Mein Vater hob abwehrend beide Hände, seufzte tief und sagte: »Sein Reich läßt auf sich warten, aber ohne Zweifel seid ihr es, die an seinem Geiste teilhaben, und nicht ich. Tut also, wie ihr meint. Wenn die Sache vor den Senat kommt, werde ich versuchen, ein Wort für euch einzulegen. Darum seid ihr ja zu mir gekommen. Wenn es euch aber nichts ausmacht, will ich von dem Reich lieber nicht sprechen, denn das könnte böses Mißtrauen gegen euch erwecken.«
Damit gaben sie sich zufrieden und gingen gerade zur rechten Zeit, denn Tullia kam eben von ihren Besuchen zurück. Sie begegnete ihnen noch unter den Säulen und rief unwillig, als sie eintrat: »Wie oft, Marcus, habe ich dich schon davor gewarnt, diese zweifelhaften Juden bei dir zu empfangen. Ich habe nichts dagegen, daß du zu Philosophen gehst, und wenn es dich freut, magst du meinetwegen auch den Armen helfen, deinen Arzt zu bedürftigen Kranken schicken und elternlosen Mädchen eine Mitgift schenken. Mit irgend etwas muß der Mensch ja seine Zeit hinbringen. Aber, bei allen Göttern, halte dich von diesen Juden fern, wenn dir dein eigenes Wohlergehen lieb ist!«
Nachdem sie auf diese Weise ihrem Ärger Luft gemacht hatte, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf mich, tadelte mein schlechtes Schuhwerk, die ungeschickt gelegten Falten in meinem Mantel und mein plump geschnittenes Haar und sagte böse: »Du bist hier nicht mehr unter rohen Kriegern. Du mußt deinem Vater zuliebe besser auf dein Äußeres achten. Ich werde dir einen Barbier und einen Kleiderpfleger schenken müssen, denn Tante Laelia ist zu altmodisch und zu kurzsichtig, um sich ordentlich um dich kümmern zu können.«
Ich antwortete verdrossen, ich hätte schon einen Barbier, denn ich wollte nicht, daß einer von Tullias Sklaven jeden meiner Schritte überwachte. Es stimmte auch, daß ich an meinem Geburtstag einen Barbiersklaven gekauft und gleich freigelassen hatte, obwohl es eigentlich schade um ihn war, und daß ich ihm in Suburra eine eigene Barbierstube eingerichtet hatte. Er taugte schon recht gut dazu, Frauenperücken zu verkaufen und die üblichen Kuppelgeschäfte zu besorgen. Nun erklärte ich Tullia, es würde Tante Laelia zutiefst kränken, wenn ein fremder Sklave ins Haus käme, um für meine Kleidung zu sorgen. »Außerdem hat man mit Sklaven mehr Ärger als Freude«, sagte ich zuletzt.
Tullia meinte darauf, es käme nur auf die rechte Zucht und Ordnung an, und dann fragte sie mich: »Was willst du eigentlich mit deinem Leben anfangen, Minutus? Ich habe mir sagen lassen, du treibst dich ganze Nächte in den Bordellen herum und schwänzt die Leseübungen bei deinem Rhetor. Wenn du wirklich im Winter dein Buch vorlesen willst, mußt du deinem zügellosen Körper Zwang antun und hart arbeiten. Außerdem ist es höchste Zeit, daß du eine standesgemäße Ehe schließt.«
Ich erwiderte, daß ich meine Jugend noch eine Weile zu genießen gedächte und daß ich immerhin noch nicht ein einziges Mal wegen Trunkenheit oder irgendwelcher dummen Streiche, wie sie bei den jungen Rittern an der Tagesordnung waren, mit den Behörden in Konflikt geraten sei. »Ich sehe mich um«, sagte ich. »Ich beteilige mich an den Reitübungen, ich höre mir Prozesse an, wenn ein wirklich interessanter Fall verhandelt wird. Ich lese Bücher, und Seneca selbst, der Philosoph, hat mir große Freundlichkeit erwiesen. Ich denke freilich daran, mich früher oder später um eine Quästur zu bewerben, aber noch bin ich zu jung und unerfahren, obwohl ich eine Sondergenehmigung erhalten könnte.«
Tullia betrachtete mich mitleidig. »Du mußt begreifen, daß es für deine Zukunft das Wichtigste ist, mit den richtigen Leuten bekannt zu werden«, sagte sie. »Ich habe dir Einladungen in vornehme Häuser verschafft, aber man hat sich darüber beklagt, daß du mürrisch und maulfaul bist und Freundschaft nicht mit Freundschaft vergelten magst.«
Dafür hatte ich meine guten Gründe. »Liebe Stiefmutter«, sagte ich daher, »ich weiß dein kluges Urteil zu schätzen, aber alles, was ich in Rom gehört und gesehen habe, warnt mich davor, gute Beziehungen zu Leuten anzuknüpfen, die im Augenblick gerade die richtigen zu sein scheinen. Einige hundert Ritter, von den Senatoren ganz zu schweigen, wurden hingerichtet oder begingen Selbstmord, nur weil sie einmal die richtigen waren oder die richtigen allzugut kannten.«
»Dank Agrippina ist das jetzt alles anders geworden«, wandte Tullia mit verdächtigem Eifer ein, aber meine Worte machten sie doch nachdenklich, und nach einer kleinen Weile meinte sie: »Das Klügste, was du tun könntest, wäre, dich den Wagenrennen zu widmen und dich einer der Farbparteien anzuschließen. Das ist eine ganz unpolitische Beschäftigung, die doch zu wertvollen Freundschaftsverbindungen führt. Ein Pferdenarr bist du ja.«
»Man kann auch von Pferden genug bekommen«, erwiderte ich.
»Sie sind jedenfalls weniger gefährlich als Frauen«, sagte Tullia giftig. Mein Vater sah sie nachdenklich an und gab zu, daß sie dieses eine Mal recht hatte. Um sich zu rächen, sagte sie: »Es würde unnötiges Aufsehen erregen, wenn du dir gleich ein eigenes Gespann zulegtest, obwohl dir dein Vater dabei behilflich sein könnte. Sobald der neue Hafen in Ostia fertig ist, wird der Getreideanbau in Italien zum reinen Verlustgeschäft. Es ist zwar nur eine Frage der Zeit, bis aus den Äckern wieder Weiden geworden sind, aber du taugst wohl kaum zum Pferdezüchter. Begnüge dich damit, bei den Wagenrennen Wetten abzuschließen.«
Meine Tage waren aber auch ohne den Zirkus angefüllt. Ich hatte ja mein eigenes Haus auf dem Aventin, ich mußte mich um den bärbeißigen alten Barbus kümmern und Tante Laelia besänftigen, und dazu kam ein Prozeß, den die Nachbarn meinem gallischen Freigelassenen anhängten, weil seine Seifensiederei nicht eben angenehm duftete. Ich verteidigte ihn vor Gericht, und es war keine große Kunst vonnöten, einen Freispruch zu erwirken, da ich darauf hinweisen konnte, daß die Werkstätten der Gerber und Färber, in die man die Urinfässer von den Straßenecken brachte, einen noch abscheulicheren Gestank verbreiteten. Schwieriger war es, die Behauptung zu widerlegen, der Gebrauch von Seife anstelle von Bimsstein verweichliche den Körper und widerspreche dem Geist der Väter. Der Anwalt der Nachbarn meines Galliers versuchte sogar zu erreichen, daß die Seifenherstellung in Rom grundsätzlich verboten werde, indem er sich auf unsere Väter und Vorväter zurück bis Romulus berief, die sich alle damit begnügt hatten, sich mit dem gesunden, abhärtenden Bimsstein zu reinigen. In der Verteidigungsrede für meinen Freigelassenen rühmte ich Rom als Reich und Weltmacht. »Romulus verbrannte auch keinen Weihrauch aus dem Osten vor seinen Götterbildern!« rief ich stolz. »Unsere Vorväter ließen sich auch keinen Störrogen vom jenseitigen Ufer des Schwarzen Meeres kommen und keine seltenen Vögel aus den Steppen, keine Flamingozungen und keine indischen Fische. Rom ist ein Schmelztiegel vieler Völker und Sitten. Es wählt sich von allem das Beste aus und veredelt fremde Sitten, indem es sie zu seinen eigenen macht.«
Der Gebrauch der Seife wurde in Rom nicht verboten, und mein Freigelassener verbesserte seine Ware dadurch, daß er seihen Seifen wohlriechende Essenzen beimengte und ihnen schöne Namen gab. An der echt ägyptischen Kleopatraseife, die in einer Seitengasse in Suburra hergestellt wurde, verdienten wir ein kleines Vermögen. Ich muß allerdings gestehen, daß die besten Kunden außer den Römerinnen Griechen und Fremde aus den Ländern des Ostens waren, die in Rom wohnten. In den öffentlichen Bädern galt der Gebrauch von Seife nach wie vor als unsittlich.
Ich war vollauf beschäftigt, und doch geschah es mir des Abends, bevor ich einschlief, oft, daß ich von einer unbestimmten Ruhelosigkeit ergriffen wurde und mich fragte, wozu ich auf der Welt sei. Bald freute ich mich über meine kleinen Erfolge, bald war ich niedergeschlagen, weil ich mir allzu unbedeutend vorkam. Der Zufall und Fortuna herrschten über die Gegenwart, und am Ende sah ich den Tod, das traurige Los aller Menschen. Zwar lebte ich unbeschwert und hatte Glück in allem, was ich unternahm, aber immer, wenn ich etwas erreicht hatte, wurde meine Freude rasch schal, und ich war mit mir selbst unzufrieden.
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