ersten Gläubiger war die angesehene Firma von B. & Co. in New York. B. & Co. schrieben an ihren Anwalt in New Orleans, der die bewegliche Habe (zu deren wertvollstem Teil diese beiden und zahlreiche Plantagenneger gehörten) mit Beschlag belegte und dementsprechend nach New York berichtete. Bruder B. hatte, wie wir sahen, als Christenmensch und Bürger eines freien Staates gewisse Bedenken bei diesem Geschäft. Es behagte ihm nicht, mit Sklaven und Menschenseelen handeln zu müssen — ja, es war ihm ungemütlich; aber schließlich standen dabei dreißigtausend Dollar auf dem Spiel, und soviel Geld opfert man nicht gern einem Prinzip. Daher schrieb Bruder B. nach vielen Bedenken und Ratschlägen guter Freunde, die er deshalb eingeholt hatte, seinem Anwalt, er möge das Geschäft auf die bestmögliche Art abwickeln und ihm den Erlös überweisen.
Kaum war der Brief in New Orleans eingetroffen, wurden Susan und Emmeline ergriffen und zu dem Depot geschickt, um dort die morgige Auktion abzuwarten. Während sie undeutlich im Mondlicht, das durch die vergitterten Fenster dringt, vor uns sitzen, vermögen wir mühelos ihrer Unterhaltung zu folgen. Beide weinen, aber jede leise für sich, damit die andere es nicht merke.
»Mutter, leg doch deinen Kopf in meinen Schoß und versuche ein wenig zu schlafen«, sagte das Mädchen und versuchte, gefaßt zu erscheinen.
»Ich bring es nicht übers Herz, jetzt zu schlafen, Em! Ich kann nicht. Es kann doch die letzte Nacht sein, die wir zusammen sind!«
»Oh, Mutter, sprich nicht so! Vielleicht werden wir zusammen verkauft — wer kann das wissen?« »Wenn es sich um andere handelt, würde ich auch so denken, Em«, seufzte die Frau, »aber ich bin so in Angst, dich zu verlieren, daß ich nichts als die drohende Gefahr vor Augen habe.«
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