Als am siebenten November des Jahres 1933, am Tag der großen russischen Revolution, vom Schlot der stillgelegten P… schen Margarinefabrik bei R… eine rote Fahne mit Hammer und Sichel wehte, wurden die männlichen Bewohner der nahegelegenen Laubenkolonie, die als kommunistisches Nest verschrien war, von der SS festgenommen und — da sie nichts gestehen wollten oder konnten — so lange geprügelt, bis sie blutig und bewußtlos auf der Erde lagen. Dann gestattete man den Weibern, die der Exekution hatten beiwohnen müssen, ihre Männer — bevor sie auf Lastautos verladen und weggeschafft wurden — notdürftig zu reinigen und zu verbinden.
Das SS-Kommando, das am nächsten Tag in der Kolonie nach den wenigen Männern Umschau hielt, die am Vorabend nicht zu Hause gewesen waren, fand nur Weiber und Kinder vor — doch wehte vom Schlot der Margarinefabrik wiederum eine Fahne.Der Staffelführer befahl einem Jungen, den "roten Fetzen" sofort herunterzuholen, und ließ, während das geschah, die Weiber und Kinder antreten und vor den entsicherten Karabinern seiner Truppe das Horst-Wessel-Lied singen.
Als der Junge, der die Fahne zu holen hatte, wieder unten anlangte, zeigte es sich, daß sie gar nicht rot war, sondern rostfarben, schwarzbraun und schwarz gefleckt, und auch keine Fahne, sondern ein blutgetränktes Tuch: eines der Handtücher, mit denen die Frauen am Abend vorher ihre zerschlagenen Männer gereinigt hatten.
Von den Gefangenen starben zwei im Krankenhaus. Zwei wurden "auf der Flucht erschossen".
In den trüben Februartagen des Jahres 1939, als die katalonische Armee, von einem an Zahl und Kriegsmaterial weit überlegenen Feind bedrängt, nach tapferster Gegenwehr auf französisches Gebiet übertrat, ereignete sich ein Vorfall, von dem kein Heeresbericht meldet, der aber trotzdem verdient, aufgezeichnet und überliefert zu werden.
Der Rückzug des Korps Modesto — das den Feind in der Küstenprovinz so lange aufgehalten hatte, bis der letzte Verwundete sicher über die Grenze gebracht war — wurde von einer Maschinengewehrabteilung unter dem Befehl des Leutnants Miguel de Llano gedeckt. Die Llanos sind eine alte Offiziersfamilie. Einer von ihnen, der General Queipo de Llano, machte gleich zu Beginn gemeinsame Sache mit dem blutigen Franco und erwarb sich einen traurigen Ruhm als bramarbasierender Rundfunksprecher. Der Leutnant de Llano hatte das Kommando über den Deckungstrupp erbeten, um — wie er sagte — dem Land und der Welt zu zeigen, daß es auch andere Llanos als den verräterischen General gebe.
Von einem Felsenhügel bei Port Bou, der letzten spanischen Ortschaft vor der Grenze, hielt die kleine Truppe die Francotruppen in Schach, solange die Munition reichte. Dann zog sie sich, wie befohlen, über die Grenze zurück: in guter Ordnung und mit wehender Fahne. Nur der Leutnant blieb noch auf spanischem Boden. Im Angesicht der anstürmenden Gegner kniete er nieder, küßte den Boden der Heimat, sprang wieder auf und schrieb mit einem Stück Kohle an den Felsen:
Wir kommen wieder, Franco! Es lebe die Freiheit!
Miguel de Llano, Leutnant,
Soldat der Republik aus Würde und Vernunft.
Dann schritt er langsam, mit erhobener Faust, auf den Grenzpfahl zu. Die verdutzten Franco-Söldner brachten ihre Gewehre zu spät in Anschlag. De Llano erreichte unversehrt französischen Boden.
Es geht nichts über das Gemüt eines Berserkers.
Als der Laufbahn und dem Leben des Xaver Krombholzer, Oberfeldwebels in einem deutschen Pionierbataillon, durch eine Landmine bei Gomel ein verdientes Ende bereitet wurde, fanden die russischen Sanitäter, die seinen Leichnam auflasen, bei ihm einen Gedichtband von Mörike; einen Brief seiner Frau, worin es hieß: "Schicke mir Kinderwäsche, sie kann auch blutig sein, ich wasche die Flecken schon heraus…"; eine Aufzeichnung, aus der hervorging, daß er eigenhändig mehrere Partisanenmädchen gehängt hatte; und eine Photographie seines nackten Hintern mit identifizierendem Vermerk. Die Photographie hatte Krombholzer — wo sonst wäre sie auf dem rechten Fleck gewesen? — in der Brusttasche mit sich getragen, über dem, was er vermutlich sein Herz nannte.
Wir verstehen es noch nicht immer, den Völkern die richtige Ansicht über die Friedensliebe der Vereinigten Staaten zu verkaufen.
Jobn Foster Dulles
Als in den ersten Sommertagen des Jahres 1953 eine Abteilung des amerikanischen Marinekorps auf der kleinen japanischen Insel Osima landen wollte, um dort eine Radarstation zu errichten, fand sie die gesamte Bevölkerung am Strande zu ihrem Empfang versammelt, einem Empfang freilich, wie ihn die Lederhälse — das ist der Name, mit dem man in den Staaten die im Rufe besonderer Rauheit stehenden Seesoldaten belegt — keineswegs erwartet hatten.
Hand in Hand, die ärmlichen Hemden und Kimonos mit weißen Blüten geschmückt, traten die Inselbewohner den an Land Watenden entgegen, wobei sie aus voller Kehle "Ameko kaäre — Ami go home!" riefen. Weder Zureden noch Drohungen, noch auch Kolbenschläge konnten die lebende Kette sprengen, dergestalt, daß, da auch die zu Hilfe gerufene japanische Polizei, sei es aus Scham, sei es aus Furcht oder Schwäche, nichts auszurichten vermochte, die Amerikaner schließlich unverrichteterdinge abziehen mußten. Das "Ameko kaäre!" der Fischer und ihrer Frauen und Kinder gellte ihnen nach, als sie bereits wieder in ihren Booten saßen, und der gleiche Ruf grüßte sie bei ihrer Rückkehr nach Tokio, von wo aus sie ihre Expedition angetreten hatten.
Zu berichten bleibt noch, daß Osima, im Volksmunde bisher Eiland der Selbstmörder geheißen, weil seit undenklichen Zeiten Lebensüberdrüssige durch einen Sprung in den Krater seines Vulkans den Tod gesucht, jetzt allgemein Insel der Kämpfer für das Leben genannt wird.
Offizieren der siegreichen verbündeten Truppen, die in der Wohnung des von ihnen dingfest gemachten KZ-Kommandanten von Mauthausen Haussuchung hielten, fiel ein Tagebuch in die Hände, das dem halbwüchsigen Sohn des Verhafteten gehörte.
In dem Buch fand sich eine Eintragung des Inhalts, daß der Junge an seinem dreizehnten Geburtstag vom Vater ein Infanteriegewehr, zweihundert Schuß scharfe Munition und, als besondere Überraschung, vierzig Juden zum Einschießen erhalten habe.
Und nun sage mir einer, daß Herz, Gemüt und Vaterliebe im Dritten Reich nicht hochgehalten wurden.
Eine Anekdote aus dem zweiten Jahr der Hitlerherrschaft
Als der Kommandant des Konzentrationslagers S…, ein alter Halsabschneider, den seine Vergangenheit als Offizier im Freikorps Roßbach sicherlich zu weit höheren Stellen emporgetragen hätte, wäre er nicht mit einigen seiner früheren Kameraden in der SS-Führung verfeindet gewesen, die Mitteilung erhielt, daß er versetzt werden solle, ließ er — sei es aus Zorn über die als Maßregelung empfundene Abberufung, sei es, um seine Nützlichkeit zu beweisen — den von den Gefangenen kurz zuvor errichteten Horst-Wessel-Gedenkstein von unbekannten Tätern besudeln und daraufhin vierundvierzig verdächtige Häftlinge im Zandersaal (so hieß in S… der Raum, worin geprügelt wurde) so lange verhören, bis sie bewußtlos waren.
Dann wurden die übrigen Häftlinge, an die fünfhundert Mann, aus den Baracken gepfiffen und in einer langen Doppelreihe zwischen dem Zandersaal und dem Lagerlazarett aufgestellt. Durch die lebendige Gasse wurden die vierundvierzig geschleift: an den Beinen, die blutigen Köpfe im Staub.
Die Gefangenen standen, während sie dies mit ansehen mußten, mit verzerrten Gesichtern da. Sie hatten die Zähne auf die Lippen gebissen, sie hatten die Nägel in die Handballen gebohrt, sie zitterten und keuchten, einige schluchzten, zwei oder drei wurden ohnmächtig. Aber keiner schrie auf. Sie wußten: hinter ihnen lauerten schußfertige Maschinengewehre auf ein "Signal zum Aufruhr".
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