Ich wandte erschrocken stammelnd ein: »Unter deiner Regierungszeit durften im ganzen Reich nicht einmal die schlimmsten Verbrecher zu den wilden Tieren verurteilt werden! Ich glaubte, diese barbarische Sitte hätte ein für allemal ein Ende. Auf so etwas bin ich nicht vorbereitet. Ich habe die erforderlichen Tiere nicht. Nein, ich mag nicht einmal daran denken!«
Neros Hals schwoll vor Zorn. »Rom irrt, wenn es glaubt, ich scheute mich, Blut im Sand zu sehen!« rief er. »Du tust, was ich dir befehle. Die Mädchen, die Dirke darstellen, werden nackt auf die Hörner von Auerochsen gebunden. Ein paar hundert Menschen können wir von Hunden zerreißen lassen.«
»Die Hunde sind darauf abgerichtet, wilde Tier zu jagen«, sagte ich und wunderte mich über seine mangelnde Sachkenntnis. »Sie würden niemals einen Menschen angreifen.« Ich dachte einen Augenblick nach und schlug dann vorsichtig vor: »Man könnte die Gefangenen bewaffnen und sie mit den Hunden Auerochsen jagen lassen. Bei einer solchen Jagd setzen, wie du weißt, sogar erfahrene Jäger ihr Leben aufs Spiel.«
Nero starrte mich böse an und fragte mit gefährlicher Ruhe: »Trotzest du meinem Willen, Manilianus. Ich denke, ich habe dir deutlich genug gesagt, was für eine Vorstellung ich morgen von dir haben will.«
»Morgen!« rief ich. »Du mußt von Sinnen sein! Das ist ganz und gar unmöglich!«
Nero richtete seinen großen Kopf in die Höhe und sagte prahlerisch: »Für Nero ist nichts unmöglich. Morgen haben wir die Iden. Bei Tagesanbruch tritt der Senat zusammen. Ich unterrichte ihn davon, daß wir die Brandstifter entdeckt haben. Sobald der Senat vollständig im Zirkus angelangt ist, kann die Vorstellung beginnen. Mein Entscheid stellt in einem solchen Fall ein rechtskräftiges Urteil dar, und ein Prozeß ist nicht notwendig. Das haben mir meine gelehrten Freunde übereinstimmend versichert. Nur aus Achtung vor dem Senat und um gewissen boshaften Gerüchten den Boden zu entziehen, überlasse ich die öffentliche Kundmachung dem Senat und lade diesen in den Zirkus ein, damit er sich mit eigenen Augen davon überzeugt, daß Nero nicht vor Blut zurückschreckt.«
»Ich habe für diesen Zweck keine Tiere«, sagte ich kurz und bereitete mich darauf vor, einen Trinkbecher an den Kopf oder einen Tritt in den Leib zu bekommen. Das wäre nicht das Gefährlichste gewesen, denn wenn Nero seinen Zorn durch körperliche Gewalttätigkeiten austobte, beruhigte er sich immer sehr rasch.
Er wurde aber nur noch ruhiger, starrte mich erbleichend an und fragte: »Habe nicht ich selbst dich zum Vorsteher des Tiergartens ernannt? Sind es deine Tiere oder meine?«
»Der Tiergarten gehört zweifellos dir, obwohl ich einen beträchtlichen Teil meines eigenen Vermögens hineingesteckt habe, was ich leicht nachweisen kann«, erwiderte ich. »Die Tiere dagegen sind mein persönliches Eigentum. In den Büchern der Staatskasse und deiner eigenen Kasse kannst du nachlesen, daß ich die Tiere für Jagdspiele Stück für Stück verkauft und die zahmen Tiere für andere Vorführungen um einen Preis, der von dem Wert der Vorstellung abhing, vermietet habe. Für deine Zwecke habe ich keine Tiere zu verkaufen oder zu vermieten. Weder du noch der Senat kann mich dazu zwingen, dir mein persönliches Eigentum zu überlassen, nur um eine umbarmherzige Laune zu befriedigen. Ich habe das Recht auf meiner Seite und brauche mich nicht zu fürchten.«
Die anwesenden Rechtsgelehrten und Senatoren nickten widerwillig. Nero lächelte mich plötzlich freundlich an. »Wir sprachen eben auch über dich, Minutus«, sagte er. »Ich nahm dich in Schutz, so gut ich es vermochte, aber du bist selbst von dem verderblichen Aberglauben der Christen angesteckt. Du weißt zu viel darüber. Während des Brandes im letzten Sommer hast du übrigens auch ein kostbares Pferd aus meinem Stall aus dem Palatin gestohlen und es nie zurückgegeben. Ich habe dich nicht daran erinnert, denn Nero ist nicht kleinlich, was immer man ihm sonst auch nachsagen mag. Und ist es nicht sonderbar, daß dein Haus auf dem Aventin von den Flammen verschont wurde? Ich habe außerdem gehört, daß du dich hinter meinem Rücken wieder vermählt hast. Es gibt freilich verschiedene Gründe, eine Ehe geheimzuhalten, aber es gibt mir doch zu denken, wenn ganz offen behauptet wird, die Gattin eines meiner Freunde sei Christin. Sagtest du nicht selbst, du habest an ihren geheimen Mählern teilgenommen? Ich hoffe, du wirst dich hier unter deinen Freunden augenblicklich von derlei Beschuldigungen reinwaschen.«
»Gerüchte, nichts als Gerüchte«, sagte ich verzweifelt. »Man sollte meinen, daß du, ja gerade du, allen unbegründeten Klatsch verachtest, ich hätte nicht gedacht, daß du ihm deine Ohren öffnen würdest.«
»Du zwingst mich dazu, Minutus«, erwiderte Nero sanft. »Du bringst mich als deinen Freund in eine mißliche Lage. Daß die Christen rasch und unnachsichtig bestraft werden, ist eine politische Notwendigkeit. Oder willst du vielleicht behaupten, ich hätte Rom angezündet, wie es gewisse Senatoren aus uraltem Neid und Eifersucht hinter meinem Rücken tun? Du willst verhindern, daß die Christen so bestraft werden, wie ich es wünsche, und deine Widersetzlichkeit hat zweifellos politische Ursachen. Ich muß sie wohl oder übel als eine Kundgebung gegen mich als Herrscher auffassen. Willst du etwa mich, deinen Freund, zwingen, dich als Christen zu verurteilen – natürlich nicht zu den wilden Tieren, sondern nur zur Enthauptung –, weil ich dich als meinen Feind und überdies als Feind der Menschheit ansehen muß? Das wäre vermutlich die einzige Möglichkeit, dein Eigentum auf gesetzlichem Wege zu beschlagnahmen. Liebst du wirklich die Christen und deine Tiere mehr als mich und dein eigenes Leben?«
Er lächelte selbstzufrieden, weil er wußte, daß er mich in der Falle hatte. Der Form halber zögerte ich noch und dachte währenddessen angestrengt nach, und ich muß heute zu meiner Rechtfertigung sagen, daß ich mehr an Claudia und mein ungeborenes Kind, also an Dich, Julius, dachte als an mich selbst.
Endlich sagte ich: »Man könnte einen Teil der Verurteilten in Bären- und Wolfsfelle stecken. Vielleicht würden die Hunde sie dann zerreißen. Aber die Zeit, eine sehenswerte Vorstellung vorzubereiten, ist sehr knapp bemessen.«
Alle brachen in ein befreiendes Gelächter aus, und es war nicht mehr die Rede davon, daß ich mit den Christen gemeinsame Sache gemacht hätte. Vielleicht hatte mich Nero nur im Scherz erschrecken wollen und nie die Absicht gehabt, seine Drohung wahr zu machen. Meine Tiere hätte er übrigens ohne weiteres beschlagnahmen lassen können, und zwar auf Grund der Buchführung des Tiergartens, die einer genaueren Überprüfung nicht standgehalten hätte, denn ich hatte mir meine Auslagen doppelt ersetzen lassen: einmal aus der Staatskasse und ein zweites Mal aus Neros eigener Kasse.
Ich will damit sagen, daß Nero meine Tiere in jedem Fall bekommen hätte, was auch immer aus mir geworden wäre. Deshalb glaube ich auch noch heute, daß ich damals das einzig Mögliche tat. Was würde es den Christen oder mir selbst genützt haben, wenn ich mir aus lauter Halsstarrigkeit den Kopf hätte abschlagen lassen? Als ich meinen Entschluß faßte, wußte ich freilich noch nicht, was für eine Rolle mein eigener Vater in dieser unglückseligen Geschichte zu spielen gedachte.
Nein, ich hätte vergeblich wider den Stachel gelockt. Nero hatte seine Herolde, schon als der Abendstern aufleuchtete, in den erhaltenen Stadtteilen ein Fest für den folgenden Tag ausrufen und das Volk zum Schauspiel in den Zirkus auf dem Vatikanischen Hügel laden lassen. Um diese Zeit hatte der Zug der Christen noch nicht einmal diese Stadtteile erreicht.
Ich hatte es so eilig, in den Tiergarten zu kommen, daß wir das Programm nur in großen Zügen festlegen konnten. Ich mußte noch in derselben Nacht die Tiere auswählen und über den Fluß schaffen, was keine leichte Aufgabe war. Ich ließ im Tiergarten sofort Alarm schlagen und Fackeln und große Ölbecken anzünden, so daß die ganze Gegend taghell erleuchtet war.
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