Cornelia stöhnte gequält, als die Hebamme ihr die Oberschenkel mit goldgelbem Olivenöl einrieb, um die Muskeln zu entkrampfen. Clodia reichte ihr einen Becher mit warmer Milch und Honigwein, und sie schluckte den Inhalt hinunter, ohne richtig zu schmecken, was sie trank. Sie hielt den Becher wieder hin, weil sie noch immer durstig war, doch schon kündigte sich die nächste Wehe an. Sie erschauerte und schrie laut auf.
Die Hebamme rieb sie weiter mit ausholenden Bewegungen ein und tauchte das weiche Wolltuch immer wieder in die Ölschale.
»Jetzt dauert es nicht mehr lange«, sagte sie beruhigend. »Du hältst dich tapfer. Die Honigmilch hilft gegen die Schmerzen, aber zur Geburt müssen wir dann zum Stuhl hinübergehen. Clodia, hol noch mehr Tücher, und einen Schwamm für den Fall, dass es blutet. Aber das dürfte eigentlich nicht geschehen. Du bist sehr stark und deine Hüften haben die richtige Breite für diese Aufgabe.«
Cornelia konnte als Antwort nur stöhnen. Sie keuchte hastig, als die Wehe ihre volle Stärke erreicht hatte. Dann biss sie die Zähne zusammen, klammerte sich an die Seiten des harten Bettes und drückte ihr Becken nach unten. Die Hebamme schüttelte missbilligend den Kopf.
»Fang noch nicht an zu pressen, Liebes. Das Kind überlegt noch, ob es rauskommen will. Es hat sich erst in die richtige Stellung gedreht und muss sich ein wenig ausruhen. Ich sage dir schon, wann du anfangen kannst, sie herauszupressen.«
»Sie?«, stieß Cornelia zwischen zwei stoßweisen Atemzügen hervor.
Die Hebamme nickte. »Jungen sind bei der Geburt immer einfacher. Nur Mädchen brauchen so lange wie dieses Kind hier.« Sie bedankte sich bei Clodia, die den Schwamm und die Tücher für die Entbindung neben dem hölzernen Geburtsstuhl bereitlegte.
Clodia nahm Cornelias Hand und streichelte sie sanft. Eine Tür öffnete sich leise und Aurelia trat ein. Sie kam rasch auf das Bett zu und umfasste Cornelias andere Hand mit festem Griff. Clodia betrachtete sie verstohlen. Tubruk hatte ihr alles über die Probleme dieser Frau erzählt, damit sie mit eventuellen Schwierigkeiten umgehen konnte. Doch Aurelias Aufmerksamkeit schien ganz auf Cornelia gerichtet, die hier in den Wehen lag. Und es war richtig, dass sie bei der Geburt ihres Enkelkindes dabei war. Tubruk war fort, um sich um die Angelegenheit zu kümmern, die sie miteinander besprochen hatten. Also war es an Clodia, Aurelia hinauszuführen, falls sie vor dem Ende der Geburt einen Anfall erlitt. Keiner ihrer eigenen Bediensteten würde das wagen, doch es war keine Aufgabe, auf die sich Clodia besonders freute, und so sandte sie ein Stoßgebet an die Hausgötter, sie ihr möglichst zu ersparen.
»Wir glauben, dass es eine Tochter wird«, sagte sie zu Julius’ Mutter, als diese ihren Platz auf der anderen Seite des Bettes einnahm.
Aurelia antwortete nicht. Clodia fragte sich, ob ihre Steifheit daher rührte, dass sie die Dame des Hauses war und Clodia nur eine Sklavin, aber dann verwarf sie diesen Gedanken. Die Regeln waren während einer Entbindung ohnehin gelockert, und Tubruk hatte ihr ja gesagt, dass Aurelia sich schon mit kleinen Dingen schwer tat, die für andere selbstverständlich waren.
Cornelia schrie auf und die Hebamme nickte knapp.
»Jetzt ist es so weit«, sagte sie und drehte sich zu Aurelia um. »Fühlst du dich in der Lage, uns zu helfen, meine Liebe?«
Als keine Antwort kam, wiederholte die Hebamme ihre Frage ein wenig lauter. Aurelia schien aus einem Dämmerzustand zu erwachen.
»Ich möchte gerne helfen«, sagte sie leise, und die Hebamme musterte sie eindringlich. Dann zuckte sie die Schultern.
»In Ordnung. Aber es kann Stunden dauern. Wenn es dir zu viel ist, schicke uns lieber ein starkes junges Mädchen an deiner Stelle. Hast du mich verstanden?«
Aurelia nickte. Ihre Aufmerksamkeit war schon wieder auf Cornelia gerichtet, und sie versuchte nach Kräften dabei mitzuhelfen, Cornelia zum Stuhl hinüberzuführen.
Auch Clodia hob an und wunderte sich über die Zuversicht der Hebamme. Sie war natürlich eine Freigekaufte, deren Tage der Sklaverei schon lange hinter ihr lagen, doch in ihrem Verhalten lag keine Spur von Ehrerbietung. Clodia mochte sie gern und beschloss, genauso stark zu sein wie sie, wenn es nötig sein sollte.
Der Gebärstuhl war solide gebaut und vor ein paar Tagen zusammen mit der Hebamme auf einem Karren herbeigeschafft worden. Mit vereinten Kräften führten die Frauen Cornelia zu dem Stuhl, der nicht weit entfernt vom Bett aufgestellt worden war. Cornelia umklammerte die Armlehnen und ließ ihr ganzes Gewicht auf die schmale Rundung der Sitzfläche fallen. Die Hebamme kniete sich vor sie hin und drängte über dem halbrunden Ausschnitt im alten Holz des Stuhles sanft ihre Beine auseinander.
»Drück den Rücken ganz fest gegen die Lehne«, riet sie Cornelia und drehte sich zu Clodia um. »Achte darauf, dass der Stuhl nicht nach hinten umkippt. Sobald das Köpfchen zu sehen ist, habe ich etwas anderes für dich zu tun. Aber im Moment ist das deine Aufgabe, verstanden?«
Clodia stellte sich hinter den Stuhl und stemmte die Hüfte gegen die Rückenlehne.
»Aurelia, wenn ich es sage, drückst du auf dem Bauch nach unten. Aber nicht vorher, ist das klar?«
Mit wachen Augen legte Aurelia die Hände auf die Wölbung des Bauches und wartete geduldig.
»Es geht wieder los«, jammerte Cornelia.
»So soll es auch sein, mein Mädchen. Das Kind will jetzt heraus. Warte, bis die Wehe richtig da ist, und fang erst an zu pressen, wenn ich es dir sage.« Ihre Hände verrieben noch mehr Öl auf Cornelias Haut, und sie lächelte aufmunternd.
»Jetzt dauert es nicht mehr lange. Bist du bereit? Jetzt pressen, Mädchen! Aurelia, vorsichtig nach unten drücken!«
Sie pressten gemeinsam, und Cornelia schrie vor Schmerzen auf. Wieder und wieder pressten sie und ließen wieder los, bis die Wehe verschwunden war. Cornelia war von Schweißüberströmt, ihr Haar glänzte dunkel und nass.
»Der Kopf ist immer das Schwerste«, sagte die Hebamme. »Du machst das sehr gut, mein Kind. Viele Frauen schreien die ganze Zeit über. Clodia, ich möchte, dass du ihr während der Wehen ein Tuch ans Gesäß hältst. Sie würde es uns nicht danken, wenn da am Ende ein paar Trauben hingen.«
Clodia tat wie ihr geheißen, griff zwischen der Stuhllehne und Cornelia nach unten und hielt das Tuch an die besagte Stelle.
»Jetzt hast du es bald geschafft, Cornelia«, sagte sie tröstend.
Cornelia brachte ein schwaches Lächeln zustande. Dann aber kam schon die nächste Wehe. Die Stärke der Muskelkontraktionen war Furcht erregend. So etwas hatte sie noch nie erlebt, und sie kam sich fast vor wie eine Zuschauerin in ihrem eigenen Körper, der sich mit ungeahnten Kräften in seinem eigenen Rhythmus bewegte. Sie fühlte, wie sich der Druck weiter und weiter aufbaute und dann plötzlich wieder nachließ. Erschöpft fiel sie zurück.
»Ich kann nicht mehr«, flüsterte sie.
»Ich habe schon den Kopf, Liebes. Der Rest ist jetzt einfacher«, erwiderte die Hebamme ruhig und aufmunternd. Aurelia strich mit den Händen über die Wölbung und beugte sich über den Stuhl, um zwischen Cornelias zuckende Beine zu schauen.
Die Hebamme hielt den Kopf des Kindes in den Händen, die sie zuvor mit grobem Stoff umwickelt hatte, damit sie nicht abrutschten. Die Augen des Kindes waren noch geschlossen und der Kopf sah irgendwie unförmig verzogen aus, doch die Hebamme schien unbesorgt, und nun glitt auch der restliche Körper in ihre Hände. Cornelia sackte erschöpft im Stuhl zusammen. Ihre Beine fühlten sich an wie Wasser. Sie atmete unregelmäßig und stoßweise und konnte nur dankbar nicken, als ihr Aurelia die Stirn mit einem kühlen Lappen abwischte.
»Wir haben ein Mädchen!«, sagte die Hebamme fröhlich, während sie ein kleines scharfes Messer an die Nabelschnur setzte. »Gut gemacht, meine Damen! Clodia, hol mir eine glühende Kohle, damit ich das hier veröden kann.«
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