Er beschuldigte die jüdischen Kramhändler und die Zirkusleute in den Läden und am Capuanischen Tor, leichtsinnig mit dem Feuer umgegangen zu sein, meinte aber, daß diese Warenlager rasch ausgebrannt sein würden und keine weitere Gefahr bestünde. Im Grunde hielt er die Aufrechterhaltung der Ordnung für dringlicher als die Bekämpfung des Brandes, denn schon waren zahllose Sklaven und anderes Gesindel herbeigeströmt, um die günstige Gelegenheit zu nutzen und die Zirkusbuden zu plündern.
Nach einem Rundgang durch den Tiergarten, der schwer unter der Hitze litt, und einer Beratung mit dem Tierarzt wegen der Aufbewahrung der leicht verderblichen Fleischvorräte ordnete ich an, die Käfige mit frischem Wasser zu übergießen und den Tieren mehr Wasser als üblich zu geben. Mit Sabina unterhielt ich mich sehr freundschaftlich, denn seit der Scheidung verstanden wir uns viel besser als während der Zeit unserer Ehe.
Sabina bat mich, den Aufseher über die Aquädukte aufzusuchen und dafür zu sorgen, daß die Leitungen zum Tiergarten nicht wegen des Brandes gesperrt wurden. Ich versicherte ihr, daß wir uns deshalb nicht zu bemühen brauchten, da gewiß schon die Hausvorsteher aller vornehmen Familien in derselben Angelegenheit beim Aufseher vorgesprochen hatten, um die Bewässerung ihrer Gärten bei diesem heißen Wetter sicherzustellen.
Tatsächlich erhielt ich den Bescheid, daß die Absperrung der Leitungen nur durch Senatsbeschluß oder auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers aufgehoben werden konnte. Die üblichen Sparmaßnahmen mußten streng eingehalten werden. Da der Senat im Sommer nur zusammentritt, wenn der Staat in Gefahr ist, waren die meisten Senatoren nicht erreichbar, und Nero hielt sich zufällig gerade in Antium auf.
Ich kehrte wieder zum Palatin zurück, ging an dem nun im Sommer leeren Palatium vorüber und mengte mich unter die Zuschauer, die sich auf dem Hang über der Rennbahn angesammelt hatten. Es waren zumeist Sklaven, Diener und kaiserliche Gärtner. Niemand schien ernstlich besorgt zu sein, obwohl das ganze Tal unter uns eine einzige glühende, rauchende Esse war.
Die Feuersbrunst war so gewaltig, daß sich in der Luft Wirbel bildeten. Ein heißer Wind fuhr uns ins Gesicht. Funken und schwelende Tuchfetzen segelten bis zu uns herauf. Einige der Sklaven traten gleichgültig die Glut im Grase aus, und irgendeiner fluchte, weil ihm ein Funke ein Loch in sein Untergewand gebrannt hatte. Sonst aber war in den Gesichtern der Zuschauer nur die Erregung über das gewaltige Schauspiel zu lesen.
Als ich durch die Rauchwirbel zum Aventin hinüberblickte, bemerkte ich, daß der Brand schon den Fuß des Hanges erreicht hatte und langsam gegen meinen eigenen Stadtteil vorrückte. Ich mußte mich beeilen. Daher entließ ich meine Begleiter und lieh mir ein Pferd aus Neros Ställen. Ein Eilbote galoppierte vor mir her die heilige Straße zum Forum hinunter.
Dort waren die Vorsichtigeren schon dabei, ihre Läden zu verrammeln. Nur in den großen Markthallen herrschte noch die übliche Geschäftigkeit. Ich ritt zum Tiberstrand hinunter, um auf einem Umweg mein Haus zu erreichen. Unterwegs sah ich viele Männer, die schwere Lasten trugen und entweder geplündertes Gut fortschleppten oder ihre eigene Habe zu retten versuchten.
In den engen Gassen drängte sich das Volk. Mütter riefen weinend nach ihren Kindern. Familienväter standen besorgt vor ihren Türen und fragten einander unentschlossen, was sie tun sollten. Niemand wollte sein Haus leer zurücklassen, da es bei einem so großen Brand unmöglich ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Viele riefen bereits, der Kaiser müsse aus Antium zurückkehren. Auch ich fand es an der Zeit, Notstandsmaßnahmen zu ergreifen. Zum Glück lag mein Tiergarten außerhalb der Stadt, jenseits des Marsfeldes.
Als ich nach Hause kam, befahl ich sofort den Trägern, sich mit den Sänften bereitzuhalten, und forderte Claudia und Tante Laelia auf, sich mit den Hausgenossen in den vierzehnten Stadtbezirk jenseits des Tibers zu begeben. Ein jeder sollte von seiner wertvollsten Habe so viel mitnehmen, wie er zu tragen vermochte, denn Fuhrwerke standen uns unter Tage nicht zur Verfügung.
Nur dem Türhüter und dem kräftigsten der Sklaven befahl ich, zu bleiben und das Haus vor Plünderern zu schützen. Ich gab ihnen sogar Waffen, was durch die besonderen Umstände gewiß gerechtfertigt war. Wir mußten uns beeilen, denn ich nahm an, daß andere unserem Beispiel folgen und daß die engen Gassen des Aventins bald mit Flüchtlingen verstopft sein würden.
Claudia wollte jedoch nicht fliehen. Sie sagte, sie müsse zuerst ihre Freunde unter den Christen warnen und den Alten und Schwachen helfen. Sie seien durch Christus erlöst und darum mehr wert als Gefäße aus Gold und Silber. Ich zeigte auf Tante Laelia und schrie: »Da hast du eine Alte, um die du dich kümmern kannst. Und denke wenigstens an unser ungeborenes Kind!«
In diesem Augenblick erschienen Aquila und Prisca, schwitzend, keuchend und schwere Bündel schleppend, in unserem Garten. Sie baten mich, ihre Waren in meinem Haus ablegen zu dürfen, wo sie in Sicherheit wären, denn das Feuer näherte sich schon ihrer Weberei. Ihre Einfalt machte mich rasend, und zu allem Überfluß versicherte ihnen Claudia auch noch, es bestünde für uns bestimmt noch keine Gefahr. Aquila und Prisca durften sich nicht im jüdischen Stadtteil jenseits des Tibers sehen lassen. Die Juden kannten sie und verabscheuten sie wie die Pest.
Durch den Streit und das Gejammer der Weiber verloren wir kostbare Zeit. Zuletzt wußte ich mir nicht mehr anders zu helfen. Ich versetzte Tante Laelia einen Schlag auf ihr Hinterteil und stieß Claudia mit Gewalt in eine Sänfte. Endlich setzte sich unser Zug in Bewegung. Da kamen einige Christen mit rußigen Gesichtern und weißen Brandblasen auf den Armen herbeigestürzt und fragten nach Aquila.
Mit erhobenen Armen und starren Blicken riefen sie, sie hätten mit eigenen Ohren Erde und Himmel mit Donnergetöse bersten gehört, und nun werde Christus, seinem Versprechen treu, aus einer Wolke niedersteigen. Alle Christen müßten daher ihre Bürden abwerfen und sich auf den Hügeln der Stadt versammeln, um ihren Herrn und sein neues Reich zu empfangen. Der Tag des Gerichts sei gekommen.
Prisca war eine lebenskluge, vernünftige und beherrschte Frau und wollte eine solche Botschaft nicht ohne weiteres glauben. Im Gegenteil, sie gebot den Ankömmlingen zu schweigen. Ihr selbst war keine Offenbarung zuteil geworden, und im übrigen war außer den Rauchschwaden am ganzen Himmel nichts zu sehen.
Auch ich versicherte ihnen, daß Rom zwar von einem großen Unglück heimgesucht werde, daß aber Brände in zwei oder drei Stadtbezirken noch nicht den Untergang bedeuteten. Die erschrockenen Christen waren Arme und daher gewohnt, Höhergestellten zu glauben, und der schmale roten Streifen, den ich trug, überzeugte sie vollends davon, daß ich die Lage besser überschaute als sie.
Meiner Meinung nach war es nun höchste Zeit, die Prätorianer ausrücken zu lassen und in der Stadt den Notstand auszurufen. Ich war auf diesem Gebiet nicht sehr sachkundig, aber der gesunde Menschenverstand sagte mir, daß man quer über den Aventin eine möglichst breite Brandgasse schlagen mußte, ohne die Häuser zu schonen. Sodann mußte ein Gegenfeuer angezündet werden, um diejenigen Häuser aus dem Wege zu räumen, die ohnehin verloren waren. Es war menschlich verständlich, daß ich mein eigenes altes Haus zu denen rechnete, die gerettet werden konnten.
Ich ritt fort, um die Sache mit den Triumvirn meines Stadtteils zu besprechen, und schrie ihnen, als sie zögerten, ins Gesicht, daß ich bereit sei, die Verantwortung zu übernehmen. Sie schrien, kopflos, wie sie waren, zurück, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und es bestehe noch keine Notwendigkeit zu solchen Maßnahmen.
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