Unsere Seelen vermählten sich in den tröstlichen Gedanken: >So war ich denn nicht der einzige, der litt!« Nach einer Pause sagte mir die Comtesse mit der Stimme, die sonst nur ihren Kindern gehörte, dass sie das Unglück gehabt hätte, als Mädchen zur Welt zu kommen, nachdem die Söhne gestorben waren; sie erklärte mir den Unterschied zwischen den Leiden eines Mädchens, das an den Röcken seiner Mutter hängt, und denen des Knaben, der in das Internatleben hineingestoßen wird. Meine Einsamkeit erschien mir wie ein Paradies, verglichen mit den Mühlsteinen, zwischen denen ihre Seele zerrieben wurde, bis zu dem Tage, wo ihre wirkliche Mutter, ihre gütige Tante, sie gerettet und den Martern entrissen hatte, deren nie versiegende Qualen sie mir schilderte. Es waren die tausend unnennbaren kleinen Reibereien, unerträglich für zartbesaitete Naturen, die vor einem Dolchstich nicht zurückschrecken, aber unter dem Schwert des Damokles zugrunde gehen: bald waren es Aufwallungen kindlichen Edelmuts, die ein eisiger Befehl zurückdämmte, bald ein Kuss, der nur lau erwidert wurde, bald ein Schweigen, das erst befohlen, dann getadelt wurde, hinuntergewürgte Tränen, die ihr auf dem Herzen lasteten, endlich die Nörgeleien des Klosters, die sich für Außenstehende hinter dem Schein glorreichster mütterlicher Liebe verbergen. Ihre Mutter prahlte mit ihr und rühmte sie, aber am nächsten Tage musste sie diese Schmeicheleien, die ihre gute Erziehung rühmen sollten, teuer bezahlen. Wenn sie glaubte, durch Gehorsam und Sanftmut das Herz ihrer Mutter bezwungen zu haben, und sich ihr anvertraute, erschien wieder der Tyrann in der Mutter und bediente sich ihres Vertrauens als einer Waffe. Ein Spion wäre nicht so feig, nicht so verräterisch gewesen. Alle ihre Mädchenfreuden, alle Feste wurden ihr vergällt, denn man warf ihr vor, fröhlich zu sein, als ob sie es eines geheimen Vergehens wegen wäre. Nie wurden ihr die Lehren ihrer vornehmen Erziehung mit Liebe gegeben, sondern stets mit beißender Ironie. Sie war ihrer Mutter deshalb nicht gram; aber sie warf sich vor, für sie weniger Liebe als Furcht zu empfinden. ›Vielleicht‹, dachte dieser Engel, ›ist solche Strenge notwendig.‹ War das nicht eine gute Vorschule zu ihrem jetzigen Leben gewesen? ... Wie ich ihr so zuhörte, schien es mir, als würde die Harfe Hiobs, der ich nur wilde Akkorde entlockt, von einer christlichen Hand berührt und sänge die Litaneien der Heiligen Jungfrau am Fuße des Kreuzes.
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