Wilhelm Walloth - Der Mime

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»Du scherzest, Gebieter,« sagte er mit leiser, gepreßt schmerzlicher Stimme, »du willst meiner spotten!«

Domitian hatte sich auf die Kissen seines Lagers hingestreckt.

»Scherzen?« entgegnete er fein lächelnd, sich an der Beschämung seines Opfers weidend, »nun und wenn selbst ich scherzte, was kümmerte es dich? Aber ich scherze nicht! Ich möchte nämlich an deinen Bewegungen die Kunst studiren, durch die du allen Weibern so unsägliche Bewunderung abnöthigst. Man sagt, du bist der gemeinschaftliche Ehegatte aller Ehegattinnen Roms. Gut mein Freund, gieb mir eine Probe deiner Kunst, zu gefallen, tanze eine Weiberrolle!«

Dies letzte Wort, mit ausgesuchter Geringschätzung betont, traf den Mimen wie der Tatzenschlag eines Tigers.

Parisʼ Mund öffnete sich krampfhaft, ein bitterer Zug verbreitete sich um seine erblassenden Lippen, und indem er die Stuhllehne umkrallte, stand er einige Zeit wie vernichtet.

Wenn er auch vor dem Volke zu tanzen gewohnt war, und ihm der Beifall schmeichelte, fühlte seine feine Natur sich doch nach jeder seiner Productionen wie gedemüthigt. Es kam vor, daß wenn ihm der Beifall am lautesten im Theater umwogt, er ganz niedergeschlagen zu Hause ankam, an nichts Gefallen fand und Thränen der Reue, der Scham ihm in den Augen standen, die selbst seine besten Freunde nicht zu verscheuchen vermochten. Der Hohn, der in des Kaisers Benehmen lag, gab ihm übrigens bald seine Selbstbeherrschung zurück.

Die Lippen energisch zusammenpressend, stieß er ein ersticktes: »Ich tanze nicht« hervor, das den Kaiser aus seinen Polstern in die Höhe fahren ließ. Der Kaiser sah den bebenden todblassen Jüngling, der sich gramvoll auf die Lippen biß, lange schweigend an.

»Widerstand?« murmelte er fragend, und sich völlig empor setzend, sah er mit einem zwar düstern, aber eigentlich nicht erzürnten, sondern eher träumerischen Ausdruck vor sich hin.

Paris, der sich auf das Schlimmste gefaßt machte, blieb regungslos, seitwärts zu Boden blickend, stehen, mit einem Gefühl in der Brust, als läge er in der Arena unter der Branke des Löwen. Sein Trotz wich jedoch bei aller Angst, die in seinem Herzen zitterte, um kein Haar breit, dieser Trotz war zu sehr die Folge von Demüthigungen. Um sich zu zerstreuen, lauschte er dem Rauschen der Flamme, dem Säuseln des Vorhangs. Sein Blick fiel sodann auf den grinsenden Zwerg und huschte von dieser widerlichen Fratze hinüber nach dem Fenster das so einladend draußen die Freiheit, die mondblaue Nacht, den tiefen Frieden der Natur zeigte. Welcher Gegensatz! Wer jetzt da draußen weilen dürfte! Wer Flügel hätte, um durch das Fenster zu entkommen!

Erst nach einer längeren Pause erhob sich der Kaiser, ließ einen Sklaven kommen, dem er die Flamme des Candelabers zu schüren befahl und setzte sich dann auf den neben dem Bette stehenden Sessel.

Der Sklave war gegangen, der Zwerg lehnte sich an die Bettstelle, der Kaiser saß noch immer schweigend, als habe er vergessen, daß sich Paris im Gemach befinde. Endlich, nachdem er einige Zeit nach Worten gesucht, sagte er, den Kopf tief zur Erde gebückt: »Du bist stolz, Paris!«

Paris, der sich allmälig wiedergefunden, war erstaunt über die Milde des Herrschers. Er athmete erleichtert auf.

»Hoher Herr, was ist der Mensch, wenn du ihm alle Achtung vor sich selbst nimmst? Gleicht er alsdann nicht dem Thiere?«

Domitian nickte. Die Art, in der der Mime sprach, nöthigte ihm unwillkürlich Achtung ab, er fühlte, daß er es hier nicht mit einem verblasenen Schwindler, sondern mit einem Manne zu thun hatte, der im Gefühl seines Werthes fest auf seinen Füßen steht und dem deshalb mit Strenge nicht beizukommen ist. Grade die Mischung von anschmiegender Weichheit und herber Festigkeit gefiel dem düstern, menschenscheuen Fürsten.

»Ich sage auch nicht, daß ich dir deine ablehnende Antwort verüble,« erwiderte er ruhig, fast träumerisch, »ich müßte lügen, wollte ich nicht gestehen, daß mir dein Trotz in gewissem Sinne gefällt. Ich verachte freilich dein Handwerk, du selbst scheinst mir indeß nicht verächtlich.«

Domitian erhob sich, nachdem er dies gesagt und schritt, den Thürvorhang hebend, ohne sich zu entschuldigen, in das nächstfolgende Gemach, in welchem Silius, der Hauptmann, Wache hielt. Sein Plan war entworfen, dies mußte ihm, wenn auch nicht völlige Gewißheit, doch einen klaren Einblick in das Verhältniß der beiden verschaffen.

»Silius,« flüsterte der Kaiser.

Silius trat auf den Zehen herzu.

»Ich hoffe, du bist verschwiegen,« flüsterte der Kaiser ein wenig erregt. Der Hauptmann legte die Hand auf die Brust und wollte seine Verschwiegenheit betheuern. Domitian unterbrach ihn jedoch.

»Gehe! Gieb im linken Flügel des Palastes sofort den Befehl, daß Domitia geweckt werde,« hauchte er dem erstaunten Soldaten inʼs Ohr. »Gründe giebst du keine an! Domitia solle vor mir erscheinen, ich wünsche es.«

Der Hauptmann entfernte sich sogleich, indeß ihm der Kaiser noch einige Schritte folgte.

Während dieses kurzen Zwiegesprächs hatte sich der Zwerg Antonius dem Tänzer zu nähern gesucht. Paris, aus seinen Gedanken gerissen, sah fast erschrocken auf den Verwachsenen herab, der zu ihm hingekrochen war und ihm allerlei zuflüsterte, auf das er nicht hörte, sondern es zerstreut mit. Kopfnicken beantwortete.

Nun, da Domitian wieder in dem Gemach erschien, zog sich der Zwerg zurück, indeß Paris überlegte, was wohl das Geflüster im anstoßenden Gemache bedeuten werde.

»Will er mir wohl oder haßt er mich?« frug sich der Tänzer, »und wird er wohl bald den wahren Grund meines Hierseins berühren?«

Als jetzt der Kaiser, die Hände auf dem Rücken, im Gemache auf- und niederschritt, ahnte Paris, auf welche Gegenstände sich nunmehr das Gespräch lenken werde und bereitete sich einstweilen im Geiste vor, Domitian ja keine anstößigen Antworten zu geben.

»Gestehe mir eins,« begann der Kaiser in leutseligem Tone, im Gemache auf- und abschreitend, »bist du wirklich den Weibern so gefährlich, Paris?«

»Ah! nun kommtʼs,« dachte der Mime, hustete einmal erregt und machte mit dem Fuße eine hastige Bewegung.

»Ich glaube, hoher Herr,« entgegnete er mit feiner Betonung. »ich glaube, es verhält sich umgekehrt, die Weiber werden mir gefährlich.«

Domitian streifte ihn mit einem verwunderten Seitenblick und fuhr sich über die kahle Stirn.

»Beim Zeus!« sagte er lachend, »du triffst das Richtige. Aber sprich! Wie viele Liebesabenteuer bestehst du monatlich?«

Paris, der hinter der humoristischen Behandlungsweise dieses Gegenstands den tiefen Ernst des Kaisers wohl herausklingen hörte, nahm sich zusammen.

»Herr,« sagte er, unwillkürlich seiner Eitelkeit ein wenig nachgebend, »wollte ich allen Anerbietungen folgen, beim Zeus! ich müßte ein Gott sein, denn meiner Menschlichkeit würde es übel ergehen, aber wisse, daß ich die Weiber nicht nur verachte, sondern geradezu fürchte.«

»Aber sie schwärmen doch alle für dich,« warf der Kaiser ein, »warum fürchtest du sie?«

»Nun, hoher Herr,« entgegnete Paris möglichst unbefangen, »die Klugheit ist mächtiger denn die Liebe. Wir Künstler sind keine Helden, unsere Waffe ist das Wort, der Ton, der Pinsel, der Meißel, nicht das Schwert, und, wenn wir genießen wollen, so vermeiden wir gern die Gefahr, die dem gewöhnlichen Sterblichen das Vergnügen würzt. Wir lieben das Bequeme. Glaubst du, ich wollte mir den Haß aller jener Ehemänner zuziehen, deren Frauen zuweilen Gefallen an mir finden?«

»So bringst du es über dich, auch Bitten abzuschlagen?« frug Domitian, das letzte Wort stark betonend.

»Hoher Herr,« sagte Paris mit aufrichtigem Ernst, »ich kann kein Weib lieben, das bereits von einem Zweiten geliebt wird.«

Domitian, der sogleich bemerkte, welchen geheimen Sinn Paris dieser Phrase unterlegte, erröthete flüchtig und betrachtete mit Wohlwollen die schöne, stolze, nur wenig an die Bühne erinnernde Haltung des Schauspielers.

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