»Du hast es mir selbst befohlen«, verteidigte Hierax sich. »Ohne deine Erlaubnis hätte ich mich nicht darauf eingelassen, da ich doch nur dein Sklave bin. Aber unter den Christen habe ich mein sündiges Sklavenkleid abgelegt. Nach ihrer Lehre sind wir, du und ich, vor Christus gleich. Du mußt gütig und sanft gegen mich sein, und ich werde dir wie bisher nach bestem Vermögen dienen. Wenn wir nur einmal die hochmütigsten und engstirnigsten Juden losgeworden sind, wird unser Liebesbund ganz Korinth zur Zierde gereichen.«
Am nächsten Morgen war Hierax wieder klar im Kopf und weit bescheidener. Er machte jedoch ein langes Gesicht, als ich ihm sagte, ich müsse nach Asia reisen und ihn mitnehmen, da ich auf einer so langen Reise natürlich nicht ohne Diener auskommen könne.
»Das ist unmöglich!« jammerte Hierax und raufte sich die Haare. »Ich habe doch gerade erst hier Fuß gefaßt und auf deine Rechnung allerhand nützliche Geschäfte angeknüpft. Wenn du dich nun plötzlich aus allen laufenden Unternehmungen zurückziehen mußt, so fürchte ich, daß du sehr viel Geld verlieren wirst. Außerdem kann ich die Christen in Korinth nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, nun da Paulus abgereist ist und Streit und Zersplitterung unter ihnen herrscht. Und wer wird sich um die Witwen und die Waisen kümmern, wie es ihre Lehre verlangt, da ich doch der einzige bin, der mit Geld umzugehen versteht, oder jedenfalls einer der wenigen aus der ganzen Gemeinde? Ich habe eine lehrreiche Geschichte gehört von einem Herrn, der seinen Knechten pfundweise Gold gab und sie dann aufforderte, Rechenschaft abzulegen, wie sie es vermehrt hätten. Ich will am Tag der Abrechnung nicht als ein untauglicher Knecht dastehen.«
Hierax hatte während meiner Abwesenheit Fett angesetzt und sich eine großsprecherische Art angewöhnt. Auf längeren und beschwerlichen Reisen hätte er mir nichts mehr genützt. Er hätte nur geschnauft und gejammert und sich nach dem bequemen Leben in Korinth zurückgesehnt. Ich sagte daher: »Bald jährt sich der Todestag meiner Mutter. Ich werde dich freilassen, so daß du in Korinth bleiben und dich um das Haus kümmern kannst. Ich sehe ein, daß ich nur Verluste erleiden würde, wenn ich alles verkaufte, was ich mir hier zu meiner Bequemlichkeit geschaffen habe.«
»Eben das wollte ich dir vorschlagen«, sagte Hierax eifrig. »Bestimmt hat dir der Gott der Christen diesen Gedanken eingegeben. Ich habe mir einiges erspart, so daß ich die Hälfte meiner Freilassungssteuer selbst bezahlen kann. Ich habe mich auch schon auf Umwegen bei einem bekannten Rechtsgelehrten im Rathaus erkundigt, was für mich ein geziemender Preis wäre. So dick, wie ich nun geworden bin, tauge ich nicht mehr zu körperlicher Arbeit, und außerdem habe ich einige Fehler, die ich zwar vor dir verbergen konnte, die aber meinen Wert senken würden, wenn ich noch einmal verkauft werden sollte.«
Ich nahm sein Anerbieten nicht an, da ich der Meinung war, daß er seine geringen Ersparnisse selbst brauchte, um in dem gierigen Korinth auf die Beine zu kommen und Erfolg zu haben. Ich erlegte also das Lösegeld für ihn und drückte ihm selbst den Freilassungsstab in die Hand. Zugleich stellte ich ihm eine behördlicherseits bestätigte Vollmacht aus, mein Haus und meinen übrigen Besitz in Korinth zu verwalten. Ich war im Grunde recht froh, auf diese Weise sowohl ihn als auch alle lästigen Pflichten loszuwerden. Die Leichtfertigkeit, mit der er die Sache der Christen betrieb, gefiel mir nicht, und ich wollte daher keine andere Verantwortung für ihn tragen als die, die einer für seinen Freigelassenen übernimmt.
Hierax Lausius begleitete mich bis Kenchreae, wo ich an Bord eines Schiffes ging, das nach Ephesus segelte. Er dankte mir noch einmal dafür, daß ich ihm erlaubt hatte, sich Lausius zu nennen, denn dieser Name dünkte ihn vornehmer und würdevoller als Minutius. Seine Abschiedstränen waren wohl aufrichtig, obwohl ich annehme, daß er erleichtert aufseufzte, als das Schiff auslief und er einen allzu jungen und unberechenbaren Herrn losgeworden war.
Troxobores, ein Bandenführer aus dem Bergvolk der Kliter, machte sich die Unruhen in Armenien, welche die syrischen Legionen banden, zunutze, um ein geübtes Kriegsheer im Innern Kilikiens aufzustellen, und stieß von dort zur Küste nieder, wo er die Häfen plünderte und mit seinen Ruderschiffen die Seefahrt störte. Der kilikische Bundeskönig, der bejahrte Antiochus, war machtlos, da seine Hilfstruppen in Armenien standen. In ihrer Frechheit belagerten die Kliter zuletzt sogar die Hafenstadt Anemurium. Ich stieß auf dem Wege von Ephesus nach Antiochia auf eine Abteilung syrischer Reiterei unter dem Präfekten Curtius Severus, die Anemurium entsetzen wollte, und erachtete es in dieser Notlage für meine Pflicht, mich Severus anzuschließen.
Wir erlitten vor den Mauern Anemuriums eine schwere Niederlage, da das Gelände für die Bergbewohner des Troxobores günstiger war als für unsere Reiterei. Zum Teil hatte auch Severus Schuld daran, denn er glaubte, eine kampfungewohnte Räuberbande einfach dadurch in die Flucht schlagen zu können, daß er die Hörner blasen ließ und in vollem Galopp angriff, ohne vorher das Gelände und die wirkliche Stärke des Troxobores erkunden zu lassen.
Ich wurde in der Seite, an einem Arm und an einem Fuß verwundet. Mit einem Strick um den Hals und hinter dem Rücken gefesselten Händen wurde ich in die unzugänglichen Berge der Kliter hinaufgeführt, und dort war ich zwei Jahre lang Gefangener des Troxobores. Die Freigelassenen meines Vaters in Antiochia hätten mich auf der Stelle freigekauft, aber Troxobores war ein listiger, kriegslüsterner Mann und wollte lieber einige hochgestellte Römer in der Hand haben, als in seinen Schlupfwinkeln Lösegelder ansammeln. Der syrische Prokonsul und König Antiochus verkleinerte in seinen Berichten an den Senat die Bedeutung dieses nicht enden wollenden Aufstandes in den Bergen, um ihn mit eigener Kraft niederwerfen zu können, und auch weil er, nicht ohne Grund, den Zorn des Kaisers fürchtete.
Troxobores sagte: »Mit dem Rücken an der Wand kann ich mir um Gold mein Leben nicht erkaufen, aber euch römische Ritter kann ich zuletzt immer noch kreuzigen lassen, um mit einem stattlichen Gefolge in die Unterwelt einzuziehen.«
Er behandelte uns Gefangene, wie es seine Laune ihm eingab, bald gut, bald schlecht. Er konnte uns zu seinen rohen Mahlzeiten einladen, uns zu essen und zu trinken geben und uns mit Tränen in den Augen seine Freunde nennen, aber nach dem Mahl schloß er uns in eine schmutzige Höhle ein, ließ die Öffnung zumauern und uns durch ein faustgroßes Loch gerade so viel trocken Brot reichen, daß wir mit knapper Not am Leben blieben. Zwei von uns begingen Selbstmord, indem sie sich mit einem Steinsplitter die Halsschlagader aufschnitten.
Meine Wunden entzündeten sich und quälten mich. Sie wässerten, und ich glaubte sterben zu müssen. In diesen zwei Jahren lernte ich, in der tiefsten Erniedrigung zu leben, stets auf die Folter oder den Tod gefaßt. Mein Sohn Julius, mein einziger Sohn, wenn Du dies nach meinem Tode liest, sollst Du wissen, daß die tiefen Narben, die ich in meinem Gesicht trug und von denen ich Dir, als Du noch klein warst, in meiner Eitelkeit sagte, sie stammten von meinen Kämpfen in Britannien, nicht das Werk der Briten sind. Ich bekam sie viele Jahre vor Deiner Geburt in einer kilikischen Höhle, wo ich zu Demut und Geduld erzogen wurde und vor Scham mein Gesicht in die rauhe Felswand drückte. Denk manchmal daran, wenn Du so eifrig Deinen habsüchtigen und altmodischen toten Vater kritisierst.
So viele Männer, wie Troxobores, als er noch Erfolg hatte, um sich zu sammeln und zu Kriegern auszubilden vermochte, so viele ließen ihn nach seiner ersten Niederlage im Stich. Er beging nämlich den Fehler, sich auf eine offene Feldschlacht einzulassen, der seine nicht genug geübten Truppen nicht gewachsen waren.
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